Für Mario Götze war die Nationalmannschaft immer ein Luftkurort. Gegen die Slowakei rotierte er raus. Und Ersatz Julian Draxler brillierte. Besserung ist nicht in Sicht. Und das hat auch seine Gründe.

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Schon Pep Guardiola fand es eine Beschwerde wert, dass im Umfeld des FC Bayern zu selten über diejenigen philosophiert werde, die spielen - und zu oft über diejenigen, die zugucken. Also, im Zweifel: Mario Götze. Es war eine enervierende Debatte in den vergangenen drei Jahren.

Nicht überliefert ist, ob Guardiola am Samstag beim deutschen Sieg gegen die Slowakei das Zweite Deutsche Fernsehen einprogrammiert hatte. Eher nicht, aber wenn doch, hat er vermutlich die Augen gekreiselt und mit der flachen Hand über den Kopf geschrubbt.

Der Sonderstatus des Fußballers Götze dringt auch im DFB-Team durch. Und so musste Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff vor dem EM-Achtelfinale einigermaßen kratzbürstig aufklären, warum Götze denn nicht spiele gegen die Slowakei.

Ein "Schlag in den Nacken" für Götze

"Mario hat es gut versucht, es hat Glück gefehlt, um den entscheidenden Abschluss zu machen", sagte Bierhoff über Götzes Startelf-Einsätze in der Gruppenphase. Konkreter wurde es im dazugehörigen Expertenstudio, wo Sebastian Kehl, ein früherer Kollege Götzes bei Borussia Dortmund, die als Demission empfundene Entscheidung von Bundestrainer Joachim Löw als "Schlag in den Nacken" wertete.

"Er steht so ein bisschen am Scheideweg. Ich hätte ihm gewünscht, dass er einen Schub bekommt", ergänzte Kehl. Es war dann eine bissige Pointe, dass der Schub von demjenigen stammte, der anstelle Götzes nominiert wurde. Kehl: "Ausgerechnet Draxler macht ein überragendes Spiel...".

Ja, dieser Julian Draxler war der hervorstechende Akteur dieses 3:0 (2:0)-Erfolgs. Den Treffer von Mario Gomez servierte er elegant (43. Minute), einen technisch anspruchsvollen Volley-Drehschuss brachte er in Eigeninitiative unter (63.). Drei Torschüsse, eine Torschussvorlage, 47 Ballkontakte, 79 Prozent Pass- und 61 Prozent Zweikampfquote notierten die Statistiker, von der UEFA wurde Draxler zum "Man of the Match" gekürt. Zurecht.

Draxler setzt um, was Löw auch von Götze sehen wollte

Gomez lobte die "geniale Flexibilität" der Truppe, und als er betonte, dass es "nicht so einfach" sei, dahin zu gelangen, "wo keine Räume sind", sollte sich Draxler angesprochen fühlen. Gerade dessen Befähigung für Eins-gegen-Eins-Situationen, sein Mut und seine Zielstrebigkeit halfen bei der Entflechtung des slowakischen Defensivblocks.

"Das war die klare Ansage vom Bundestrainer, das wollte er von mir sehen", bestätigte der 22-Jährige. "Wenn man in der Startelf steht, sollte man umsetzen, was der Trainer von einem verlangt." Draxler war der Gewinner der Partie. Und Positionskonkurrent Götze der Verlierer. Er konnte gar nichts dafür. Oder besser: Er durfte nicht.

Die Nationalmannschaft war immer ein Luftkurort gewesen in den vertrackten Bayern-Jahren, Löw spendete Vertrauen, Götze dankte es mal mehr, mal weniger überzeugend. Zuletzt tendenziell weniger. Das Turnier begann er im Stamm, verpuffte jedoch gegen die Ukraine (2:0) und Polen (0:0) als verkappte Spitze. Gegen Nordirland (1:0) rotierte Gomez in den Angriff und Götze eine Linie zurück, schräg versetzt, seine Leistung: emsig, aber diskret.

Götze mangelt es an Geschwindigkeit

Nun würzte Draxler den DFB-Vortrag mit Zutaten, die Götze abgehen: Tempo und Dynamik. Der WM-Finalschütze ist keiner für die Außenbahn. Ist er nie gewesen. Dafür mangelt es ihm an Geschwindigkeit, auch im Dribbling ist er bloß Durchschnitt.

Als "Falsche Neun" würde sich Götze (1,76 Meter) gegen Kanten wie den Slowaken Martin Škrtel oder die potentiellen Viertelfinal-Rivalen Italien (Giorgio Chiellini/ Leonardo Bonucci) und Spanien (Sergio Ramos/ Gerard Piqué) sowieso schwer tun.

Seine Vorzüge - feinste Technik, Spielwitz, eine Prise Unverfrorenheit - kann er am stärksten im Zehner-Raum entfalten. Aber die Mitte ist mit Mesut Özil besetzt.

Der Regisseur wäre bei einer Verwarnung fürs mögliche Halbfinale gesperrt, das könnte Götzes Chance sein. Ansonsten wird's kompliziert, gegen die Slowakei wechselte Löw lieber Lukas Podolski ein. Noch so ein Stich. Es droht das Bayern-Schicksal.

"Das war ein trauriger Abend für Mario Götze", bilanzierte ZDF-Mann Kehl, während Draxler verbal ähnlich clevere Lösungen fand wie auf dem Feld. Zum Duell mit Götze sagte er solidarisch und doch irgendwie eigennützig: "Es soll der Bessere spielen und fertig." Das kann momentan nur einer sein.

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