Heute Abend will der ÖFB bekanntgeben, wer sich als Nachfolger von Marcel Koller versuchen darf. Wir haben alle möglichen Trainer-Kandidaten auf Herz und Nieren geprüft.
Wer auch immer den Job als Österreichs Nationaltrainer antritt, muss sich nicht nur den traditionell überhöhten Erwartungen in der Alpenrepublik stellen, sondern am Besten auch noch die perfekte Mischung aus internationaler Erfahrung und einheimischer Fußballkenntnis mitbringen.
Wem könnte dieser schwierige Spagat gelingen? Wir stellen die aussichtsreichsten Kandidaten samt Einschätzung vor.
Franco Foda
Franco Foda wird momentan als der große Favorit für den Posten des ÖFB-Teamchefs gehandelt. Keine neue Situation für den 51-Jährigen: Foda galt schon 2011 lange Zeit als Top-Kandidat, Leo Windtner und Willi Ruttensteiner setzten damals jedoch mit Marcel Koller den Trainer durch, der zu jener Zeit am besten zu ihrem Anforderungsprofil passte.
Erfahrung und Erfolge
Aufgrund der Salzburger Dominanz in der österreichischen Bundesliga ist die Titelsammlung von Foda überschaubar: Lediglich eine Meisterschaft aus dem Jahre 2011 sowie ein nationaler Pokalsieg 2010 stehen auf seiner Haben-Seite als Trainer von Sturm Graz.
Allerdings gelang Foda, trotz der im Vergleich zur Konkurrenz überschaubaren finanziellen Mittel, immer wieder die Teilnahme am Europapokal. Momentan führt seine Mannschaft die Tabelle in der Liga an. Da der gebürtige Mainzer bereits seit 2006 Profitrainer ist, hat er bereits die Höhen und Tiefen des Fußballgeschäfts durchlebt.
Das aber wiederum nur bei Sturm Graz und in einem eher kurzen Gastspiel beim 1. FC Kaiserslautern. Es war also weder ein absoluter Spitzen-Klub dabei, noch war er je einem öffentlichen Erwartungsdruck ausgesetzt, der mit jenem als ÖFB-Teamchef vergleichbar wäre.
Soft Skills
Mit internationalen Stars wie
Gerade starke Persönlichkeiten wie
Innovationsgeist
Foda setzt auf eine stabile und strukturierte Defensive, aus der seine Mannschaft schnell kontert. Unter Vorgänger Marcel Koller spielte das ÖFB-Team hingegen zuletzt einen eher zähen Ballbesitzfußball, der vor allem gegen tiefstehende Gegner immer wieder wie ein stumpfes Schwert wirkte. Eine Frischzellenkur täte der österreichischen Nationalmannschaft also gut.
Fodas Umschaltspiel wäre gewiss eine Variante, um die Stärken von dynamischen Offensivspielern wie Arnautovic, Michael Gregoritsch oder Louis Schaub wieder besser zur Geltung zu bringen. Ohnehin bewies Foda zuletzt eine fast schon überraschende Flexibilität, als er sich in dieser Saison entschied von seinem einst in Stein gemeißelten 4-4-2 System abzurücken und auf Dreierkette zu setzen.
Verständnis für den österreichischen Fußball
Hier kann Foda punkten wie kein anderer Kandidat. Er war vier Jahre als Spieler in Graz und übernahm nach seinem Karriereende 2001 die zweite Mannschaft von Sturm. Bis auf den kurzen Abstecher nach Kaiserslautern arbeitete er durchgehend im österreichischen Fußball.
Man kann hier aber durchaus die Frage stellen, ob als Nationaltrainer ein Blick über die Landesgrenzen hinweg nicht auch dienlich wäre. Immerhin besteht das Nationalteam aus vielen Legionären, die im Ausland nicht nur täglich andere Fußballphilosophien, sondern auch andere Mentalitäten vermittelt bekommen.
Verfügbarkeit
Erst im Februar 2017 hat Foda seinen Vertrag in Graz eigentlich bis ins Jahr 2019 verlängert. Es wäre jedoch keine Überraschung, wenn sich Bundesliga-Boss Hans Rinner für den 51-Jährigen einsetzen würde. Der ehemalige Sturm-Präsident ist ein langjähriger Wegbegleiter Fodas.
In der "Kleinen Zeitung" kündigte das ÖFB-Präsidiumsmitglied an: "Sollte Franco Foda die Nummer eins in der Trainerfrage sein, gehe ich davon aus, dass sich Sturm und der ÖFB bei den Ablösemodalitäten einigen werden." Auch Foda selbst bekräftigte bereits, dass er sich Gedanken machen werde, wenn er kontaktiert wird.
Fazit
Foda ist nicht nur die wahrscheinlichste, sondern auch eine gute Option. Es gilt vor allem das träge ÖFB-Spiel wieder flott zu machen. Genau hier hat der Deutsche seine Stärken.
Auch die Kritiker, die sich nach einem Trainer mit großer Österreich-Erfahrung sehnen, wären besänftigt. Gewiss wird Foda auch auf Erfahrungen in seinem Repertoire zurückgreifen können, die einen zielführenden Umgang mit Exzentrikern wie Arnautovic oder Alaba ermöglichen.
Thorsten Fink
Lauscht man den Worten des ehemaligen Bayern-München-Profis, dann kommt man nicht umhin ein reges Interesse am Job des ÖFB-Teamchefs herauszuhören. "Wenn ein Land bzw. dessen Verband anklopft, dann muss man reden, Gedanken austauschen, Meinungen abklären", sagte Fink kürzlich. Immerhin sei es für jeden Trainer eine Ehre, für diesen Posten im Gespräch zu sein. In den Medien jedenfalls gilt der aktuelle Trainer von Austria Wien als Mitfavorit.
Erfahrung und Erfolge
Fink kann bereits auf vielfältige Erfahrungen im Trainergeschäft zurückblicken. Er arbeitete bereits erfolgreich beim FC Basel in der Schweiz, wo er zweimal Meister und einmal Pokalsieger wurde.
Danach war er fast zwei Jahre beim Hamburger SV, was beim Trainerverschleiß des Traditionsklubs durchaus einer kleinen Meisterleistung gleichkommt. Beinahe hätte er es mit dem HSV gar in den Europapokal geschafft. Über APOEL Nikosia ging es 2015 dann zur Wiener Austria. In Österreich gelang es Fink konstant in der Spitzengruppe der Bundesliga mitzumischen.
Soft Skills
Der 47-Jährige versteht es, seinen Standpunkt - vor allem bei Kritik - rhetorisch klug darzustellen. Wer Trainer beim HSV war, der kann auch mit dem Medienwirbel umgehen, der einen als ÖFB-Teamchef erwartet. Fink ist dahingehend abgehärtet und scheut auch nicht davor zurück, personelle Konsequenzen zu ziehen, wenn ein Spieler aus der Reihe tanzt.
Innovationsgeist
Die Spielphilosophie des Austria-Trainers basiert, wie die von Marcel Koller, vor allem auf Ballbesitz. Von sich selbst sagt Fink: "Ich will viel Ballbesitz, weil ich Kontrolle haben möchte." Zwar gebe es keine Patentlösung über Spielstile, allerdings würden in den meisten Ligen jene Mannschaften Meister werden, die Ballbesitz-Fußball spielen.
Fink könnte also auf dem Fundament aufbauen, das Koller hinterlassen hat. Zumal ein erneutes Ballbesitzspiel nicht mit Stagnation verknüpft sein muss. Fink versteht sich selbst als modernen Trainer, der ein Spielsystem Woche für Woche anders auslegen kann.
Verständnis für den österreichischen Fußball
Vorhanden. Fink kennt den österreichischen Fußball nun seit mehr als zwei Jahren und hat bewiesen, dass er sich nicht nur taktisch, sondern auch charakterlich bestens an die Begebenheiten angepasst hat. Ihm kommt zu Gute, dass er - anders als Hauptkonkurrent Foda - über einen breiten Erfahrungsschatz auf internationaler Bühne verfügt. Insgesamt 45 mal stand Fink bereits in Champions- oder Europa-League-Spielen als Trainer an der Seitenlinie.
Verfügbarkeit
Fink hat wie Foda bei seinem Klub einen Kontrakt bis 2019. Allerdings bestätigte Austria-Sportdirektor Franz Wohlfahrt bereits, dass Fink eine Ausstiegsklausel habe. Die Ablöse, die der österreichische Fußballverband zu zahlen habe, sei jedoch "sehr, sehr hoch".
Fazit
Fink wirkt objektiv betrachtet eigentlich wie die Ideallösung für den Posten. Er paart in perfekter Art und Weise nationale mit internationaler Erfahrung. Der Austria-Trainer kennt sowohl erfolgreiche Zeiten als auch Krisenmanagement und hat beides in seiner Laufbahn gemeistert. An seinen Begehrlichkeiten hinsichtlich des Jobs dürfte es ohnehin nicht scheitern.
Andreas Herzog
Der ehemalige österreichische Nationalspieler hat mit Vorarlbergs Fußballpräsident Horst Lumper einen lautstarken Sponsor: "Herzog ist ein großartiger Spieler und hat mittlerweile auch seine Meriten im Ausland verdient. Ich könnte mit diesem Namen sehr gut leben."
Außerdem meint Lumper, dass der neue ÖFB-Teamchef unbedingt den österreichischen Fußball verstehen müsse. Und deutet damit mehr oder minder subtil an: Er will einen Österreicher. Zumindest dieses Attribut hätte Andreas Herzog rein von Geburt her schon einmal erfüllt.
Erfahrung und Erfolge
Als Trainer eigentlich nicht vorhanden. Zwar war Herzog schon Interimstrainer und Assistent der österreichischen Nationalmannschaft, als echter Chef hat er aber nur Erfahrung in der U21.
Später holte ihn
Soft Skills
Herzog gehört definitiv zu den besten Spielern, die der österreichische Fußball je hervorgebracht hat. Das qualifiziert ihn jedoch nicht zum guten Trainer, wie etwa auch bei Lothar Matthäus in Deutschland gut zu erkennen ist. Beiden mangelt es am rhetorischen Geschick, und das geht immer zu Lasten der Autorität. Herzog jedenfalls zeigt diese Schwächen in aller Regelmäßigkeit bei oberflächlichen Spielanalysen als Experte im Fernsehen.
Innovationsgeist
Zumindest die Idee Nationaltrainer Andreas Herzog ist innovativ. Ob er sich ausgerechnet von Jürgen Klinsmann in den USA die notwendigen Innovationen für den österreichischen Fußball angeeignet hat, darf aber stark bezweifelt werden.
Verständnis für den österreichischen Fußball
Im Vergleich zur starken Konkurrenz ist eigentlich nicht mal das vorhanden. Zumindest für Lumper bringt Herzog als gebürtiger Wiener jedoch alles mit.
Verfügbarkeit
Seit gut einem Jahr arbeitslos und gewiss zur Stelle, sollte der ÖFB ernst machen.
Fazit
Herzog könnte bei einigen Fans zumindest nostalgische Gefühle wecken, eine ernsthafte Option kann er für diesen Posten aber wohl nicht wirklich sein.
Markus Weinzierl
Der ehemalige Trainer des FC Schalke 04 soll sich bereits auf einer Autobahnraststätte mit ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel und Wirtschaftsboss Bernhard Neuhold getroffen haben, um über ein Engagement zu plaudern. Wasserdichte Beweise dafür gibt es allerdings nicht.
Erfahrung und Erfolge
Nach erfolgreicher Arbeit bei Jahn Regensburg weckte Weinzierl das Interesse des Bundesligisten FC Augsburg. Die bayrischen Schwaben formte er zu einem konkurrenzfähigen Erstligateam und sorgte mit der Teilnahme an der Europa League für den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. 2014 wurde er noch vor Pep Guardiola und Jürgen Klopp zum besten Trainer der Liga gewählt.
Nach vier Jahren in Augsburg sah Weinzierl sich zu Höherem berufen und wechselte für eine formidable Ablösesumme zu Schalke 04, um den Traditionsklub wieder zurück in alte Sphären zu führen. Das Projekt scheiterte nach einem Jahr, Weinzierl konnte die Mannschaft weder spielerisch noch mental weiterbringen.
Soft Skills
Weinzierl kennt mit dem FC Schalke das gemeinsam mit dem HSV turbulenteste Umfeld, das Fußball-Deutschland so hergibt. Allerdings ist er genau daran letztlich gescheitert. Er tat sich schwer mit der hohen Erwartungshaltung und dem Druck, diese auch zu erfüllen.
In Augsburg hingegen war Weinzierl ein Menschenfänger. Ob er als ÖFB-Teamchef passen kann, hängt mitunter vom Kurs ab, den der Verband vorgibt. Voraussetzung: Man akzeptiert sich endlich als kleine Nation in Fußball-Europa und gibt dem neuen Trainer Zeit, eine neue Struktur zu implementieren.
Innovationsgeist
Auch hier lässt der Zwiespalt zwischen Weinzierls Zeit in Augsburg und Gelsenkirchen nur schwierig Schlüsse zu. Beim FCA war seine Handschrift jahrelang deutlich sichtbar, die Mannschaft spielte vor allem defensiv bestens organisiert und fand schnell die Schnittstellen im Angriff. Genau jene Spielweise also, die den Veranlagungen vieler ÖFB-Spieler entgegenkommen würde.
Bei Schalke fehlte den Spielern aber jegliche Inspiration. Weinzierl gilt aber als akribischer Arbeiter und als einer der fachlich besten Trainer in Deutschland. Allerdings wird ihm nachgesagt, dass er bisweilen Einzelgespräche mit seinen Spielern vernachlässigt.
Verständnis für den österreichischen Fußball
Rein faktisch nicht vorhanden, allerdings ist der österreichische Fußball dem deutschen vom Spielstil durchaus ähnlich. Nur eben auf einem anderen qualitativen Niveau. Und die Österreicher in Deutschland dürfte Weinzierl allesamt bestens kennen.
Verfügbarkeit
Weinzierl ist seit diesem Sommer arbeitslos und sagte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk bereits, dass Nationaltrainer zu sein "eine tolle Aufgabe" und Österreich "ein tolles Land" sei.
Fazit
Weinzierls Ruf hat nach dem gescheiterten Projekt auf Schalke zwar gelitten, aber er könnte gut als ÖFB-Teamchef passen, weil er die Mannschaft taktisch auf ein höheres Level bringen kann.
Peter Stöger
Glaubt man einigen österreichischen Medien, so haben zumindest die ÖFB-Spieler in
Erfahrung und Erfolge
Mit der Empfehlung von je zwei österreichischen Meisterschaften und Pokalsiegen mit der Wiener Austria sowie weiteren erfolgreichen Stationen heuerte Stöger 2013 in Köln an. Dort formte er ruhig und besonnen über Jahre hinweg die beste FC-Mannschaft seit Dekaden und schaffte in der vergangenen Saison die Qualifikation für die Europa League.
Soft Skills
Stöger schaffte es mit seiner authentischen und ehrlichen Art in Köln auf Anhieb zum absoluten Publikumsliebling. Auch die Mannschaftsführung gelang ihm über Jahre hinweg so gut wie kaum einem anderen Trainer in Fußball-Deutschland.
So viel kollektive Zufriedenheit haben sie in Köln wohl seit den 80er-Jahren nicht mehr hinsichtlich des Trainers gehabt. Nun sieht er sich aber mit einer völlig neuen Situation konfrontiert und wirkt nach dem katastrophalen Start in die neue Saison stellenweise überfordert, aber immer auch auch kampfeslustig, um es mit den neuen Begebenheiten aufzunehmen.
Innovationsgeist
Er verstand es, die Stärken und Schwächen seiner Spieler perfekt in ein funktionierendes Kollektiv zu implementieren. Defensiv bombensicher und in der Offensive unheimlich effizient spielten sich die Kölner phasenweise in einen Rausch.
Letztlich ist der Trainer auch immer an das spielerische Potenzial des Kaders gebunden. Nach dem Abgang von Anthony Modeste fehlt es den Kölnern schlicht an der nötigen Qualität im Sturm. Beim ÖFB-Team würden Stögers Ideen sicherlich wieder fruchten.
Verständnis für den österreichischen Fußball
Stöger ist Wiener und sagte auch während seiner Amtszeit in Deutschland immer wieder, dass er den Fußball in seiner Heimat weiter verfolge. Ohnehin hat er dort nach vielen Jahren als Trainer mehr als genug Erfahrung und auch Reputation gesammelt, um den schwierigen Job des ÖFB-Teamchefs zu bewältigen.
Verfügbarkeit
Es sei nicht seine Art, in schwierigen Situationen das Weite zu suchen, betonte Stöger immer wieder. Das werde er erst tun, wenn er der Überzeugung sei, dass ein anderer Trainer der richtige für den 1. FC Köln ist und nicht mehr er.
Fazit
Stöger wäre eigentlich der perfekte Trainer für das ÖFB-Team, weil er sowohl charakterlich als auch von seinen fußballerischen Ideen ideal mit den Begebenheiten umgehen könnte. Allerdings ist da gerade nichts zu machen, weil er sich der schwierigen Aufgabe in Köln stellen will.
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