Bislang kannte das Gericht nur die Sicht des Opfers Erdal B. auf die Vorgeschichte des Messerstichs, den ihm am 14. Juni 2024 Dilan M. (alle Namen geändert), sein Rivale um die Gunst einer jungen Frau, in einem Seitengang der Luminaden zugefügt hat.

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Und in dieser Version der Vorgeschichte war Dilan M. der aggressive, gekränkte, eifersüchtige junge Mann, der seinem Kontrahenten mit dem Tod drohte und ihn über ein halbes Jahr hinweg mehrfach monatlich mit Kontroll-Anrufen bedrängte. Und der schließlich mit einem Messer bewaffnet vor sieben Monaten zu dem blutig endenden Treffen in die Luminaden kam.

Nach den Aussagen der jungen Ex-Freundin des Angeklagten am Montag vor der 9. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichtes ist längst nicht mehr so klar, wie sich während der Monate vor dem gewalttätigen Angriff mitten in der Wiesdorfer Fußgängerzone die Rollen zwischen den beiden jungen Männern verteilen. Denn der 25-jährigen Heilerziehungspflegerin zufolge war es Erdal B., der sie und ihren Ex-Freund Dilan M. belästigt hat. Die junge Leverkusenerin hatte etwa ein Jahr lang eine Liebesbeziehung zu Dilan M., dann kühlte das Verhältnis ab. Während dieser Zeit lernte sie Erdal B. kennen.

Es kam um den Jahreswechsel 2023/24 zu einer gerade einmal zwei Wochen dauernden Liaison. Doch dann habe der junge Mann ihr vorgeworfen, sie habe immer noch etwas mit Dilan M. und sie als "Schlampe" bezeichnet. Da reichte es der jungen Frau und sie beendete die gerade erst stürmisch begonnene Beziehung. "Das schien ihn nicht wirklich zu interessieren", so die Zeugin auf die Fragen von Richter Thomas Stollenwerk. Was ihn hingegen laut ihren Schilderungen interessierte, war, seinen Kontrahenten zu ärgern, "zu sticheln", wie sie sagt. Per SMS. Als sie sagt, er sei ein "Fitna-Mensch", muss Stollenwerk nachfragen, was das heißt.

Leverkusen: Zeugin kann Aussage nicht mit Beweisen untermauern

Der ursprünglich aus dem Koran stammende Begriff bezeichnet in der Sprache junger Leute jemanden, der sich mit Worten als Brandstifter betätigt. "Ein Zwietracht-Säer?", fragt Stollenwerk. Ja, so einer sei Erdal B., bestätigt die Leverkusenerin. Auch die Kontaktaufnahme am Tag der Tat sei nicht von Dilan M. ausgegangen, berichtet die Zeugin. So hatte es Erdal B. vor Gericht gesagt. Vielmehr sei es Erdal B. gewesen, der Dilan M. angerufen und ihm gesagt habe, er säße mit ihr in einem Restaurant in den Luminaden.

Das Problem bei alldem: Die junge Frau kann ihre Aussagen nicht beispielsweise durch einen erhaltenen SMS-Chatverlauf untermauern. Die beleidigenden und stichelnden SMS gingen auch nie an sie direkt, sondern an ihren Ex-Freund Dilan M. Die SMS sind auf dessen Handy gelöscht. Das Gleiche gilt im Übrigen für die SMS auf dem Handy von Erdal B. Auch er sagt, er habe die Textbotschaften gelöscht. So steht jetzt Aussage gegen Aussage, wer da in den Wochen und Monaten vor der Tat verbal gezündelt und wer wen per SMS beleidigt und gereizt hat.

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Für den nächsten Verhandlungstag hat die Strafkammer zwei Beschäftigte aus Läden in den Luminaden eingeladen, die den Kampf zwischen den beiden jungen Männern in der Einkaufspassage jedenfalls zum Teil miterlebt haben. Und womöglich kommt noch ein dritter Zeuge hinzu, den die Verteidigung ausfindig gemacht hat und der das gesamte Geschehen an jenem Juni-Nachmittag beobachtet haben soll, an dessen Ende Erdal B. schwer verletzt durch einen Messerstich in den Oberschenkel am Boden lag.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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