Windesheim - Ein ausreisepflichtiger Mann aus Afghanistan, der mehrere Polizeieinsätze ausgelöst hat und als gewaltbereit gilt, wird bislang nicht zurück in seine Heimat geflogen.

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Sein Fall, über den mehrere Medien berichtet haben, beschäftigt eine Reihe von Behörden in Rheinland-Pfalz. Rund um die Unterkunft im Kreis Bad Kreuznach, in der er wohnt, regt sich Unmut. Das Beispiel wirft Fragen zur praktischen Umsetzung von Rückführungen auf und hat inzwischen sogar die Ebene der Bundespolitik erreicht.

Nach Angaben des Kreises Bad Kreuznach hatte der Mann sein Heimatland im Jahr 2021 verlassen, Anfang 2023 kam er nach Deutschland. Im Kreis ist er seit September vergangenen Jahres in einer Unterkunft für Geflüchtete in Windesheim. Der Asylantrag des Mannes wurde nach Angaben des Kreises Ende Oktober 2024 abgelehnt, seit Mitte November sei er ausreisepflichtig.

Für eine Abschiebung nach Afghanistan braucht es aber einen Abschiebeflug. Von der rheinland-pfälzischen Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) heißt es: "Die erfolgreiche Aufenthaltsbeendigung selbst ist davon abhängig, ob es dem Bund gelingt, Rückführungsflüge nach Afghanistan zu organisieren."

Ermittlungen und Beschwerden

Unverständnis zeigt Michael Cyfka, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Langenlonsheim-Stromberg, zu der Windesheim gehört. Cyfka hält den Mann aus Afghanistan für gewaltbereit. Dieser habe in der Einrichtung mit Gegenständen auf Mitbewohner und Personal eingeschlagen, es habe einige Polizeieinsätze gegeben. Auch die Kreisverwaltung berichtet, nach Mitteilung des Sozialamtes sei der Betroffene seit Oktober durch eine Reihe von Vorfällen als gewaltbereit, religiös auffällig und radikal beschrieben worden.

Laut Innenministerium in Mainz ermittelte die Polizei in vier Fällen wegen des Verdachts des Ladendiebstahls, der gefährlichen Körperverletzung und der Sachbeschädigung gegen den Afghanen - verurteilt wurde der Mann nach Kreisangaben aber für keine Tat.

Landrätin Bettina Dickes (CDU) spricht von Beschwerden von Mitbewohnern des Mannes, die Kreisverwaltung habe sich im November an das Land gewandt. Mittlerweile sei ein Sicherheitsdienst engagiert worden, der für 40.000 Euro im Monat rund um die Uhr arbeite. "Zum Schutz der anderen, die sich in der Einrichtung befinden, für die Mitarbeiter, für die Mitbewohner", sagte Dickes.

Appelle und Forderungen an Bund

Der Kreisverwaltung seien die Hände gebunden, sagte Dickes, die Gesamtsituation sei mehr als unbefriedigend. Nach Angaben des Kreises ist auch die Anordnung von Abschiebehaft nicht möglich, weil es an einem konkreten Termin für eine Rückführung fehle. "Würde der Bund dem Landkreis einen Charterplatz für eine konkret in Aussicht stehende Rückführungsmaßnahme zuweisen, so wäre hierdurch unmittelbar die Anordnung von Abschiebehaft bis zum Flugtermin möglich."

Die Einzige, die reagieren könne, sei die Bundesregierung, betonte Dickes. Ähnlich stellt es Bürgermeister Cyfka dar. Er könne nur eine vermittelnde Aufgabe übernehmen, ihm seien gesetzlich die Hände gebunden.

Weil Windesheim im Wahlkreis der früheren CDU-Landesvorsitzenden und jetzigen Bundestagsabgeordneten Julia Klöckner liegt, hat sich auch die Unionspolitikerin in die Debatte um den Fall eingeschaltet. In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb sie: "Aufgrund seines unberechenbaren Verhaltens und der geschilderten Radikalisierung halte ich es für dringend erforderlich, diese Person sehr zeitnah abzuschieben." Das hänge am Bund, der Rückführungsflüge nach Afghanistan zu organisieren habe.

Kommt so was oft vor?

Dem Mainzer Integrationsministerium ist der Fall seit Ende Oktober bekannt, seinerzeit sei es von den Behörden in Bad Kreuznach aufmerksam gemacht worden. Daraufhin sei man aktiv geworden, auch die Zentralstelle für Rückführungsfragen, die Ausländerbehörden im Land unterstützt, sei eingebunden worden. Die Folge sei eine sehr schnelle Ablehnung des Asylantrages gewesen. Die Verhandlungen, um Rückführungsflüge möglich zu machen, würden jedoch alleine vom Bund geführt.

Über Fälle wie diesen wird gerade nach dem Messerangriff von Aschaffenburg mit zwei Toten sehr emotional debattiert. Dort ist ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan tatverdächtig, der ausreisepflichtig war.

Das Integrationsministerium in Mainz spricht von Einzelfällen, in denen Ausländerinnen und Ausländer ein Verhalten zeigten, das eine Gefährdung für Dritte befürchten lasse. "Um in diesen Einzelfällen adäquat reagieren zu können, arbeiten die rheinland-pfälzischen und die Sicherheits- und Ordnungsbehörden des Bundes eng und in etablierten Verfahren zusammen."  © Deutsche Presse-Agentur

Ministerin Binz auf dem grünen dpa-Sofa
Am Ende fehlt es an einem Abschiebeflug nach Afghanistan, sagt die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) (Archivbild). © dpa / Helmut Fricke/dpa
Julia Klöckner
Windesheim liegt im Wahlkreis von CDU-Politikerin Julia Klöckner, die sich in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wandte (Archivbild). © dpa / Sabina Crisan/dpa
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