Beate Müller-Watrin sucht nach den Frauen. Doch Künstlerinnen zu finden ist gar nicht so leicht im Museum Ludwig in Köln, das die größte Pop-Art-Sammlung Europas beherbergt.

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Dabei schauen im Museum von einigen Leinwänden sehr wohl weibliche Gesichter auf die Besucherinnen und Besucher herab, gemalt wurden die Bilder aber meist von Männern. Oder von den Frauen berühmter Künstler, die im Schatten ihrer Männer standen und stehen, wie Museumsführerin Müller-Watrin erklärt.

Sie zeigt auf ein Gemälde von Lee Krasner, der Ehefrau von Jackson Pollock. Krasner, sagt Müller-Watrin, sei nie so berühmt geworden wie Pollock. Frauen könnten den Karriereaufstieg nicht so leicht bewerkstelligen wie Männer. Deshalb hat Beate Müller-Watrin schon immer Wert darauf gelegt, Künstlerinnen in den Mittelpunkt zu stellen.

Künstlerinnen sind unterrepräsentiert

Müller-Watrin, 82 Jahre alt, ist selbst studierte Künstlerin und Absolventin der Modeschule Düsseldorf. Seit 1974 führt sie Menschen durch Kölner Museen: das Museum Ludwig, das Römisch-Germanische Museum, das Museum für Angewandte Kunst und andere. Ihre Führungen befassen sich mit den Themen Kunst, Mode und Textilien. Noch immer beobachtet Müller-Watrin auf ihren Touren, dass Künstlerinnen unterrepräsentiert sind, obwohl es dieses Jahr viele Ausstellungen über Frauen gebe.

"Frauengeschichtsschreibung und Frauengeschichte sind lange nicht aufgearbeitet worden", sagt die Museumsführerin. Sie zuckt mit den Schultern und fasst trocken zusammen: "Das Leben im Patriarchat."

"Tief in mir drin war immer schon der Wunsch, Kunst zu studieren", sagt die 82-Jährige. Doch ihre Mutter war gegen das Kunst-Studium, sagte, damit könne man kein Geld verdienen. Als Kompromiss machte Müller-Watrin eine Lehre zur Schneiderin, obwohl sie Handarbeit hasste, und ging dann auf die Modeschule in Düsseldorf. Danach arbeitete sie als Modegestalterin und freie Illustratorin, zeichnete Modeentwürfe unter anderem für C&A.

Zum Kunststudium kam sie durch die Frauenbewegung

Dass sie ihren Traum vom Kunststudium doch noch verwirklichen konnte, verdankt sie der Frauenbewegung: 1974 trat sie einer politischen Frauengruppe bei, die sich für das Recht auf Abtreibung, bessere Bezahlung und Frauen in Führungspositionen einsetzte – Themen, die damals aktuell waren und es noch heute sind. Doch die Mitglieder der Frauengruppe erzählten sich auch von ihren ganz persönlichen Sehnsüchten und Wünschen.

Müller-Watrin berichtete den Frauen von ihrer großen Liebe Kunst und davon, dass sie ihr Traum-Studium nie begonnen hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte die Künstlerin bereits zwei Kinder und kämpfte dafür, dass Frauen nicht in die alleinige Rolle der Hausfrau verfielen. Die anderen Frauen aus der Gruppe bestärkten Müller-Watrin darin, ihren Traum zu verwirklichen.

1974 übernahm sie als freie Mitarbeiterin im Museumsdienst ihre erste Führung durch die Ausstellung "Kleider machen Leute" im Kölnischen Stadtmuseum. Weil sie nicht Kunstgeschichte studiert hatte, musste sich Müller-Watrin das Wissen für ihre Führungen selbst aneignen. Nebenbei gab sie Mal- und Siebdruckkurse.

Sechs Jahre später begann die mittlerweile 38 Jahre alte Kölnerin, Malerei und freie Grafik an der FH Köln zu studieren. Müller-Watrin war nicht die einzige, die die Gespräche in der Frauengruppe verändert hatten: "Am Ende hat jede von uns ihr eigenes Ding gemacht."

"Geht zurück an die Kochtöpfe"

Obwohl sie jetzt ihr Traumfach studierte, war nicht schlagartig alles einfach, erzählt die Kölnerin. Bis auf eine Professorin wurde sie nur von Männern unterrichtet. "Als Frau waren Sie in den 80er Jahren an Kunstschulen nichts. Da wurde uns gesagt, geht zurück an die Kochtöpfe. Familie und Kunst lassen sich nicht vereinbaren."

Doch Müller-Watrin ließ sich nicht beirren – sie wollte nicht das Leben ihrer Mutter führen, nicht ausschließlich Hausfrau sein. Und so blieb sie bei der Kunst und den Museumsführungen. Und beim Zeichnen und Illustrieren, fertigte Entwürfe für Mode an.

Allein davon leben konnte sie nie: Ihre Bewerbungen, zum Beispiel bei einer Werbeagentur, kamen oft nicht an. Denn die Gesichter der Modelle von Müller-Watrin waren eher kantig, die Schultern breit. Sie seien nicht lieblich und süßlich genug gewesen für das weibliche Schönheitsideal, vermutet Beate Müller-Watrin.

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Seit die Künstlerin pensioniert wurde, gibt sie privat Führungen für Frauengruppen durch verschiedene Museen, malt und zeichnet und will ihre Arbeiten bald ausstellen. Müller-Watrin glaubt: "Meine eigene Kunst und die künstlerische Vermittlung sind meine Lebensaufgabe."  © Kölner Stadt-Anzeiger

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