Deutschland gegen Robert Lewandowski: Das wird dem heutigen Gegner des DFB-Teams bei der EM 2016 nicht gerecht, meint Reiner "Calli" Calmund im Gespräch mit unserer Redaktion und erklärt, wen er bei Polen besonders stark einschätzt. Außerdem fordert der frühere Bundesliga-Manager einen Einsatz von Mats Hummels.

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Er hat seine Entwicklung genau beobachtet. Schließlich scheiterte Arkadiusz Milik einst bei seinem "Herzensverein" Bayer 04 Leverkusen. Der 22-Jährige schoss Polen am ersten Spieltag der Gruppe C bei der EM 2016 zum Sieg gegen Nordirland. Heute will er gemeinsam mit Robert Lewandowski in Saint-Denis das DFB-Team schlagen (21 Uhr, im Live-Ticker).

Ein realistisches Szenario, meint Reiner "Calli" Calmund im Gespräch mit unserer Redaktion. Der einstige Manager und Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen hatte Milik stets im Blick. "Ein interessanter Spieler", sagt er über den Mann, der sich weder bei der Werkself noch beim FC Augsburg in der Bundesliga durchsetzen konnte.

Dennoch: "Arkadiusz Milik ist auf einem guten Weg, hat das Tor gegen Nordirland gemacht und hatte die größte Chance, das 2:0 zu machen. Er harmoniert sehr gut mit Lewandowski. Die Deutschen wissen, was auf sie zukommt", sagt Calmund und legt nach: "Es wird ein heißes Tänzchen geben".

Er selber habe zwar "die deutschen Nationalfarben als Unterhemd und Unterhose an" und sei natürlich auf deutscher Seite, "aber Polen, alle Achtung!"

Milik ist brandgefährlich

Vorsicht sei vor allem vor Milik geboten, glaubt er. Dieser profitiere davon, dass sich die Abwehrreihen auf Lewandowski wegen dessen Torquote konzentrieren, erklärt "Calli": "Das schafft Räume für Milik." Der Mittelstürmer sei immens torgefährlich und habe sich nach seinem Wechsel zu Ajax Amsterdam "sehr, sehr gut entwickelt".

Warum er dennoch bei Bayer 04 scheiterte? "Das war vielleicht systembedingt, weil der Roger Schmidt ein anderes System spielt. Er hat ja auch Stefan Kießling oft auf die Bank gesetzt, einen mehrfachen Torschützenkönig", sagt der 67-Jährige. "Es ist immer die Frage, wie ein Trainer spielen lässt."

Im polnischen Nationalteam vertraut Coach Adam Nawalka auf ein 4-4-2 mit einer hängenden Spitze – und damit auf ein System wie gemacht für Milik. Für Ajax schoss er in der vergangenen Saison 21 Tore in der niederländischen Eredivisie. "Damit ist er einer der besten Stürmer in Europa", sagt Calmund. Und die besten Stürmer bräuchten die allerbeste Gegenwehr.

Mats Hummels muss spielen

Ergo fordert Calmund gegen Polen die Aufstellung von Mats Hummels in der deutschen Innenverteidigung. Obwohl Ersatzmann Shkodran Mustafi seine Sache gegen die Ukraine (2:0) sehr gut gemacht habe, "aber Hummels ist weltklasse". In der Dreierkonstellation Manuel Neuer, Jerome Boateng und Hummels sei Deutschland nicht umsonst Weltmeister geworden, sagt er.

"Sie kennen Lewandowski auch bestens aus ihren Vereinen (Anm. d. Red.: FC Bayern und Borussia Dortmund). Boateng und Hummels sind eingespielt und waren bei der WM 2014 absolute Leistungsträger", so Calmund: "Hummels hat eine großartige Handlungsschnelligkeit und ein sehr gutes Stellungsspiel, Boateng ist dazu überaus dynamisch."

Ein emotional geladenes Spiel

Die Abwehr sei beim Spiel am Abend im Stade de France entscheidend, meint er. "Wenn man sich die Tabelle der EM-Qualifikation anschaut, sieht man, dass die Polen mehr Tore geschossen haben als wir. Sie spielen nach vorne."

Diesen Eindruck bestätigte Lewandowski noch einmal in einem offiziellen Interview mit dem europäischen Fußballverband Uefa, das im EM-Pool über verschiedene Fernsehanstalten ausgestrahlt wurde. Der Bayern-Star sagte: "Wir dürfen keine Angst davor haben, angreifen zu wollen."

Nicht nur für den 27 Jahre alten Top-Stürmer dürfte es eine höchst emotionale Geschichte werden. "Vor fast genau zehn Jahren fing unser Sommermärchen in Dortmund an, als Oliver Neuville das 1:0 in der 90. Minute gegen Polen schoss", schildert Calmund im Rückblick. "Beide hatten damals drei Punkte."

Das DFB-Team zog später im eigenen Land ins Halbfinale ein, Polen schied nach der Vorrunde aus. Calmund: "Wenn man das im Hinterkopf hat, wird man ja bekloppt."

Reiner Calmund ist bis heute eines der bekanntesten Gesichter des deutschen Fußballs. Zwischen 1988 und 1999 war der Rheinländer Manager von Bayer 04 Leverkusen. Es folgten fünf Jahre als Geschäftsführer der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH. "Calli", wie ihn die Fans bis heute rufen, formte aus der Werkself einen internationalen Topklub. 1989 gewann der heute 67-Jährige mit Bayer den Uefa-Pokal, 1993 den DFB-Pokal. Unter Calmund wurde Leverkusen viermal Vizemeister der Bundesliga und erreichte 2002 das Champions-League-Finale. Seit Ende seiner Karriere im Fußball-Geschäft ist Calmund immer wieder meinungsstark in Talk-Shows zu Gast.
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