Auch mit Solarenergie ist es möglich, Gegenwind zu erzeugen. Vor allem, wenn das Vorgehen der Investoren den Unwillen der lokalen Akteure erregt.
Zu beobachten ist dies zurzeit in der Hellenthaler Gemarkung Wollenberg und auch gemeindeübergreifend in Kall. Diesen Bereich nämlich hat sich die Stawag-Energie AG, eine hundertprozentige Tochter der Stadtwerke Aachen, ausgeguckt, um einen Solarpark zu realisieren.
Kein überraschendes Ansinnen, denn der Bereich östlich der Ortslage Wollenberg in Richtung der Kaller Gemeindegrenze ist bereits vorher in das Blickfeld von Investoren geraten, die dort Freiflächen-Photovoltaik ansiedeln wollten. Ein perfekter Standort: Eine Wiesenfläche mit leichter Hanglage nach Süden und vor allem: ein Umspannwerk in direkter Nachbarschaft – der wahr gewordene Traum eines jeden Planers.
Der Solarpark auf Hellenthaler Seite sollte knapp 15 Hektar groß werden
14,8 Hektar sollte die PV-Anlage groß werden, mit einer Leistung von rund 16.300 Kilowatt-Peak. 4400 Haushalte könnten damit mit grünem Strom versorgt werden, teilte das stadteigene Unternehmen mit und stellte einen Antrag auf Aufstellung eines Bebauungsplans mit paralleler Änderung des Flächennutzungsplans. Mit besagter Flächengröße würde der geplante Park genau unterhalb der 15 Hektar bleiben, die der Hellenthaler Gemeinderat als Obergrenze für Solarparks festgelegt hatte. Gleichzeitig drückte das Unternehmen kräftig auf das Gaspedal und entwarf einen Zeitplan, mit dem bereits Ende 2025 der notwendige Beschluss durch den Gemeinderat gefasst werden könnte.
Ein Tempo, das die Gemeindeverwaltung Hellenthal wohlweislich nicht aufnahm. Denn was die Stawag nicht mitgeteilt hatte, waren die Pläne, auf der Kaller Seite der Gemeindegrenze bei Wollenberg ebenfalls einen Solarpark zu errichten. 13,5 Hektar groß solle der werden, so dass grenzübergreifend ein zusammenhängender Solarpark von insgesamt rund 28,5 Hektar entstanden wäre.
Die Hellenthaler Blicke gingen über die Gemeindegrenze in Richtung Kall
So war der Blick aus dem Hellenthaler Rathaus erst einmal in die Nachbargemeinde gegangen, als im November der Ausschuss für Bauen und Planen das Thema besprach. "Wir sollten abwarten, ob Kall in der Gegend einen Park baut, dann ist die Gegend sowieso verschandelt", sagte Heinz-Bert Weimbs (SPD). Seine Fraktion sei grundsätzlich dagegen, erklärte er und bekam damit die Zustimmung der CDU. Was habe Hellenthal von dem Projekt außer der Verschandelung der Landschaft, fragte Weimbs. Er riet dazu abzuwarten, bis Kall seinen Kriterienkatalog verabschiedet habe.
Widerspruch erntete er von Gunter Echtle (Grüne), der darauf hinwies, dass das Projekt dem verabschiedeten Kriterienkatalog für Freiflächen-PV entspreche. "Wir fangen schon wieder an, die Sachen zu verhindern", warnte er. Trotzdem lehnte der Ausschuss das Vorhaben mehrheitlich ab.
Der Kaller Kriterienkatalog enthält eine wichtige Einschränkung
Den angesprochenen Kriterienkatalog zur Freiflächen-PV hat der Kaller Gemeinderat diese Woche verabschiedet. Tatsächlich ist der von der Stawag favorisierte Bereich zwischen Sistig und Wollenberg als Potenzialfläche ausgewiesen. Allerdings findet sich in dem Katalog die Einschränkung, dass bei gemeindeübergreifenden Solarparks eine ganzheitliche Betrachtung mit der Nachbarkommune vorzunehmen sei, in der die Ausstrahlung auf das angrenzende Gebiet zu berücksichtigen sei. Ansonsten sei an den Gemeindegrenzen ein Abstand von mindestens 375 Metern einzuhalten.
So etwas wie eine "Lex Stawag"? Kalls Bürgermeister Hermann-Josef Esser bestätigt das: "Das ist bewusst so gemacht worden", sagte er. Dabei habe es für einen Solarpark in der Gemeinde Kall noch überhaupt keine Anfrage gegeben. "Das stört uns gewaltig", wurde er deutlich. Es werde mit Eigentümern geredet, aber in den Gesprächen nicht deutlich mitgeteilt, dass auf der angrenzenden Fläche der Nachbarkommune ebenfalls ein Solarpark geplant sei. "Das ist keine Art der Kommunikation", schimpfte er.
Der Gemeinderat habe sich sowieso vorbehalten, im Einzelfall in eine Prüfung einzusteigen. "Der Bürger, der an so einem Park vorbeifährt, sieht keine Gemeindegrenze, der sieht nur einen gigantischen Solarpark", monierte er.
Dass die Planung auf beiden Seiten der Gemeindegrenze vorangetrieben werde, sei eher zufällig herausgekommen, als er sich mit seinem Kaller Kollegen über das Thema abgestimmt habe, berichtete Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg. Seit die Planung in der Ausschusssitzung abgelehnt worden sei, habe sich interessanterweise die Stawag auch nicht mehr bei der Gemeindeverwaltung gemeldet.
Nicht amüsiert zeigte sich auch Esser. Er spreche auch für andere Bürgermeister, wenn er sage, dass ihm das Vorgehen der Stadt Aachen nicht gefalle. "Die Stadt Aachen will bis 2030 klimaneutral werden, aber die Lasten gehen in die Eifel, das kann es nicht sein", kritisierte er. Das würden die Bürgermeister auch die Aachener Oberbürgermeisterin wissen lassen. © Kölner Stadt-Anzeiger
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