Zwei Siege und 7:1 Tore: EM-Gastgeber Deutschland steht bereits nach zwei von drei Gruppenspielen im Achtelfinale der EM-Endrunde. Der Erfolg über Ungarn aber gibt Julian Nagelsmanns Elf einen Vorgeschmack auf das, was sie im Turnier noch erwartet. Unser Kolumnist Olaf Thon hat zu viele Chancen des Gegners gesehen - aber eben auch einen wiedererstarkten Torwart.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Olaf Thon dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es ist keine Überraschung, dass wir nach zwei Spielen schon im Achtelfinale stehen. Aber die Ungarn konnten nach wenigen Sekunden bereits in Führung gehen. Manuel Neuer hat nicht nur in dieser Situation super gehalten. Wenn ein Torhüter gut halten muss, zeigt das, dass die Mannschaft nicht gut gespielt hat.

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"Wir haben zu viele Chancen zugelassen."

Olaf Thon zum Spielverlauf gegen Ungarn

Wir haben viel zu viele Chancen zugelassen, gerade auch bei Standardsituationen. Julian Nagelsmann und seine Spieler haben das nach dem 2:0-Sieg erkannt. Wir sind auf dem richtigen Weg, wir sind aber auch hier und da verwundbar.

Die Kader-Zusammenstellung von Nagelsmann passt zwar und fruchtet, aber es läuft eben noch nicht ganz rund. Aber auch die Franzosen haben beispielsweise nur mit Hängen und Würgen mit 1:0 gegen Österreich gewonnen und müssen nach Kylian Mbappés Nasenbeinbruch jetzt sogar mit einem gehandicapten Torjäger weiterspielen.

Die starke deutsche Bank ist ein Faktor

Favoriten wie Frankreich und Spanien aber sind wir in der Lage, die Stirn zu bieten, weil wir eine so starke Bank haben. Es gibt einen internen Konkurrenzkampf, der sehr förderlich für die Leistung bei einer EM oder WM ist. Die Spieler hinter unserer ersten Elf lauern auf ihre Chance. Sie sehen in Training und Spiel, welcher Spieler nicht so gut drauf ist - obwohl mir momentan keiner einfällt, der richtig abgefallen ist.

Nagelsmann konnte in den Spielen gegen Schottland und Ungarn bereits peu à peu Leute schonen, die eine gelbe Karte hatten, oder die geschont werden sollen, um andere auch heranzuführen, wenn mal verletzungsbedingt was passieren sollte. Aber wenn sich bis zum Sonntag keiner verletzt oder Kopfschmerzen hat, dann wird auch gegen die Schweiz die gleiche Start-Elf wieder auflaufen. Und das hat etwas.

Ilkay Gündogan zahlt Julian Nagelsmanns Vertrauen zurück

Dass Ilkay Gündogan auch bei dieser EM der Kapitän dieser Elf ist, war eine sehr gute Entscheidung von Nagelsmann, das habe ich bereits vor ein paar Monaten gesagt. Ein Feldspieler als Kapitän hat aufgrund der Regeländerung der Uefa nun auch den direkten Draht zum Schiedsrichter. Und umso besser, dass Gündogan das Vertrauen bei der EM mit Leistung, Toren und Torvorlagen zurückzahlt.

Das gilt auch für Neuer. Er ist dabei, wieder die Unhaltbaren zu halten. Er wird besser, besser und besser. Das macht die Abwehr stabiler. Und eine Abwehr gewinnt Titel.

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Im Kampf um den EM-Titel sind wir zwei Schritte weiter, aber weiterhin Außenseiter. Wir haben eine Duftmarke gesetzt, aber an der Spitze, an der ich Spanien und Frankreich sehe, sind wir noch nicht angekommen. Es ist jedoch alles möglich, wenn Form Klasse schlägt. Lasst uns weiter träumen.

"Die Deutschen sind elektrisiert."

Olaf Thon spürt den Heimvorteil und die EM-Euphorie

Denn der zwölfte Mann ist da. Das merkt man schon jetzt. Wir haben in jedem Stadion, in dem wir spielen, die absolute Unterstützung. Die hat sich die Mannschaft schon in den Spielen in Frankreich und gegen die Niederlande im Vorfeld erarbeitet. Die Deutschen sind elektrisiert. Sie sehen ein Team, das Nagelsmann und Rudi Völler (DFB-Sportdirektor, Anmerk. d. Red.) anführen, dazu der Kapitän Gündogan, Neuer und Kroos. Die Fans sehen den absoluten Willen und die fußballerische Klasse, ihn umzusetzen. Wir spielen keinen Rumpelfußball oder Glücksfußball.

Wir gehören zu den Mannschaften bei dieser EM, die die Flucht nach vorne ergreifen. Es wird wenig taktiert, wie sonst in einer Vorrunde üblich. Diese Entwicklung hin zu mehr Spielanteilen ist schön zu sehen. Denn nur, wer den Ball hat, kann auch Tore erzielen.

Weitschüsse sind wieder ein probates Mittel

Dass diese Tore bei der EM bisher häufig aus der Distanz erzielt werden, ist eine Tendenz. Sie kann mit den Unwettern zu tun haben, die die Spiele Türkei gegen Georgien und Portugal gegen Tschechien in Dortmund und Leipzig beeinflusst haben. Dann sind Weitschüsse, vor allem, wenn sie flach kommen, noch gefährlicher.

Die schönen Tore aber wurden ausnahmslos hoch erzielt. Das hatte mit dem Wetter nichts zu tun. Durch die stabile Abwehr, den "Catenaccio" jedoch, den manche Mannschaften aufziehen, ist der Gegner gezwungen, aus der zweiten Reihe zu schießen. Das wird auch trainiert. Es gibt in jeder Mannschaft Spezialisten für Weitschüsse.

Aufgezeichnet von Jörg Hausmann

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Podcast "Macht Bock!" - Folge 2: Läuft ja wie ein Heimspiel

Bereits nach dem zweiten Gruppenspiel steht Deutschland sicher im Achtelfinale der EM. Mit unserem DFB-Reporter Stefan Rommel können Sie den Tag des Spiels gegen Ungarn noch einmal miterleben und nachspüren. Und auch Manuel Neuer kommt zu Wort. Hören Sie rein!
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