Anders als beispielsweise die weitgehend ignorierte Nutria ist der Biber in vielen Kinderbüchern der strahlende Held, verehrt als "Baumeister der Natur".
Vielleicht auch deshalb war die öffentlich bekundete Freude so groß, als in den vergangenen Monaten immer mehr Biberspuren im Rheinisch-Bergischen Kreis bekannt wurden. Doch hat der putzige Nager nicht nur Fans unter den Menschen, wie in der jüngsten Sitzung des Kreis-Umweltausschusses klar wurde. Nach der ersten Begeisterung greift Skepsis um sich.
Zu den Biber-Kritikern dürfte man Land- und Wasserwirte zählen, denn denen bereitet der streng geschützte Baumeister mit den langen Zähnen Extraarbeit. "Was ist der Vorteil des Bibers? Warum ist der so hoch geschützt?", artikuliert der frühere Kreislandwirt Lothar Stinn seine Zweifel, nachdem Wilfried Knickmeier, Artenschutz-Experte bei der Kreisverwaltung, zuvor ausführlich über die Wieder-Einwanderung des Bibers referiert hat.
Stinn, für die CDU Mitglied im Umweltausschuss, fordert mit seiner Frage im großen Sitzungssaal des Kreishauses am Rübezahlwald seine grüne Koalitionsfreundin Monika Reddemann heraus. Die kommt nicht nur ebenfalls aus Overath, sondern bricht auch explizit eine "Lanze für den Biber": "Wir sind hier im Umweltausschuss, nicht im Wirtschaftsunternehmen. Ich finde es ganz toll, dass der Biber kommt!" Angesichts des Artensterbens sei es ein "großes Glück", dass durch den Biber neue Lebensräume für bedrohte Tierarten geschaffen würden.
Vor dem lebhaften Meinungsaustausch, an der sich weitere Ausschussmitglieder beteiligen, hat Biologe und Verwaltungsfachmann Knickmeier ausführlich, kurzweilig und sachlich über die "geschützte und konfliktträchtige Art" gesprochen. In NRW gibt es den Europäischen Biber seit 1981 wieder: In der Eifel wurde er angesiedelt, ebenso 2002 am Niederrhein und inzwischen hat er es auch an die Lippe geschafft; er sei nicht zu verwechseln mit der eingewanderten – und bejagten – Nutria, von der er insbesondere an der Schwanzform zu unterscheiden sei, und auch nicht mit dem Kanadischen Biber, der, einmal dort ausgesetzt, vor allem in Rheinland-Pfalz auftrete.
Den ersten echten Bibernachweis habe es 2022 als Totfund in Leichlingen an der Grenze zu Leverkusen gegeben, in der näheren Umgebung des Rheinisch-Bergischen Kreises schon früher: 2015 in Leverkusen an der Dhünn, 2018 in der Sieg in Sankt Augustin und inzwischen auch die Sieg rauf bis Windeck. 2023 wurden Biber an der Sülz im Bereich Lohmar/Rösrath gesichtet, dann auch in Rösrath-Venauen, 2024 gab es die erste Fortpflanzung hier.
Biber gibt es in Rhein-Berg aber inzwischen außerdem an der Kürtener Sülz, an der Wupper, in Odenthal und am Scherfbach, und da der Biber so streng geschützt wird, ist die Kreisverwaltung immer mit im Boot, wenn es irgendwo gilt, Ausnahmegenehmigungen zur Entfernung von Dämmen oder zur Vergrämung zu erteilen.
Problemfall Sülzüberleitung in Kürten
Anhand der von ihm benannten Biber-Vorkommen macht Knickmeier aber auch klar, an wessen Nerven der Biber ebenfalls nagt, wenn er seinem Nagebedürfnis an Bäumen frönt. In Rösrath können erholungssuchende Spaziergänger und Kanuten auf der Sülz durch umstürzende Baumstämme gefährdet werden; auch Treibholz auf dem Fluss kann zum Problem werden.
In Kürten könnten sich die Männer und Frauen vom Aggerverband beschweren: Der Verband betreibt nämlich laut Knickmeier die Sülzüberleitung, die zum einen die Große Dhünntalsperre mit Wasser versorge und zum anderen das Zentrum von Kürten vor Hochwasser schütze.
Kreishaus-Experte sieht hohen Regelungsbedarf
Ausgerechnet dort haben sich Biber eingenistet, Nutrias in friedlicher Koexistenz ebenfalls, und das kann die Anlagensicherheit beeinträchtigen – und das, wo die "Dhünntalsperre extrem wichtig für die Trinkwasserversorgung" ist. Spannend ist die Situation auch am Scherfbach: Hier hat der Baumeister der Natur einen Damm gebaut und damit den Bach aufgestaut, mit der Folge, dass sich der so entstandene Biberteich in eine Wiese ergießt.
Für den dicht besiedelten und vergleichsweise engen Rheinisch-Bergischen Kreis sieht Knickmeier daher jede Menge Regelungsbedarf: Wer wird wann worüber informiert, wer macht was? Bislang gebe es in NRW nur lokale Arbeitsgruppen und, anders als in Bayern oder Baden-Württemberg, auch keine Entschädigungszahlungen.
In Rhein-Berg habe es im Oktober bereits ein erstes Treffen lokaler Akteure gegeben, um nicht nur auf das Land NRW zu warten. Biber-Bauten müssten auch heute schon regelmäßig beseitigt werden, um Schäden zu verhindern, dies sei immer eine Frage eine Abwägung. Knickmeier weist aber auch auf den Nutzen durch den Biber hin, auf neue Laichgewässer für Grasfrösche und Libellen. Der Biologe: "Wir als Verwaltung haben den Biber nicht hierher gebeten. Wir können nur versuchen, Konflikte zu vermeiden oder sie zu bereinigen."
Der amtierende Kreislandwirt Peter Lautz, ebenfalls für die CDU im Ausschuss, schließlich reagiert auf eine Mahnung, sich nicht so zu erhitzen: "Wir sind überhaupt nicht aufgeregt. Wir sind nur die Betroffenen. Wenn ich irgendwo im dritten Stock wohne, brauche ich keine Angst vor Überschwemmungen zu haben oder davor, dass mein Land überschwemmt wird." Er begrüße es aber, dass man sich "jetzt schon Gedanken macht, wie man, ohne den Biber abzuschaffen, Lösungen findet". © Kölner Stadt-Anzeiger
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