Ticketpreise, die sich je nach Angebot und Nachfrage verändern: Damit sorgte der FC Valencia zuletzt für Schlagzeilen. Unsere Recherche zeigt: Auch in der Bundesliga ist das sogenannte Dynamic Pricing vorhanden – und das nicht erst seit dieser Saison. Was ein Experte vom umstrittenen Preismodell hält.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Schleicher sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Auf Euphorie folgte bei vielen Oasis-Fans schnell Ernüchterung: Nachdem sie für den Ticket-Vorverkauf der großen Comeback-Tour lange in der virtuellen Warteliste standen und endlich an der Reihe waren, kam der Preisschock: Für viele hatten sich die Preise für Tickets innerhalb kürzester Zeit mehr als verdoppelt. So berichtet "Sky News", dass Karten zunächst 148 Pfund (175 Euro) gekostet hätten und schließlich für 355 Pfund (420 Euro) zu haben waren.

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Viele Oasis-Fans, die eigentlich Tickets kaufen wollten, sprangen daraufhin ab und verzichteten auf das deutlich verteuerte Konzert-Vergnügen im kommenden Jahr. Hinter dem massiven Preisanstieg steckt ein ganz bestimmtes Konzept: Dynamic Pricing.

Einfach erklärt: Was ist Dynamic Pricing?

  • Dynamic Pricing, auch Surge Pricing genannt, ist ein Modell, bei dem Preise für Produkte oder Dienstleistungen unangekündigt entsprechend des aktuellen Marktbedarfs angepasst werden. Dies erfolgt meist automatisch auf Grundlage vorher festgelegter Algorithmen. Die häufigsten Faktoren, die die Preise entweder erhöhen oder verringern, sind Angebot und Nachfrage – daneben kann es je nach Produkt oder Dienstleistung aber noch weitere externe Faktoren geben.

Das ist an sich nicht wirklich neu, vor allem im Luftverkehr ist es mittlerweile fester Bestandteil der Preisgestaltung. Viele Menschen dürften damit schon selbst Erfahrungen gemacht haben: Wer an verschiedenen Tagen oder zu unterschiedlichen Uhrzeiten nach derselben Flugroute sucht, kann mitunter Preise finden, die deutlich auseinandergehen.

Dynamic Pricing findet seinen Weg in den Profifußball

Inzwischen hält Dynamic Pricing, also die Anpassung des Preises anhand des aktuellen Marktbedarfs, aber in immer mehr Branchen Einzug. Vor allem Konzertveranstalter greifen immer häufiger auf das Modell zurück – wie das aktuelle Beispiel von Oasis zeigt.

Und auch im Profifußball gibt es mittlerweile Dynamic Pricing: In den Schlagzeilen war zuletzt der FC Valencia, der das Konzept als einer der ersten europäischen Top-Klubs zu Beginn der neuen Saison eingeführt hatte.

"Dem weltweiten Trend in den Bereichen Show, Sport und Unterhaltung folgend, wird sich der FC Valencia dieser Praxis anschließen", schreiben die Spanier in der offiziellen Vereinsmitteilung. Das Dynamic Pricing werde laut Verein von der Liga unterstützt und technologisch entsprechend begleitet.

"Wenn Sie Ihre Tickets frühzeitig kaufen, erhalten Sie den besten Preis!"

Mitteilung des FC Valencia

Der spanische Klub erklärt, was die Umstellung für die Fans bedeutet: "Auf diese Weise werden die Eintrittskarten mit einem Grundpreis verkauft, der sich im Laufe der Tage erhöhen kann, immer abhängig von verschiedenen Parametern wie der Auslastung des Stadions und der Nähe des Termins." Und auch einen (eher offensichtlichen) Tipp für die Anhänger hat der Verein parat: "Wenn Sie Ihre Tickets frühzeitig kaufen, erhalten Sie den besten Preis! Planen Sie im Voraus und sichern Sie sich Ihre Karten in der besten Zone und zum besten Preis."

Was vom Verein so schön umschrieben wird, bedeutet konkret: Die Tickets für ein Heimspiel des FC Valencia werden künftig in der Regel teurer. Nicht verwunderlich also, dass viele Fußballfans – nicht nur des spanischen Klubs – den Vorgang in den Sozialen Medien deutlich kritisierten.

"Jede hinterhältige Erhöhung wird auf enormen Widerstand stoßen."

Football Supporters' Association über Ticketpreise und Dynamic Pricing

Die Football Supporters' Association (FSA), eine nationale Vertretung der Fußballfans in England und Wales, äußerte sich Anfang September zum Dynamic Pricing beim FC Valencia – und das mit deutlichen Worten. Stimmen im Fußball hätten demnach die Idee geäußert, "den Fußball mit dynamischen Preisen zu infizieren", heißt es im Statement.

"Unterschätzen Sie niemals das Potenzial der gierigsten Eigentümer im Fußball, schreckliche Ideen aus anderen Branchen zu importieren, um die Loyalität der Fans auszunutzen", schreibt die Vertretung und macht damit klar, was sie von der Einführung des Dynamic Pricing im Fußball hält. Gleichzeitig schickt die FSA, wohl mit Blick auf die englische Premier League, eine Warnung voraus: "Jede hinterhältige Erhöhung wird auf enormen Widerstand stoßen."

In Spaniens höchster Spielklasse führen die ersten Vereine also das umstrittene Preismodell ein, aber wie sieht es in Deutschland aus? Eine Nachfrage bei den aktuellen 18 Bundesligisten ergab: Für viele Vereine ist Dynamic Pricing keine Option, einige Vereine haben das Modell jedoch auch bereits in ihren Ticketverkauf integriert.

Für viele Bundesligisten ist Dynamic Pricing keine Option

Sowohl der SC Freiburg als auch Mainz 05, Union Berlin, der FC St. Pauli und Werder Bremen meldeten sich auf Nachfrage unserer Redaktion zurück und erklärten, dass die dynamische Preisgestaltung für Ticketpreise bei Heimspielen im Verein nicht geplant sei.

"Für uns ist es kein geeignetes Modell. Es würde bedingen, dass wir den Preis vom Markt gemäß Angebot und Nachfrage bestimmen ließen. Wenn wir das so machen würden, müssten wir bereits jetzt bei einigen Spielen deutlich höhere Preise verlangen", erklärte beispielsweise der Werder-Sprecher. Man wolle jedoch, dass die Spiele für alle zugänglich bleiben – "daher nutzen wir den bewährten Bestellprozess mit Verlosung nach Zufallsprinzip anstelle der Umsatzmaximierung um jeden Preis".

Dynamische Preise bei Hoffenheim, Leipzig und Mönchengladbach

Die TSG Hoffenheim berichtet auf Nachfrage, dass bei ihnen bereits "eine Art softes Dynamic Pricing in Form von verschiedenen Preislisten" betrieben wäre. Diese Preise würden sich anhand verschiedener Kriterien voneinander unterscheiden – unter anderem spielen hier Gegner, Jahreszeit und Wochentag eine Rolle. "Ein vollumfängliches Dynamic Pricing wie zum Beispiel im Flugbetrieb ist aber für die TSG im Moment kein Thema", erklärte der Vereinssprecher.

Wie der FC Valencia hat auch RB Leipzig das dynamische Preismodell zu Beginn der Saison eingeführt, wie es auf Nachfrage heißt. Der Verkauf starte mit Grundpreisen, die pro Spiel individuell festgelegt werden. Damit wolle man vor allem Fans belohnen, die ihr Ticket frühzeitig kaufen. Der Preis für die Karte könne dann jedoch steigen, je näher das entsprechende Spiel rückt. Gleichzeitig betont der Verein allerdings, sich weiterhin für "sozial verträgliche" Preise einzusetzen. Unter anderem durch die Differenzierung in acht verschiedenen Preiskategorien soll das möglich sein.

Noch früher, nämlich zur Saison 2022/23, hat sogar Borussia Mönchengladbach die "flexible Preisstruktur für Tageskarten eingeführt", wie der Verein mitteilt: "Demnach haben neben der Nachfrage, die ein Spiel auslöst, auch andere Faktoren, beispielsweise die Terminierung, Einfluss auf die Preise für Tickets." Ziel sei es demnach auch weiterhin, durch die verschiedenen Preiskategorien möglichst vielen Fans einen Stadionbesuch in Mönchengladbach zu ermöglichen.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) teilte auf Nachfrage mit, dass allein die Klubs für die Preisgestaltung der Tickets verantwortlich seien. Die DFL selbst habe keinen Einfluss darauf.

"Mich würde es wundern, wenn die Vereine das Modell so umsetzen würden, dass es nur zu teureren Preisen kommt."

Prof. Dr. Martin Spann

Für die Fans muss das Dynamic Pricing beim Ticketverkauf nicht zwingend etwas Schlechtes sein, oft kann es für die Anhänger sogar zum Vorteil werden, sagt Prof. Dr. Martin Spann im Gespräch mit unserer Redaktion. Spann ist Direktor des Instituts für Electronic Commerce und Digitale Märkte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München – und Experte im Bereich Dynamic Pricing.

"Dynamic Pricing bedeutet, dass die Preise flexibler werden und flexibel heißt auch nach unten hin flexibel. Von der Grundidee her eröffnen bewegliche Preise Chancen für Konsumenten", erklärt Spann. "Mich würde es wundern, wenn die Vereine das Modell so umsetzen würden, dass es nur zu teureren Preisen kommt. Das wäre eigentlich nicht die Idee des Dynamic Pricing."

Prof. Dr. Martin Spann
Spanns Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Preisgestaltung & Auktionen sowie Electronic Commerce & Mobile Commerce. © LMU

Das Problem beim Dynamic-Pricing-Modell sei aus Spanns Sicht die Sorge der Konsumenten, die in den meisten Fällen einen Preisanstieg befürchten. Ihm zufolge gehe aber dabei aber vielmehr darum, Preise über die Zeit zu differenzieren: "Das bedeutet, dass ich zwischen denen unterscheide, die sich früh festlegen können und dann einen niedrigeren Preis bekommen und denen, die später kommen und dann einen höheren Preis zahlen." Eine solche Differenzierung würde laut Spann auch immer eine Chance bieten: "Denn wenn ich mich früh festlege, heißt das auch, dass ich einen günstigeren Preis bekomme. Das ist bei reisebezogenen Dienstleistungen wie Flügen und Hotels ja genauso auch der Fall."

Dem Experten zufolge gebe es dabei durchaus Unterschiede, wie das Modell von den einzelnen Vereinen umgesetzt wird. Oft würden Unternehmen – oder in diesem Fall Klubs – anfangs erstmal vom Preis nach unten gehen, "auch weil sie wissen, dass die Sorge der Konsumenten ist, dass es teurer ist als sonst". Dann sei es laut Spann häufig nichts anderes als ein Rabatt: "Wenn ich früh dran bin, zahle ich weniger und ansonsten zahle ich eben den Normalpreis."

"Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gibt es keinen Grund, Dynamic Pricing nicht zu machen."

Prof. Dr. Martin Spann

Spann ist sich sicher, dass flexible Preise mit der Zeit auch im Fußball vermehrt vorkommen werden. Schon jetzt gebe es das Modell, das seinen Ursprung bei Flugreisen hat, "so gut wie überall", erklärt der Professor. "Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gibt es keinen Grund, Dynamic Pricing nicht zu machen", sagt Spann, der zugleich betont, dass das System kein Nachteil für die Fans sein muss.

Die Schwierigkeit bei der Umsetzung für die Vereine sieht Spann vor allem bei der Frage nach der Akteptanz der Konsumenten und auch die Art und Weise, wie man die Änderung der Preisstruktur kommuniziert. "Gerade betriebswirtschaftliche Überlegungen im Bereich des Fußballs sind auch immer ein heikles Thema in der Kommunikation", sagt Spann.

Der Forscher geht allerdings davon aus, dass Fans häufig günstigere Preise für Tickets bekommen können – vor allem, wenn die Nachfrage nicht überdurchschnittlich hoch ist. "Von der Grundidee her ist ein Fußballspiel nichts anderes als eine Dienstleistung, bei der ich einen Nutzungstermin habe, zum Beispiel ein Flug oder ein Hotel. Wenn ich leere Plätze habe, ist das entgangener Umsatz und die variablen Kosten eines weiteren Zuschauers sind eben relativ gering", sagt Spann.

Wenn die Vereine dann merken, dass Stadion nicht voll wird, haben sie dem Experten zufolge natürlich ein Interesse daran, mit den Preisen nach unten zu gehen und das Stadion dadurch weiter zu füllen. "Für Fluggesellschaften, Fußballvereine oder andere Unternehmen ist die Auslastung wichtig. Durch Dynamic Pricing können sie diese erhöhen und dadurch hoffen, dass möglichst wenig Plätze leer bleiben – egal ob im Flugzeug oder Stadion."

Spiele mit einer Übernachfrage bleiben der Sonderfall

Sonderfälle seien Veranstaltungen, bei denen es eine Übernachfrage gibt. "Da habe ich diese Sorge, dass das Stadion nicht voll wird, erst gar nicht. Aber das mag vielleicht beim FC Bayern oder Taylor Swift sein", sagt Spann und erklärt weiter: "Die grade beschriebene betriebswirtschaftliche Problematik haben viele Vereine – vor allem bei vermeintlich unattraktiveren Gegnern."

Eine Übernachfrage gab es zuletzt, wie eingangs schon beschrieben, auch bei der Comeback-Tour von Oasis. Und eine Übernachfrage wird es mit Sicherheit auch bei einigen Spielen in der Bundesliga weiterhin geben – vor allem, wenn die Top-Klubs um Bayern, Dortmund und Leverkusen spielen oder irgendwo zu Gast sind.

Die entscheidende Frage wird in Zukunft sein, wie die Vereine das Modell im Falle einer Einführung umsetzen. Es liegt also an den Klubs, für Akzeptanz zu sorgen und den Fans die Bedenken beim Dynamic Pricing zu nehmen. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten.

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