Magdeburg - Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt drängen Politiker in Sachsen-Anhalt parteiübergreifend auf rasche und umfassende Aufklärung.
Der Landtag in Magdeburg setzte einstimmig einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein. In einer teils emotionalen Debatte forderte die AfD-Fraktion den Rücktritt von Innenministerin Tamara Zieschang (CDU).
"Nichts darf unter den Teppich gekehrt, keine Fehler, die möglicherweise gemacht wurden, dürfen ausgeblendet oder verschwiegen werden", sagte Ministerpräsident
Der Ministerpräsident sagte, er werde sich dafür einsetzen, dass das Geschehen vom 20. Dezember schnellstmöglich, auch auf nationaler Ebene, "rückhaltlos aufgeklärt" werde. "Das sind wir den Opfern des Anschlags schuldig", so Haseloff.
Untersuchungsausschuss soll Todesfahrt aufarbeiten
Kurz vor Weihnachten war ein 50-Jähriger mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. Dabei wurden sechs Menschen getötet und knapp 300 Menschen verletzt.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll unter anderem die Sicherheits- und Einsatzkonzepte für den Weihnachtsmarkt und deren Umsetzung beleuchten. Außerdem wird es um die Informationslage zum Täter gehen, der 50-Jährige stand vor der Tat bei Ermittlungsverfahren immer wieder in Kontakt mit den Behörden.
Das Gremium mit 13 Abgeordneten kann Zeugen anhören. Es geht sowohl um Aufklärung der Tat als auch um Schlüsse für die Zukunft. Die CDU-Abgeordnete Karin Tschernich-Weiske wird den Ausschuss leiten.
AfD fordert Rücktritt der Innenministerin
In der Debatte im Parlament forderte die AfD-Fraktion den Rücktritt von Innenministerin Tamara Zieschang (CDU). Sollte sie sich weigern, müsse Haseloff sie entlassen, sagte der innenpolitische Sprecher Matthias Büttner. "Was muss denn passieren, damit hier mal jemand zurücktritt?", betonte er. "Die Sicherheitsbehörden haben vollumfänglich und systematisch versagt." Der Ministerpräsident und die Landesregierung hätten weder Verantwortung übernommen noch Konsequenzen nach dem Anschlag angekündigt.
CDU-Fraktionschef Guido Heuer und weitere Redner wiesen die Kritik der AfD zurück und warfen den Rechtspopulisten vor, den Anschlag politisch für ihre Zwecke instrumentalisieren zu wollen. Heuer sagte, es sei notwendig, die Fehler im Umgang mit Taleb A. zu identifizieren. Man müsse schauen, wie Strukturen verbessert werden könnten. Die Aufarbeitung müsse aber anhand von Fakten und Ermittlungsergebnissen erfolgen, so Heuer.
SPD-Fraktionschef Katja Pähle betonte, der Informationsfluss zwischen den Behörden und die Auswertung sicherheitsrelevanter Informationen gehörten zu den wichtigsten Problemen. Auch FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack verwies darauf, dass viele Informationen zum Täter vorgelegen hätten. Es müssten Konsequenzen gezogen werden, so Silbersack.
Linke warnt vor "Ping-Pong-Spiel" bei Verantwortlichkeiten
Linken-Fraktionschefin Eva von Angern sagte, sie erwarte eine gründliche Aufarbeitung. Heute sei nicht der Tag für Rücktrittsforderungen. Von Angern bemängelte jedoch, dass es bisher keine Entschuldigungen von Verantwortungsträgern gegeben habe. Sie warnte vor einem "Ping-Pong-Spiel" bei Zuständigkeiten.
Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann kritisierte das Sicherheitskonzept zum Weihnachtsmarkt als unzureichend. Sie plädierte zudem für eine umfassende Auswertung der psychosozialen Betreuung der Betroffenen. Einen entsprechenden Änderungsantrag trug die schwarz-rot-gelbe Koalition jedoch nicht mit.
Haseloff: Es muss gelingen, Straffällige abzuschieben
Ministerpräsident Haseloff will Asylrecht und Einbürgerungsrecht nun auf den Prüfstand stellen. Integrationsbereitschaft müsse selbstverständlich sein. Dennoch müsse man "energisch gegen alle vorgehen, die unsere Werte gering schätzen und die Regeln unseres Zusammenlebens missachten", sagte der Ministerpräsident.
Hier einzuschreiten sei Aufgabe des Staates. "Deshalb muss es unverzüglich besser gelingen, all diejenigen abzuschieben, die hier kein Aufenthaltsrecht besitzen, erst recht, wenn sie straffällig geworden sind." Haseloff warnte jedoch gleichzeitig vor "Ausländerfeindlichkeit, der die Landesregierung ebenfalls entgegentritt".
Verbesserte Kommunikation zwischen den Behörden
Als Konsequenz aus dem Anschlag werde der Bund den Härtefallfonds für Terroropfer auch für Opfer des Anschlags in Magdeburg öffnen, so Haseloff. Die Landesregierung beabsichtigt ebenfalls den Opferfonds des Landes aufzustocken.
Zudem müsse der Austausch zwischen Behörden des Bundes und der Länder verbessert werden, sagte Haseloff. Es müsse "endlich eine gemeinsame polizeiliche Datenplattform, ein gemeinsamer Datenraum geschaffen werden." Er appellierte auch an den Bund und die Länder, den Begriff des Gefährders über den Kreis der Täter terroristischer Taten auf andere wie den Täter von Magdeburg auszuweiten. © Deutsche Presse-Agentur
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