Mainz - "Die Grenzen des Helfens" machen dem rheinland-pfälzischen Opferbeauftragten Detlef Placzek in seinem Amt am meisten zu schaffen.

Mehr News aus Rheinland-Pfalz finden Sie hier

"Man kann nicht jedem Menschen helfen, auch wenn man möchte", sagt Placzek im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. "Man stößt manchmal an seine Grenzen", berichtet der 67-Jährige. "Das ist dann schon schwierig, wenn man merkt, es geht nicht weiter." Mittel- und langfristig müsse sich daher noch mehr im Opferschutz tun.

Die Flutkatastrophe und die Amokfahrt in Trier wirken nach

"Pläne sind zerbrochen, Hoffnungen enttäuscht und Vertrautes gibt es nicht mehr", schreibt Placzek in der Präambel seines Tätigkeitsberichts 2023/24 über Gespräche Betroffener der Flutkatastrophe und der Amokfahrt in Trier. "Manches, was heil war, ist zerbrochen und tiefe Risse im Lebenskonstrukt sind zu erkennen". Auch Jahre danach - bis heute.

Die Grenzen des Helfens "liegen einerseits daran, dass die Systeme so sind, wie sie sind", sagt Placzek und nennt "noch immer zu wenige ambulante Psychotherapieplätze" als wichtiges Beispiel. "Die Heilung seelischer Verletzungen braucht Zeit und häufig professionelle Hilfestellung."

Im Ahrtal fehlen weiterhin Therapieplätze

Insbesondere im Norden des Landes gebe es dreieinhalb Jahre nach der Flutkatastrophe aber trotz aller Bemühungen noch immer einen hohen therapeutischen Bedarf, schreibt er im Tätigkeitsbericht, der im Landtagsausschuss für Soziales vorgestellt werden sollte. Wartezeiten von bis zu einem Jahr auf einen Therapieplatz könnten nicht toleriert werden.

"Anhaltende finanzielle Sorgen, die Anstrengungen des Wiederaufbaus und der oft langwierige Kampf mit Versicherungen und Behörden ziehen schwerwiegende gesundheitliche Folgen nach sich", stellt Placzek in dem 72 Seiten starken Papier fest. "Depressionen und Suchterkrankungen nehmen im betroffenen Gebiet deutlich zu."

Hilfe scheitert immer wieder an finanziellen Fragen

Eine andere Grenze des Helfens seien Entschädigungsfragen wie etwa beim Hoteleinsturz in Kröv an der Mosel. "Wenn es keine Gewalttat ist, gibt es keinen Fonds, bei der Ahrflut hat man ja extra einen geschaffen."

"Man sieht, dass die Menschen die finanzielle Hilfe unbedingt brauchen, aber man hat keine Kasse", schildert Placzek die Begrenzungen in solchen Fällen. "Und man sieht dann, dass diese Menschen in die sozialen Systeme reinrutschen", beschreibt er das Dilemma. "Man braucht dann finanzielle Hilfen, bis hin zu Schuldnerberatung."

Stromanbieter im Ahrtal brachte Placzek auch an Grenzen

Ein Stromanbieter im von der Flutkatastrophe mit 135 Toten verwüsteten Ahrtal war ein anderes Beispiel für die Ohnmacht des Helfens. "Das war teilweise, als ob Sie einem Ochsen ins Horn petzen", erinnert sich Placzek. Er habe sich sogar an den Aufsichtsratsvorsitzenden des Unternehmens gewandt, "es hat gar keinen interessiert". "Die Leute sollten Stromrechnungen bezahlen, hatten aber gar keinen Stromzähler mehr", berichtet Placzek. "In solchen Fällen würde ich gerne mehr Möglichkeiten haben, da eingreifen zu können."

Opferschutz zählt noch nicht "zu den Basics"

Placzek war 2018 einer der ersten Opferbeauftragten in Deutschland. Ein "Meilenstein" in Rheinland-Pfalz sei das Landesgesetz von 2023, in dem die Rechtsstellung des Opferbeauftragten festgelegt wird.

"Opferbeauftragte gibt es jetzt fast in allen Bundesländern", berichtet Placzek. "Der Opferschutz spielt in Deutschland eine wesentlich größere Rolle als früher. Aber da geht noch was: Er zählt noch nicht bei allen zu den Basics."  © Deutsche Presse-Agentur

Opferbeauftragter Detlef Placzek
"Man kann nicht jedem Menschen helfen", bedauert der Opferbeauftragte Detlef Placzek. © dpa / Helmut Fricke/dpa
Opferbeauftragter Detlef Placzek
Opferbeauftragte werden noch nicht bei allen Katastrophen und Amokläufen von Anfang an selbstverständlich einbezogen, stellt Detlef Placzek fest. Opferschutz "zählt noch nicht bei allen zu den Basics". © dpa / Helmut Fricke/dpa
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.