Toni Kroos und der FC Bayern, das war nie die große Liebe, was der 34-Jährige durch seine Aussagen auch immer wieder unterstreicht. Doch woran liegt das? Immerhin hat Kroos von 2006 bis 2014 in München gespielt und 2013 mit dem Klub das Triple geholt.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Toni Kroos ist niemand, der sich verstellt. Der Nationalspieler sagt das, was er denkt. Und das ist manchmal unbequem. Oder direkt. Oder halt schlicht und ergreifend die Wahrheit. Deshalb redete er auch gar nicht lange um den heißen Brei herum, als er nach der persönlichen Bedeutung der Rückkehr nach München gefragt wurde. In der vergangenen Woche war das, nach dem 2:2 von Real Madrid beim FC Bayern.

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"Es ist ehrlich gesagt kein so besonderes Spiel mehr. Für mich ist es ein Champions-League-Auswärtsspiel mit Real Madrid. Gegen einen sehr guten Gegner. Und das war es ehrlich gesagt", sagte er bei Dazn. Ein kleiner, aber feiner Seitenhieb gegen seinen Ex-Klub. Auch wenn er den inzwischen bereits vor fast zehn Jahren verlassen hat.

Immer wieder kleine Spitzen

Doch diese Spitzen gibt es immer wieder. Keine wilden Breitseiten oder Brachiales unter der Gürtellinie, sondern minimale Sticheleien, eher zwischen den Zeilen, an die Säbener Straße geschickt. Wie jetzt seine Feststellung, dass eine Rückkehr nach München im Grunde nichts anderes ist als ein Spiel in Eindhoven oder Piräus. Er verzichtete nach seinem Zuckerpass auf Vinicius Jr., der zum zwischenzeitlichen 1:0 führte, dann auch auf die seit einigen Jahren weit verbreitete Zurückhaltung beim Jubel. Ex-Klub? Egal! Kroos ließ sich für die majestätische Vorlage (zu Recht) ausgiebig feiern.

Im Februar wurde er vor dem Achtelfinale gegen RB Leipzig mit dem damals kursierenden Gerücht konfrontiert, der FC Bayern arbeite an einer Rückkehr des 34-Jährigen. "Es ehrt mich immer sehr, wenn es überhaupt stimmt, dass mich jemand gerne in seiner Mannschaft hätte", sagte Kroos, dessen Vertrag in Madrid nach der Saison ausläuft, im Rahmen einer Pressekonferenz. "Aber wenn ich schon keine anderen klaren Aussagen tätigen kann, dann kann ich das aber wenigstens in diesem Fall, nämlich, dass das nicht passieren wird", sagte Kroos. In der Deutlichkeit war das durchaus bemerkenswert.

Erfolg, aber nicht die große Liebe

Doch woher kommt diese – Abneigung wäre eine zu negative Bezeichnung – emotionale Zurückhaltung, wenn es um den Ex-Klub geht? Kroos hat das selbst einmal erklärt, und zwar in der Dokumentation "Kroos" von 2019. Unter dem Strich fehlte ihm die Wertschätzung. Und das von Anfang an, obwohl der damalige Torhüter Oliver Kahn ihm nach seinem Bayern-Debüt das Prädikat "Weltklasse" verlieh. "Mir wurde ganz oft gesagt, wie toll ich bin und wie richtig ich alles mache. Ich habe aber nicht gespielt", sagte Kroos: "Mir war wirklich klar, dass ich mehr verdient hätte."

Von 2006 bis 2014 spielte er bei den Bayern, zwischendurch wurde er für eineinhalb Jahre an Bayer Leverkusen verliehen. In seiner Zeit bei den Bayern wurde er dreimal Meister und Pokalsieger, dazu holte er die Champions League, den Weltpokal und den Uefa-Supercup. Eine Vertragsverlängerung während seiner Bayern-Zeit bereute er zehn Minuten nach der Unterschrift. "Während der Unterschrift kam dann noch von Karl-Heinz Rummenigge so eine Aussage. 'Boah, jetzt hast du aber einen tollen Vertrag', nach dem Motto, dann muss man jetzt mal wieder ein bisschen besser spielen", sagte Kroos. Mutter Birgit verriet in der Doku zudem, dass München für Toni ohnehin "zu schickimicki" gewesen sei.

Nicht im Streit auseinandergegangen

Damals, als die Doku herauskam, wies Kroos den Vorwurf, er trete gegen den Rekordmeister nach, zurück. "Unterm Strich war es eine sehr erfolgreiche Zeit, nur nicht die ganz große Liebe", schrieb er auf X. In seinem Podcast "Einfach mal Luppen", den er gemeinsam mit Bruder Felix betreibt, antwortete er Ende 2022 auf eine Hörerfrage: "Nur, weil ich mit gewissen Personen nicht in Urlaub fahren würde, heißt das nicht, dass ich im Streit mit dem Klub auseinander gegangen bin."

Sein Berater Volker Struth zeichnet in seinem Buch "Meine Spielzüge" ein ähnliches Bild wie Kroos. "Das Gefühl, beim FC Bayern geduldet, aber nicht geliebt zu werden, beschäftigte Toni schon länger." Die Gefühlslage stammt von Anfang 2014, als es darum ging, ob Kroos seinen Vertrag beim FC Bayern nochmals verlängert. Dass sich die Verhandlungen hinzogen und beiden Parteien in Sachen Gehalt weit auseinanderlagen, dürfte Kroos in seinem Gefühl bestätigt haben. 6,5 Millionen Euro boten angeblich die Bayern, die Kroos-Seite wollte wohl zehn Millionen Euro.

"Herr Hoeneß kam damals zu mir und meinte, was mein Berater fordert, ist eine Frechheit", erklärte der Mittelfeldspieler in seinem Podcast. "Das mag Ihre Meinung sein. Aber das fordern wir und nicht mein Berater", soll Kroos auf die Vorwürfe von Hoeneß geantwortet haben. "Ich glaube, er wollte einfach hören, ob das der Toni fordert oder ob der Berater das will." Es kam zum Abschied, für rund 30 Millionen Euro wechselte Kroos zu Real. "Uli Hoeneß rustikale Ansage hieß im Klartext, dass sie ihn nie auf einer Stufe mit Lahm, Schweinsteiger und Ribery sahen. Das war der Zeitpunkt zu sagen: Dann schauen wir doch zumindest mal, ob Toni bei anderen Großvereinen höhere Anerkennung findet", so Struth.

In Madrid reift er zum Superstar

Die fand er bei Real, wo er zu einem Superstar reifte. Bei den "Königlichen" wurde der Rohdiamant final geschliffen, entwickelte sich weiter und gehört seit Jahren zu den besten Mittelfeldspielern der Welt. Auch wenn ihm in Deutschland lange der wenig rühmliche Spitzname "Querpass-Toni" nachlief. Wie sehr ihn die fehlende Wertschätzung in der Heimat wurmte, zeigt eine Episode aus dem Jahr 2021, als Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß nach dem EM-Viertelfinal-Aus gegen England im Doppelpass wetterte, Kroos habe "in diesem Fußball nichts mehr verloren. Das war das Hauptproblem".

Kroos antwortete noch während der Sendung via X: "Uli Hoeneß ist ein Mann mit großem Fußballsachverstand (auch wenn es für RTL nicht gereicht hat), wenig Interesse für Polemik und mit sich komplett im Reinen. Ähnlich wie sein Greenkeeper." Die Hoeneß-Aussagen blieben nicht ohne weiteren Konter, denn es ist auch fraglos so, dass Kroos mit Kritik nicht gut umgehen, sie oft nur schwer wegschweigen kann. Motiviert habe es ihn nicht, so Kroos im August 2022 im Rahmen der Sport-Bild-Awards: "Geärgert vielleicht anfangs kurz, weil ich doch etwas mehr Sachverstand erwartet hatte. Auch anhand der Fakten, die damals schon dagegen sprachen und dem heute noch widersprechen", so Kroos.

Das ist tatsächlich so, wie Lukas Keppler zuletzt im Gespräch mit unserer Redaktion verriet. Keppler ist Co-Gründer und Managing Director bei Impect. Die Firma versucht, Effektivität durch Daten messbar zu machen. "Toni Kroos ist Weltklasse, was das Passspiel angeht. Er hat den effektivsten Spielaufbau, weil er die meisten Gegner im Schnitt überspielt", sagt Keppler. Für Impect ist der Mittelfeldchef seit Beginn der eigenen Datenerhebung "Role Model für die Kennzahl überspielter Gegner".

Hoeneß inzwischen Kroos-Fan

Funfact: Inzwischen ist Hoeneß zum Kroos-Befürworter geworden, begrüßt dessen Rückkehr in die Nationalmannschaft, "weil wir von den Persönlichkeiten gerade nicht so große Auswahl haben. Da ist die Rückkehr eines sehr erfahrenen, sehr erfolgreichen Spielers eine gute Entscheidung". Zuvor hatte Hoeneß bereits eingeräumt, dass der Verkauf von Kroos nach Madrid 2014 "eine harte, vielleicht die falsche" Entscheidung gewesen sei. Eine Einsicht, die zu spät kommt. Denn die große Liebe wird es zwischen Kroos und dem FC Bayern nicht mehr.

Verwendete Quellen:

  • TV-Übertragung Dazn
  • Dokumentation "Kroos"
  • Buch "Meine Spielzüge"
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