Zunächst schien die Geschichte, die der Zeuge Simon F. vor dem Schöffengericht in Bensberg erzählte, einigermaßen plausibel: Sein Freund Tim K., mit dem er während der Coronazeit in Österreich arbeitete, vermittelte ein Geschäft. Tim K. klärte mit seinem langjährigen Freund Christoph W. (alle Namen sind geändert) die Details.
Simon F. sollte in Kreuztal 2 Kilogramm Amphetamine und knapp ein Kilo Marihuana abholen und nach Österreich bringen. Der Stoff sollte 4000 Euro kosten und in Österreich in einschlägigen Clubs zu einem höheren Preis verkauft werden. "Da habe ich mir schnelles Geld von versprochen", erläuterte der Zeuge.
Haftbefehl von "Freizeitrichter" aufgehoben
Er kaufte anschließend für 4000 Euro, die er angeblich aus seinem Ersparten vorstreckte, die Rauschmittel von Christoph W. in Kreuztal. Doch auf dem Weg nach Österreich wurde er von der Polizei angehalten. Die Beamten fanden die Drogen und verhafteten Simon F. sofort.
Am nächsten Tag wurde der Haftbefehl "von einem Freizeitrichter", so der Originalton des Zeugen, aufgehoben, und er fuhr weiter nach Österreich. Obwohl die Staatsanwaltschaft Beschwerde gegen die Aufhebung des Haftbefehls einlegte, hatten die deutschen Behörden zunächst keinen Zugriff mehr auf den mutmaßlichen Kurierfahrer.
Angeklagter setzt auf Strafminderung
Nach Rücksprache mit seinem damaligen Pflichtverteidiger teilte der Zeuge dann die Namen seiner "Hintermänner" mit, wohl wissend, dass er damit eine Strafminderung erreichen konnte. Bei dem inzwischen in Rösrath wohnenden Angeklagten wurde eine Hausdurchsuchung angeordnet. Die Polizei fand nur eine Feinwaage und eine geringe Menge Rauschgift. Ein Vergehen, für das er nach damals geltendem Recht eine Geldstrafe erhielt, nach neuer Rechtslage jedoch straffrei geblieben wäre. Simon F. ist inzwischen rechtskräftig verurteilt und hat seine Strafe bereits verbüßt. Tim K. wurde bei seinem Prozess in Rosenheim freigesprochen, da ihm die Vermittlung des Geschäfts nicht nachgewiesen werden konnte.
Die Staatsanwaltschaft fragte den Zeugen, ob sein Mobiltelefon untersucht worden sei, da darüber die Absprachen zum Treffpunkt und Verkauf stattgefunden hätten. Dies verneinte er. Dr. Matthias Rahmelow, der Verteidiger des Angeklagten, hakte nach und fragte, ob Simon F. geprüft habe, dass es sich tatsächlich in den eingeschweißten Beuteln um Amphetamine gehandelt habe. "Da habe ich einfach vertraut", war die Antwort des Zeugen. Auf Rahmelows Frage, ob ein Drogentest bei ihm durchgeführt wurde, antwortete Simon F.: "Ja, aber der war negativ."
Zeuge erscheint nicht vor Bensberger Schöffengericht
Der Zeuge Tim K. war trotz Ladung nicht erschienen. "Leider haben wir keinen direkten Zugriff, da der Zeuge im Ausland lebt", erläuterte die Vorsitzende Richterin Britta Epbinder. Sie wolle sich jedoch bemühen, über seinen damaligen Anwalt eine Aussage zu erhalten, ob er sich zu dem Fall äußern wolle. Zwei Tage später ging der Prozess weiter.
In der Tat weigerte sich der Zeuge, nachdem sein Anwalt ihn per Mail angeschrieben hatte, eine Aussage zu machen. Die Richterin wertete dies als Berufung auf Paragraf 55 der Strafprozessordnung. Dieser besagt, dass jeder Zeuge die Beantwortung von Fragen verweigern kann, wenn die Gefahr besteht, wegen einer Straftat verfolgt zu werden. Hätte Tim K. das Geschäft mit seinem Freund Christoph W. bestätigt, hätte er sich dieser Gefahr ausgesetzt.
Die Staatsanwaltschaft beantragte schließlich den Freispruch des Angeklagten, da ihm die Tat nicht nachzuweisen war und unklar blieb, ob nicht Simon F. das Ganze erfunden hatte. Schließlich wirkte er als Zeuge sehr abweisend und gab immer wieder Erinnerungslücken an, was der Staatsanwältin bei einer ersten Tat mit so viel Rauschmitteln sehr unwahrscheinlich vorkam. Matthias Rahmelow schloss sich der Staatsanwaltschaft an und ergänzte, dass der Zeuge insgesamt sehr unglaubwürdig gewesen sei. So war der Drogentest nach Aktenlage positiv, nicht negativ. "Das fand ich echt dreist", ergänzte der Anwalt.
Nach der Beratung mit den beiden Schöffen verkündete Richterin Epbinder das Urteil: Christoph W. ist in allen Punkten der Anklage freizusprechen. Die Kosten für das Verfahren übernimmt das Land NRW, und ergänzend dazu wurde auch der noch anhängige Strafbefehl über die Geldstrafe aufgehoben, da der Besitz einer solch geringen Menge Marihuana nicht mehr strafbar ist. © Kölner Stadt-Anzeiger
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