Die Krise ist zurück, oder war sie nie beseitigt? Mit ihrem 1:1 gegen den SC Freiburg bringen die Spieler des FC Bayern München den Job ihres Trainers Niko Kovac neuerlich in Gefahr. Sitzt der Pokalsieger im Gipfel gegen Dortmund noch auf der Bank?

Eine Analyse

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Niko Kovac muss die Situation schleunigst in den Griff bekommen. Sonst ist der 47-Jährige, der als Spieler zwei Jahre an der Isar verbrachte, als Cheftrainer dort nach nicht einmal einem halben Jahr Geschichte. Bezüglich seiner Zukunft sind drei Szenarien denkbar.

Kovac rasiert einen Star

Kovac sitzt - wie ein Boxer - schwer angeschlagen in seiner Ecke. Bekanntermaßen aber sind angeschlagene Kämpfer die gefährlichsten.

Schon als Spieler focht Kovac nicht die feine Klinge, sondern warf sich mutig ins Getümmel. Denkbar ist deshalb, dass er aus der Defensive in die Offensive geht und den einen oder anderen Star entfernt.

Da hätte er derzeit aber alle Hände voll zu tun. Angeblich arbeitet ein prominentes Quartett an Kovacs Ablösung. Verschiedene Medien berufen sich diesbezüglich auf einen Bericht des Fachmagazins "kicker".

Der will davon wissen, dass Weltmeister Mats Hummels, die alternden Legenden Arjen Robben und Franck Ribéry und Thomas Müller nichts dafür tun, um mit Kovac die Krise zu meistern.

Vielmehr tun sie angeblich alles dafür, den Trainer zu demontieren. Sie nähmen ihn schlicht nicht ernst.

Stimmt diese Information, so erscheint Lisa Müllers Instagram-Post aus der Begegnung gegen Freiburg in einem ganz anderen Licht. Der mittlerweile entfernte Eintrag sorgte für Aufsehen, als ihr Mann Thomas erst spät eingewechselt wurde. Frau Müller musste sich entschuldigen. Sie scheint aber zu wissen, was sie tat. Im Zweifel unterstützte sie die Rebellion ihres Mannes und dessen Kollegen.

Lässt Kovac sich dies nicht gefallen und greift durch, besteht indes die Gefahr, dass ihm das nicht als Stärke sondern fehlende Souveränität ausgelegt werden könnte. Gar als Ablenken von eigenen Fehlern und Unzulänglichkeiten.

Zuerst müssten personelle Maßnahmen dieser Tragweite auch mit der Vereinsspitze abgesprochen sein, damit diese sich hinter Kovac stellt.

Das Festhalten

Doch sind Präsident Uli Hoeneß, Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Sportdirektor Hasan Salihamidzic von ihrem Coach noch überzeugt? Sollten die Bayern dem medialen Druck standhalten und Kovac das Vertrauen nicht entziehen, stellt sich die Frage, warum. Weil sie an ihn glauben, oder eher, um einen Fehler nicht einzugestehen?

Ähnlich unerfahrene Trainer wie Kovac hatten an der Isar nie einen leichten Stand. Der vom DFB geholte Udo Lattek setzte sich 1970 durch. Mit Sören Lerby fiel der Klub in der Katastrophensaison 1991/92 ebenso auf die Nase wie 2008/09 mit Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann. An beiden wollten die Bayern nicht festhalten.

Das Risiko, im vergangenen Sommer auf Legende Jupp Heynckes ein nicht annähernd so erfahrenes Trainertalent folgen zu lassen, war Hoeneß und Rummenigge bewusst.

In Klubs "normalen" Erfolgsanspruchs würde Kovac eine kleine Siegesserie zurück in den Sattel helfen. Nicht so bei den Bayern. Sie ticken anders. Bei ihnen gilt bereits jede Punkteteilung als Niederlage. Manchmal fühlen sich gar Siege für den Erfolgsverein so an. Wie jenes erzitterte 2:1 im DFB-Pokal über Viertligist Rödinghausen.

Der Rauswurf

Die Bayern stehen also im Achtelfinale des Pokals. Dort kommt es zum Wiedersehen mit Kovacs Ex-Klub Hertha BSC. Die Herthaner brachten Kovac am sechsten Spieltag der Bundesliga die erste Niederlage als Bayern-Coach bei. Womöglich bekommt Kovac die Chance, sich dafür zu revanchieren, nicht mehr.

Darauf deutet Salihamidzics Analyse nach dem enttäuschenden Remis gegen den SC Freiburg hin. "Brazzo" bemängelte fehlende "Spritzigkeit". Viel schlimmer aber: Auch "Freude" sah das einstige Energiebündel bei Kovacs Mannen nicht. Und wer freudlos seinem Job nachgeht, wird schwerlich erfolgreich sein.

Trotz dieser eindeutigen Diagnose reagierte Salihamidzic barsch und unsouverän auf die Frage nach der Zukunft des Trainers. Er wehrte sie als "blödsinnig" ab.

Kovacs Kardinalfehler aber ist nicht von der Hand zu weisen: Es gelingt ihm nicht, die bundesligaweit größte Ansammlung von Stars bei Laune zu halten. Dies passiert paradoxerweise trotz Rotation.

Sie sollte eigentlich das Mittel sein, jedem Mitglied des Kaders anzuzeigen, gebraucht zu werden. Zumindest von Zeit zu Zeit. Kovac aber gelingt es seit Wochen, Größen wie Robben, Ribéry, Hummels oder Rodriguez zu verprellen. Eine Handschrift Kovacs ist auf dem Platz nicht zu erkennen.

Zu allem Überfluss muss Kovac damit klarkommen, dass seine Autorität untergraben wird. Immer wieder dringen Interna aus der Kabine nach außen.

Und was machen die Bosse? Hoeneß kündigte zwar Anfang Oktober nach vier Pflichtspielen ohne Sieg martialisch an, Kovac "bis aufs Blut" zu verteidigen. Doch wie haltbar ist ein solches Bekenntnis angesichts der Enttäuschungen gegen Rödinghausen und Freiburg?

Auch die legendäre Pressekonferenz vom 19. Oktober, die die Trutzburg FC Bayern gegenüber der "bösen" Presse zusammenschweißen sollte, wirkte nicht viel länger als während des Auswärtssiegs in Wolfsburg am Tag danach.

Sky-Experte Dietmar Hamann, ein Ur-Bayer, mutmaßt, dass Kovacs Schicksal bereits besiegelt sei. Unabhängig vom Ausgang des Klassikers in Dortmund. "Ich glaube nicht, dass Kovac in München alt wird", sagte Hamann in der Diskussionsrunde "Sky90".

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