Weniger als ein halbes Jahr vor Anpfiff der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Australien und Neuseeland ist die Vergabe der TV-Rechte in Deutschland noch ungeklärt. Es scheint möglich, dass die WM nicht im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein wird. Für die Sichtbarkeit des Fußballs der Frauen wäre das ein herber Rückschlag.

Annika Becker
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Annika Becker (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Meldungen darüber, dass ARD und ZDF sich nicht mit der Fifa einigen konnten, gab es bereits Ende vergangenen Jahres. Im Januar 2023 hat der Weltfussballverband deshalb die Rechte erneut ausgeschrieben, die Frist läuft bis zum 14. Februar. Allgemein wird erwartet, dass spätestens jetzt auch Pay-TV-Sender wie Sky und Magenta um die Übertragungsrechte mitbieten. Es scheint also möglich, dass das Turnier nicht frei empfangbar zu sehen ist, wenn das erneute Angebot von ARD und ZDF der Fifa zu niedrig ist.

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Auf der einen Seite steht die Fifa, die die Übertragungsrechte zum ersten Mal separat ausschreibt. Bisher war das Turnier der Frauen bei den TV-Rechten immer eine Art Beilage zu den zu den Weltmeisterschaften der Männer. Dadurch, dass der Preis nun unabhängig davon verhandelt wird, wird zunächst einmal Wertigkeit ausgedrückt und die soll sich, wenn es nach dem Verband geht, auch in Zahlen ausdrücken.

Dabei fällt auf, dass es vor allem die großen europäischen Märkte sind, die nach Ansicht der Fifa bisher zu wenig geboten haben. Neben Deutschland sind das Frankreich und UK, außerdem wurde im letzten Jahr das Angebot aus Italien abgelehnt. Bei der Auslosung der Gruppen in Auckland bezeichnete Fifa-Präsident Gianni Infantino einige Angebote als "nicht akzeptabel", sie seien "100-mal weniger, manchmal sogar noch mehr als 100-mal weniger" als bei den Männern.

Die Fifa will mögichst viel Geld rausholen

Bei allen Bekenntnissen zur Förderung des Fußballs der Frauen ist aber auch völlig klar, dass es der Fifa in erster Linie darum geht, möglichst viel Geld aus einem weiteren Produkt herauszuholen. Das zeigt unter anderem die Kontroverse über den möglich Sponsoren-Deal mit Saudi-Arabien, den die beiden Gastgeberländer scharf kritisiert haben, weil sie nicht eingeweiht worden seien.

Demgegenüber stehen die Öffentlich-Rechtlichen. Für die WM der Männer in Katar haben ARD und ZDF laut dem "Spiegel" rund 214 Millionen Euro gezahlt, um diese übertragen zu dürfen. Angesichts solch einer Summe für ein Turnier, das aufgrund der menschenrechtlichen Situation und der Vergabe von Anfang an in der Kritik stand, stößt es auf, wenn ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky nun davon spricht, dass der finanzielle Rahmen der WM 2023 "wirtschaftlich darstellbar" sein müsse.

Es ist völlig klar, dass allein aufgrund der Zeitverschiebung zu Australien und Neuseeland weniger Menschen werden zuschauen können, denn die Spiele werden aus deutscher Sicht morgens und vormittags angepfiffen. Es ist außerdem auf gewisse Art löblich und sogar nötig, dass man die Fifa den Preis nicht einfach so bestimmen lässt. Denn was das angeht, ist der Weltfussballverband bisher gewohnt, mindestens mal hoch pokern zu können.

Öffentlich-Rechtliche zur TV-Übertragung verpflichtet

Durch den Medienstaatsvertrag sind die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland u.a. dazu verpflichtet "Fußball-Europa- und -Weltmeisterschaften alle Spiele mit deutscher Beteiligung sowie unabhängig von einer deutschen Beteiligung das Eröffnungsspiel, die Halbfinalspiele und das Endspiel" zu übertragen.

Damit sind wir beim Knackpunkt der Thematik angelangt, denn neben der finanziellen Ebene gibt es die sprachlich-juristische. Bei vergleichbaren sportlichen Großereignissen waren Zeitverschiebungen und dadurch potenziell niedrigere Publikumszahlen kein Grund, von einem Erwerb der Rechte abzusehen, da es eben die Verpflichtung durch den Medienstaatsvertrag gibt.

Dieser Passus ist allerdings jahrzehntealt und wurde mit Gedanken an die Fußball-Nationalmannschaft der Männer formuliert. Das wird klar, wenn man sich die weiteren Unterpunkte ansieht, wo es "das Endspiel um den Vereins-Pokal des DFB" heißt und von "der deutschen Fußballnationalmannschaft gesprochen" wird, so als gäbe es beides nur einmal. Aber vielleicht sind die Frauen ja mal wieder mitgemeint.

Eine WM, die nur hinter einer Paywall zu sehen ist, kann niemand wollen

Dafür ließe sich argumentieren, dass auch bei anderen Unterpunkten dieses Absatzes seit Jahren gleichwertig gehandelt wird, indem eben auch das Pokalfinale der Frauen gezeigt wird und ARD und ZDF die Länderspiele übertragen und dort bisher einen großen Einfluss auf die Anstoßzeiten nahmen. Dort hat sich der DFB erst vor kurzem damit durchgesetzt, dass es spätere Ansetzungen gibt. Und auch die gesellschaftliche Bedeutung ist unstrittig, wenn man sich anschaut wie viele Neu-Anmeldungen in Fußballvereinen es im Jugendbereich nach der EM im Sommer gab.

Für die WM wäre vorstellbar, dass es eine ähnliche Lösung gibt, wie bei den Männern zuletzt: Da wurde das Turnier von Öffentlich-Rechtlichen und Pay-TV-Sender Magenta parallel übertragen. Eine WM, die nur hinter einer Paywall zu sehen ist, kann niemand wollen, auch nicht die Fifa selbst. Es würde zu viel von der noch immer dringend benötigten Sichtbarkeit verloren gehen und das über das letzte Jahr aufgebaute Bewusstsein für den Fußball der Frauen gleich wieder einreißen.

Überspitzt lässt sich außerdem sagen: Mit etwas, das mehr gekostet hat, geht man in der Regel sorgfältiger um. Bei Übertragungen und deren Rahmenprogramm während der EM gab in dieser Hinsicht immer wieder Kritik an ARD und ZDF.

Verwendete Quellen:

  • fr.de: "Der Rechtepoker"
  • sportbuzzer.de: "FIFA-Boss Infantino kritisiert Angebote für TV-Rechte der Frauen-WM: '100 Mal weniger' als bei den Männern"
  • fifa.com: "Ausschreibung der Medienrechte in Deutschland für die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2023"
  • spiegel.de: "ARD und ZDF zahlen mehr für Fußball-WM"
  • Medienstaatsvertrag
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