Deutschlands Fußball ist in Europa nur noch zweitklassig. Durch Hollands Sieg gegen Frankreich steigt die DFB-Elf nach der verkorksten WM auch noch in die B-Liga der Nations League ab. Bundestrainer Löw will zum Jahresende dennoch Revanche gegen Oranje.
Aus 666 Kilometern Entfernung musste
Im Teamhotel in Leipzig musste Löw am späten Freitagabend tatenlos zusehen, wie die Équipe tricolore in Rotterdam nicht die erhoffte Hilfestellung leistete.
Der neuen Aufbruchstimmung im DFB-Team soll der Absturz aus der Eliteklasse in dem von Löw plötzlich nicht mehr mit höchster Priorität versehenem Wettbewerb aber kein schnelles Ende bereiten.
"Kein Weltuntergang" sei die Abstufung in die B-Liga bei der nächsten Auflage im Jahr 2020 hatte Löw schon vorab erklärt.
Umbruch nach verkorkster WM
Jung, schnell, torhungrig, so hatte sich die neue Turbo-Generation um Leroy Sané,
"Wir haben etwas gutzumachen gegen Holland", sagte der Bundestrainer nach dem Mutmacher-Sieg in Leipzig in Erinnerung an das 0:3 im Oktober in Amsterdam.
Das Duell mit Oranje auf Schalke hat für Löw nun Testcharakter und es bieten sich mehrere vielversprechende Personaloptionen, um das miserable WM-Jahr zumindest versöhnlich abzuschließen.
Ein einziger Sieg mit frischem Tempo-Fußball reichte zudem, um die Zweifel an Löws Reformfähigkeit und Zukunft als Bundestrainer erst einmal zu beenden.
"Das ist das, was wir wollen. Wir wussten, es gibt nach der WM einen Umbruch. Und dieses Gesicht der neuen Mannschaft, die jetzt die Qualifikation bestehen muss, entwickelt sich jetzt", sagte DFB-Boss Reinhard Grindel. "Genauso haben wir es uns vorgestellt."
Abhängigkeit von den Ergebnissen der Konkurrenz wie am späten Freitagabend beim Duell der Gruppengegner, soll es in Zukunft nicht mehr geben.
Hoffnungen ruhen auf Havertz
Kapitän Manuel Neuer sieht nun die Chance auf einen dauerhaften Aufwärtstrend: "Wir wollen versuchen, gegen Holland ein ähnlich gutes Spiel zu zeigen", sagte er nach dem 3:0 gegen den schwachen WM-Gastgeber - und das über 90 Minuten und nicht nur in der ersten Halbzeit. "Wir haben viele gute Spieler mit großem Potenzial, die zeigen, was sie können", betonte der Torwart, der in der runderneuerten Auswahl mit 32 Jahren mit Abstand der Älteste war.
Mit neun Spielern unter 26 Jahren in der Anfangsformation hatte Löw ein klares Signal für einen Generationenwechsel in der DFB-Elf gegeben. Teenager Havertz glänzte auf der Spielmacherposition und bekam nach seinem Startelf-Debüt ein Sonderlob des Bundestrainers. "Für 19 Jahre ist er sehr weit, weil er eine gute Ballbehandlung hat und eine gute Übersicht", sagte Löw und stellte dem Leverkusener für die Zukunft eine "Schlüsselrolle" in Aussicht.
"Es macht immer viel Spaß, mit vielen jungen Spielern zu spielen. Wir können hier von den älteren Spielern aber sehr viel lernen und uns als junge Spieler viel abschauen. Man sieht, was für eine riesige Qualität in dieser Mannschaft ist. Für mich war es extrem wichtig, in so einem Spiel mal dabei zu sein", sagte Havertz.
Für das Pflichtspiel gegen die Niederlande dürfte Löw wieder auf mehr Erfahrung setzen. Toni Kroos gehört nach seiner Erholungspause als Schaltstelle im Mittelfeld wieder zum Team.
Mats Hummels ist als einer der wenigen verbliebenen Ex-Weltmeister in der Innenverteidigung in Pflichtspielen wohl noch erste Wahl - wie auch Niklas Süle, der gegen Russland als Abwehrchef auch sein Premierentor (25.) erzielte.
Löw sieht Aufwärtstrend
Sollte Marco Reus nach seiner Fußprellung wieder fit sein, stünde er in der Zehner-Hierarchie noch deutlich vor Havertz. "Bei Marco Reus müssen wir schauen, wie es aussieht, wie er trainieren kann, und dann werden wir am Sonntag entscheiden", kündigte Löw an.
Zum Symbol des ersehnten Wandels wurde wie im Oktober in Frankreich (1:2) schon angedeutet der schnelle Dreier-Sturm mit den Torschützen Sané (8.) und Gnabry (40.) sowie Timo Werner. "Heute haben wir jungen Spieler gezeigt, dass wir das System des Bundestrainers spielen können", sagte Sané nach seinem Premierentreffer.
Festlegen, dass das Trio dauerhaft die erste Option für den Angriff ist, wollte sich Löw aber nicht. Als Alternativen nannte er Julian Brandt und auch Thomas Müller, der gegen Holland sein 100. Länderspiel bestreiten könnte. "So fühlt sich mal wieder ein Sieg an", sagte Müller nach dem höchsten Erfolg im WM-Jahr.
Bei Verbandschef Grindel weckte der Sieg wieder die Glücksmomente des Sommers 2017: "Das hat mich so ein bisschen erinnert an die Confed-Cup-Truppe. Das war unbekümmert, aber gut abgesichert nach hinten. Das machte schon einen guten Eindruck."
Auch für den DFB-Präsidenten war der Sieg eine Erleichterung, war er doch für sein praktisch bedingungsloses Festhalten an Löw stark kritisiert worden.
Auch Löw konstatierte mit Erleichterung den ersehnten Aufwärtstrend. "In der ersten Halbzeit haben wir ein sehr gutes Tempo gespielt. Wir haben versucht, die erste und zweite Reihe der Russen zu überspielen und eine Dynamik aufzubauen", beschrieb Löw die auf Tempo ausgelegte Taktik.
"Auf der anderen Seite wollte ich von der Offensive den Killerinstinkt sehen. Das ist der Schlüssel", sagte Löw. © dpa
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