Carlo Ancelotti trifft mit Real Madrid im Champions-League-Halbfinale auf den FC Bayern München. Der Trainer war fast überall erfolgreich, wurde beim FC Bayern allerdings frühzeitig entlassen. Eine merkwürdige Aufstellung wurde ihm 2017 zum Verhängnis.

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Carlo Ancelotti zählt zu den erfolgreichsten Trainern der Fußball-Geschichte. Er ist der einzige Übungsleiter, der die Meisterschaft in allen fünf europäischen Top-Ligen von Italien, England, Frankreich, Deutschland und Spanien gewann. Zudem ist er mit vier Triumphen der Rekordsieger der Champions League.

Seine Zeit beim FC Bayern München bleibt als weniger erfolgreich in Erinnerung. Im Sommer 2016 als Nachfolger von Pep Guardiola verpflichtet, erfolgte die Freistellung nach gerade einmal 15 Monaten. Dabei begann die Phase unter Ancelotti sehr vielversprechend, wie sich der damalige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge in der "Sport Bild" erinnerte.

"Wir wollten einen profilierten Trainer, der schon Erfolge vorzuweisen hatte. Carlo ist ein super Typ, das erste Jahr mit ihm war sehr erfolgreich. Er hat die Zügel etwas gelockert, das war nach der Zeit von Pep die richtige Methode." Hier sieht Rummenigge sogar Parallelen zur derzeitigen Amtszeit von Ancelotti bei Real: "Nach Zinedine Zidane kam Carlo! Er steht nun an der Spitze, er hat Denkmalstatus."

Vier Monate nach der Meisterschaft erfolgte die Freistellung

Der große Unterschied ist der Erfolg. Ancelotti trainierte zweimal die Madrilenen – zunächst von 2013 bis 2015, jetzt erneut seit Sommer 2021. Er wird in dieser Saison mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit seine zweite Meisterschaft mit Madrid gewinnen, holte außerdem zweimal die Champions League und gewann zweimal den Pokal.

Mit dem FC Bayern gewann Ancelotti in seiner ersten Saison die Meisterschaft, scheiterte aber im Viertelfinale der Champions League an Real Madrid. In der folgenden Spielzeit wurde Ancelotti ausgerechnet ein Vorrundenspiel der Champions League zum Verhängnis – das 0:3 gegen Paris Saint-Germain.

Rummenigge kann sich noch gut daran erinnern, wie ihn Ancelotti beim Hinflug nach Paris in seine taktischen Pläne einweihte: "In der Aufstellung fehlten Robben, Ribery, Hummels, Rafinha. Ich sah ihn erstaunt an und frage: 'Willst du etwas provozieren?' Er war aber von dieser Aufstellung überzeugt."

Rummenigge bat Ancelotti, die Aufstellung zu überdenken

Der damalige Vereinsboss tat etwas, was ihm eigentlich widerstrebte: "Zum einzigen Mal in meinem Leben bat ich einen Trainer, seine Aufstellung zu überdenken." Ohne Erfolg! Ancelotti blieb bei seiner ungewohnten Startformation und musste mit ansehen, wie seine verunsicherte Mannschaft mit drei Gegentoren verlor.

Die Konsequenz war, dass die Zusammenarbeit mit dem Trainer beendet wurde. In der Bundesliga war der FC Bayern zu diesem Zeitpunkt Tabellen-Dritter und hatte am Wochenende zuvor 2:2 gegen den VfL Wolfsburg gespielt. Es war das erste und bislang einzige Mal, dass ein Trainer des FC Bayern bereits nach sechs Bundesliga-Spieltagen entlassen wird.

Für Rummenigge war es ein spezieller Augenblick, als er Ancelotti über die Freistellung informierte. "In diesem Moment reichte mir Carlo die Hand und sagte mir zu meinem großen Erstaunen: 'Ok, Du bist jetzt nicht mehr mein Boss, aber wir bleiben Freunde.'" Rummenigge hatte "ein schweres Herz in dieser Situation".

Lewandowski glaubt: Mit Ancelotti wäre eine Ära möglich gewesen

Der frühere Bayern-Stürmer Robert Lewandowski, der heute beim FC Barcelona spielt, hat gute Erinnerungen an Ancelotti und sagte gegenüber der "Bild am Sonntag": "Es war ein neues Land, eine neue Kultur für ihn. Wenn Carlo noch einmal nach Deutschland kommen würde, dann wüsste er genau, was er anders machen muss."

Laut dem Torjäger wäre mehr Geduld vonseiten des FC Bayern erforderlich gewesen: "Wenn Carlo etwas länger hätte bleiben können und man eine schwere Phase mit ihm durchgestanden hätte – dann wäre eine Ära möglich gewesen."

Ancelotti wurden mehrere Dinge zum Verhängnis. Dass der FC Bayern in der Vorsaison das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Borussia Dortmund nach einer 2:1-Führung mit 2:3 verlor, wirkte noch immer nach. Weil daraufhin im Sommer 2017 mit Philipp Lahm und Xabi Alonso zwei Führungsspieler ihre Karriere beendeten, fehlte der Mannschaft zunächst die Stabilität.

Kurzes Training, weniger Taktik und große Sprachprobleme

Zudem hatte der Italiener eine völlig andere Herangehensweise als sein Vorgänger Guardiola. Er ließ kürzer trainieren (oftmals nur eine Stunde) und gab weniger taktische Anweisungen. Der frühere Bayern-Spieler Jerome Boateng erinnert sich an eine weitere Schwierigkeit: "Die Sprache war eine Barriere, es gab Kommunikations-Probleme. Wir hatten oft verschiedene Meinungen. Es war kompliziert."

Giorgio Ciaschini, der Ancelotti auf vielen Stationen als Assistenztrainer begleitet hat, sagte im Interview mit "Sport1", er hatte beim FC Bayern den Eindruck, dass Ancelotti "sich schnell mit den Bedingungen zurechtfand. Allerdings war es auch klar, dass es seine Zeit brauchte, bis er die Denkart des Klubs und die der handelnden Personen komplett verinnerlichen würde. Das war in der Kürze der Zeit aber nicht möglich".

Vereinsführung hat Mitschuld: Umbruch wurde nicht eingeleitet

Dass der Trainer beim FC Bayern scheiterte, hing laut Ciaschini allerdings auch mit Fehlern von der Vereinsführung zusammen: "Ich glaube, dass die Führung der Bayern verpasst hatte, den Umbruch einzuleiten und die Mannschaft zu verjüngen. Schon damals waren ja beispielsweise Arjen Robben und Franck Ribéry in die Jahre gekommen. In der Mannschaft herrschte nicht mehr das nötige Gleichgewicht."

Der 64-jährige Ancelotti kehrt nun am Dienstag (21 Uhr) mit Real nach München zurück. Von seiner früheren Bayern-Truppe sind nur noch die Torhüter Manuel Neuer und Sven Ulreich sowie Joshua Kimmich, Thomas Müller und der momentan verletzte Kingsley Coman übrig.

Der große Umbruch erfolgte nämlich, als Ancelotti bereits weg war.

Quellen

  • Bild am Sonntag (28.04.2024): "Darum hat es mit Bayern und Ancelotti nicht funktioniert"
  • sport1.de: Bayern-Aus: "Ancelotti noch betrübt"
  • Sport Bild Special Edition - Die Rekord-Champions: "Darum wurden wir so dominant"
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