Seit einigen Jahren engagiert sich Mats Hummels mit UNICEF für benachteiligte Kinder weltweit. Im Gespräch erzählt er von "unfassbar krassen Einblicken" und erklärt, was er sich für seinen eigenen Sohn in Zukunft wünscht.
Mats Hummels ist Weltmeister, Star des FC Bayern und seit Kurzem auch Vater eines kleinen Sohnes. Aber
Mit seinem sozialen Gewissen will er nicht nur seine Fans inspirieren, sondern irgendwann auch seinen kleinen Sohn. Mit unserer Redaktion hat er exklusiv darüber gesprochen, wie sehr ihn das Schicksal der Kinder berührt und uns den Hintergrund seiner neuen Social-Media-Kampagne #Stop10Seconds erklärt.
Herr Hummels, es gibt gleich mehrere Gründe Sie zu beglückwünschen: Sie stehen mit einem Fuß im Viertelfinale der Champions League und sind vor kurzem Vater geworden. Wie schaffen Sie es bei so viel sportlichem und privatem Stress, sich da auch noch Zeit für ihre Arbeit als UNICEF-Botschafter zu nehmen?
Diese Zeit nehme ich mir ganz bewusst. Man muss aber ehrlicherweise sagen, dass die Trainingszeiten von Fußballern nicht ganz so extrem sind wie bei Ausdauersportarten, wie beispielsweise Langstreckenläufern. Das ist kein 24-Stunden-Job. Wir haben schon ein bisschen mehr Zeit, die man eben auch für soziales Engagement nutzen kann.
Sie starten jetzt Ihre Social-Media-Kampagne #Stop10Seconds. Worum geht es dabei und welche Hoffnung haben Sie für die Kampagne?
Die große Hoffnung ist natürlich, dass wir mit der Kampagne sehr vielen Kindern helfen, sie wortwörtlich vor dem Hungertod retten können. Außerdem wollen wir auch den Kindern zur Seite stehen, die bisher - in Anführungsstrichen - "nur" unter Mangelernährung leiden.
Durch die starke Gemeinschaft der deutschen UNICEF-Botschafter erzielen wir hoffentlich eine hohe Wirkung. Denn über Social Media können wir sehr viele Leute erreichen und in Kombination mit den klassischen Medien große Aufmerksamkeit erhalten.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Zwischen den deutschen UNICEF-Botschaftern (z.B. Angelique Kerber, Udo Lindenberg, Anm. d. Red.) besteht ein gewisser Austausch über Projekte und Aktionen. Daher kam mir die Idee, unsere Bekanntheit für einen guten Zweck zu bündeln. Daraus ist dann nach und nach in Gesprächen mit UNICEF diese Kampagne entstanden.
Durch die Konzeption der Kampagne können wir eben nicht nur die eigene Reichweite nutzen, sondern gemeinsam das Ganze noch viel mehr verbreiten und noch viel mehr Leute erreichen, um auf das Thema aufmerksam zu machen.
Warum startet die Kampagne gerade jetzt? Und was bedeuten die 10 Sekunden?
Die 10 Sekunden stehen für einen Zeitraum: Alle 10 Sekunden stirbt ein Kind an Hunger.
Bereits jetzt leidet im Südsudan fast die Hälfte der Bevölkerung unter extremem Hunger. Und die Situation wird sich in den nächsten Wochen noch drastisch verschärfen – vor allem für die Kinder. Die Vorräte sind aufgebraucht und die neue Erntezeit steht erst noch an.
Sie sind seit 2015 bei UNICEF mit dabei, haben schon bei vielen Projekten als Pate mitgewirkt, beispielsweise "Der geschenkte Tag". Was war Ihre ursprüngliche Motivation UNICEF-Botschafter zu werden?
Die ursprüngliche Motivation war, meine Prominenz zu nutzen. Das Gesicht, das mittlerweile ja doch relativ bekannt geworden ist, dazu zu verwenden, etwas Gutes zu tun. Ich glaube, dass das mit UNICEF am besten möglich ist, und bin damals initiativ auf sie zugegangen.
Sie waren letztes Jahr in Malawi: Wie hat diese Reise Ihre Wahrnehmung verändert? War es schwer, danach wieder in den normalen Alltag zurück zu finden?
Das war schon ein unfassbar krasser Einblick für mich. Ich selbst bin in sehr behüteten Verhältnissen aufgewachsen, in einer Spielstraße, in der ich alles als selbstverständlich hingenommen habe.
Die Lebensumstände für die Kinder in Malawi sind komplett andere, die Familien dort haben oft einfach nur vier Wände und ein Dach, wohingegen ich mein eigenes Zimmer hatte.
Da gibt es zehnjährige Kinder, die überhaupt nicht Kind sein können, sondern arbeiten und sich selbst versorgen müssen. Das war sehr weit weg für mich, bevor ich das mit eigenen Augen gesehen habe.
Diese extremen Unterschiede haben mich schon sehr beeindruckt.
Man muss sich das auch immer wieder vor Augen führen, dass man nicht in diesen Trott verfällt, alles als selbstverständlich zu erachten. Für viele Kinder auf der Welt ist es das eben nicht.
Sie sind vor kurzem Vater geworden: Gehen Ihnen die Schicksale der Kinder in armen Ländern nun noch näher? Hat Sie die Geburt Ihres Sohnes noch anderweitig verändert?
Zu der Zeit, zu der ich in Malawi war, war ich ja noch kein Vater. Trotzdem ging es mir auch da schon sehr nahe, weil ich mich selbst noch lebhaft an die Zeit erinnere, in der ich so acht, zehn Jahre alt war. Dort die Kinder im gleichen Alter zu sehen hat mich sehr berührt.
Und ich glaube schon, dass das dann jetzt, wo ich selbst Vater bin, noch extremer werden kann. Das ist zwar noch alles sehr frisch bei mir, aber mit Sicherheit wird das nochmal eindrucksvoller für mich.
Glauben Sie, dass Ihr Engagement für UNICEF Sie auch in der Erziehung Ihres Sohnes beeinflussen wird? Dass man dem Kind noch mehr mitgeben möchte in die Richtung soziales Engagement?
Klar, das ist auf jeden Fall ein Ziel der Erziehung. Eines, das ich mir auch auf die Fahne schreiben würde, wenn ich nicht in Malawi gewesen wäre. Aber dadurch umso mehr.
Reden Sie mit Ihren Mannschaftskollegen auch über Ihr Engagement und Themen, die damit einhergehen? Manuel Neuer hat ja beispielsweise auch eine eigene Stiftung. Tauscht man sich da aus? Gibt es da Interesse?
Auf jeden Fall. Ich glaube, dass diejenigen, die in diesem Bereich sehr aktiv sind, auch gerne darüber reden. Und es ist auch spannend zu wissen, wie sich beispielsweise Manuel Neuer engagiert. In Dortmund war Neven Subotic sehr aktiv. Das haben wir als Mannschaft hautnah miterlebt.
Wir tauschen uns gegenseitig aus, reden über unsere Ziele und Projekte. Und das ist definitiv etwas, bei dem man vielleicht auch von Mitspielern etwas lernen kann.
LeBron James ist kürzlich von einer Fox-News-Moderatorin gegängelt worden, er solle seine politische Meinung doch bitte für sich behalten. Der genaue Wortlaut war "Halt die Klappe und dribble". Die Meinung, dass sich Profisportler doch bitte aus dem Weltgeschehen heraushalten sollen, gibt es auch hierzulande noch häufig. Wie sehen Sie das? Ihre Arbeit als UNICEF-Botschafter ist ja nicht unbedingt unpolitisch …
Ich glaube ehrlich gesagt, dass es gut ist, wenn Sportler oder generell Prominente ihre Meinung kundtun. Weil ich denke, dass viele Kinder zu diesen Leuten aufschauen. Das war bei mir nicht anders.
Man schaut sich natürlich auch Sachen ab – wenn es dann ein LeBron James ist, der aktuell der größte Basketballer der Welt ist, wird es mit Sicherheit sehr viele Kinder geben, die sein Verhalten als Vorbild nehmen. Und wenn es dann um Engagement im sozialen Bereich geht, sehe ich das nur positiv.
Was muss sich ändern, damit Sie sagen können: Das ist eine Welt, in der mein Sohn und alle anderen Kinder gut aufwachsen können?
Wenn es nur um das eigene Kind geht, ist mir wichtig, dass es sicher aufwachsen kann, dass es sich keine Sorgen machen muss; dass es in keiner Umgebung aufwächst, die gefährdet ist.
Generell würde ich sagen, dass ein Kind ein sorgenfreies Kind sein sollte. Es sollte sich keine Gedanken machen müssen, ob es zur Schule gehen kann oder sich selbst versorgen muss.
Es kommen danach noch genug Jahre, in denen man sich mit vielen ernsten Themen beschäftigen muss. Und wenn man dann wenigstens in jüngerem Alter wirklich nur das machen kann, woran man Spaß hat, worauf man Lust hat, dann glaube ich, ist das schon sehr viel wert.
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