Kennen Sie schon den Witz der Woche? Kommen Friedrich Merz (gerade ist eine dubiose Geldübergabe an ihn aufgedeckt worden), Kai Wegner (820.000 Euro Spende von einem Unternehmer, der daran offenbar politische Bedingungen knüpft), Jens Spahn (nach ominösen Krediten für Luxusimmobilien nun wohl auch tiefer im Masken-Skandal verwickelt), Volker Wissing (mindestens acht Stellen ohne Ausschreibung an Gefolgsmänner verteilt), Andi Scheuer (vermutlich 700 Millionen Euro Steuerschaden alleine durch die Maut-Affäre) und Philipp Amthor (Millionenklage steht ins Haus) in eine Bar. Sagt der Barkeeper: "Na, wollt ihr wieder über Clan-Kriminalität bei den Grünen philosophieren?"

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Marie von den Benken dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Kracher, oder? Kam jetzt bestimmt überraschend, wo es doch in dieser wöchentlichen Kolumne ansonsten eher wenig zu lachen gibt, wie ich aus zahlreichen Zuschriften der letzten verbliebenen Dichter und Denker unseres Landes regelmäßig erfahren darf. Das überraschende Schmunzeln über einen Marie-von-den-Benken-Text ist aber nicht die einzige faustdicke Überraschung dieser Tage.

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Ganz frisch hat zum Beispiel der ewige Vizemeister Borussia Dortmund vor dem letzten Spieltag der Saison 2022/2023 die Tabellenführung übernommen. Der von den Fußballmanagement-Genies Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic als Retter der drei Saisonziele geholte Thomas Tuchel stand am Samstagabend verhältnismäßig fassungslos am Sky-Mikrofon und musste sich nach der 1:3 Heimniederlage gegen RB Leipzig von Lothar Matthäus über taktische Fehler unterrichten lassen. Für ein hocheffizientes Matchplan-Hirn wie das von Tuchel in etwa so, als würde Oliver Pocher bei Ricky Gervais auf die Bühne stürmen und dem dann erklären, wie Humor funktioniert.

Ein Schuss, kein Tor, die Bayern (die Bayern!)

Borussia Dortmund jedenfalls erledigte seine Aufgabe am Folgetag recht souverän und hat nun das Heft des Meisterhandelns in der Hand. Ein Heimsieg am Samstag gegen den 1. FSV Mainz 05 und der Meistertitel ist nach elf Jahren zurück am Borsigplatz. Noch sind 90 Minuten zu spielen und es ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass sich das schwarz-gelbe Ensemble mal wieder gegen schwächere Teams, bei denen es um nichts mehr geht, amtlich blamiert.

Der Fußballgott jedoch, da ist man sich in Deutschland sicher (sofern man nicht in FC-Bayern-Bettwäsche schläft oder vor der Saison sechsstellig auf den 11. Meistertitel der Bayern in Folge gewettet hat), sollte der Nation nach einer Dekade der emotionalen Langeweile ruhig mal wieder einen anderen Titelträger als den FC Bayern spendieren.

Das liegt unter anderem daran, dass jener FC Bayern abseits seiner durchaus stattlichen Anzahl von Erfolgsfans ziemlich ambivalente Sympathiewerte erzeugt. Die oftmals vorgebrachte Kritik, Anhänger des FC Bayern wären eher Kunden als Fans, bestätigte sich am Wochenende mal wieder in fußballkulturell schauderhafter Stringenz.

Zehntausende Bayernfans, die an sonnigen Tagen, an denen man 6:0 gegen Schalke 04 gewinnt, aus voller Kehle "FC Bayern, Stern des Südens, du wirst niemals untergehen, weil wir in guten, wie in schlechten Zeiten zueinanderstehen" grölen, verließen am Samstagabend fluchtartig Minuten vor Abpfiff die Allianz Arena. Das "in guten, wie in schlechten Zeiten" gilt dann offenbar eben doch nur, solange man gewinnt.

Aber auch wenn ich die Fanbrille mal absetze, gibt es eine ganze Reihe neutraler und objektiver Gründe, warum die gesamte Republik am Samstag dem BVB die Daumen drücken wird. Zum einen, um Bäumeumarmer und Verbrennermotor-Jojo Markus Söder seine Fußballinkompetenz zu demonstrieren. Der bayrische Heizungs-Experte hatte zuletzt verkündet, der FC Bayern würde Meister, weil "Dortmund dafür zu doof" sei.

Und zum anderen: Niklas Süle. Als der Nationalspieler vor Jahresfrist seinen ablösefreien Wechsel nach Dortmund ankündigte, bemerkte die "Fan"-Basis des FC Bayern urplötzlich, dass Süle ja im Prinzip schon immer zu schlecht für den Rekordmeister gewesen sei und seinen Stammplatz eigentlich bei Burger King an der Whopper-Theke hätte.

Der Anfang Januar, nach einer sehr durchwachsenen Vorrunde der Dortmunder und neun Punkten Rückstand auf den FC Bayern, in einem Interview sagte, er habe den Meistertitel noch nicht abgeschrieben und auch mit den Münchenern hätte er mal neun Punkte auf Dortmund aufgeholt, ergossen sich tausende von größtenteils sowohl intellektuell wie auch orthografisch mit "unterirdisch" noch schmeichelhaft umschriebene Wortbeiträge der Bayern-"Fans" über ihn. Für Süle würde es mich daher besonders freuen, wenn er der einzige Bundesligaspieler werden würde, der 2021/22 und 2022/23 Deutscher Meister ist.

Milliardengrab Andi Scheuer in Florida

Stichwort intellektuell: Ich hatte hier zuletzt ja auch über den ziemlich bizarren Betriebsausflug der Kompetenzgruppe CSU zu Floridas Hardcore-Gouverneur Ron DeSantis berichtet. Inzwischen hat der Mann, den Andi Scheuer augenscheinlich zu seinen politischen Idolen zählt, dafür gesorgt, dass der Disney-Konzern aufgrund der menschenfeindlichen DeSantis-Politik bereits konkret geplante Investitionen von einer Milliarde US-Dollar und das Schaffen von 2.000 neuen Arbeitsplätzen stoppt.

Umgehend meldeten sich andere, demokratischere Bundesstaaten (vor allem Kalifornien, die eigentliche Heimat von Disney) mit Avancen, dem Unternehmen sehr gerne bei ihnen den Roten Teppich ausrollen zu dürfen. Plötzlich stehen in Florida also mittel- bis langfristig sogar ca. 18 Milliarden US-Dollar und fast 80.000 Jobs zur Disposition. Fan einer so destruktiven Wirtschafts-Vernichtungs-Politik zu sein, hätte man bis vor kurzem nicht mal dem Milliardengrab Andi Scheuer zugetraut.

Darüber, wie auch über die antisemitischen Ausfälle ihres Posterboys Elon Musk, schweigen sich die konservative Medienelite, rechtspopulistische Hetz-Autoren und Döpfer-"Journalisten" flächendeckend aus. Es ist ja auch viel wichtiger, sich tagelang darüber zu empören, dass Emilia Fester nicht wusste, dass Bismarck Kanzler war.

Ich persönlich finde es viel schlimmer, dass Friedrich Merz offenbar nicht weiß, dass er NICHT Kanzler ist. Alles in allem muss man aber zugestehen: Die Präzision, mit der es die CDU/CSU/FDP-Begleitpresse täglich schafft, irgendwo ein Zitat einer Person zu finden, die bei Menschen mit Russland-Flagge im Profil als "Woke" gilt, und dieses Zitat dann vollkommen ironiefrei zu verdrehen, zu entkontextualisieren und zu dramatisieren, zollt mir inzwischen ehrlichen Respekt ab. So derartig auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen und dennoch konsequent jedes tote Pferd weiter zu reiten, ist auf eine skurrile Art und Weise faszinierend.

Auch die bedenkenlos an die Öffentlichkeit transportierte Skrupellosigkeit, nach exakt demselben Muster (nur umgekehrt proportional) jeden Skandal eines Unions- oder FDP-Politikers oder ihren nahestehenden Generalexperten zu bagatellisieren oder gar zu ignorieren, ist bewundernswert. Vor allem die charakterliche Seelenlosigkeit, auf diese Weise öffentlich Tag für Tag unverblümt seine ideologisch komplett durchchoreographierte Agenda zu demonstrieren, ist ein doppelmoralistisches Kunstwerk der Extraklasse. Gäbe es ein Museum für intellektuelle Selbstdemontage – Die selbsternannte Freiheitspresse wäre die Mona Lisa.

Die Albert Einsteins der Klimaforschung

Übrigens, wo wir gerade bei Kompetenz sind. Während Friedrich Merz weiter lustig durch die Talkshows und Bierzelte tingelt (qualitativ hinsichtlich des Publikums zuweilen kein Unterschied messbar) und erklärt, der Klimawandel würde überbewertet, gibt es neueste Studien, die berechnen, allein Deutschland käme alsbald auf mindestens 900 Milliarden Euro Schaden aus vom Klimawandel erzeugten Katastrophen.

In Frankreich bestätigt die Regierung derweil, dass man sich auf eine Temperaturerhöhung von vier Grad einstellt und massive Einschränkungen folgen werden. In Italien wird das Land von Überschwemmungen überflutet, während in Frankreich in einzelnen Regionen das Trinkwasser rationiert wird.

Aber alles halb so wild, denn wenn man sich an der Telegram-Uni, bei selbsternannten Klimaforschern (vormals zunächst Asyl-Experten und anschließend Virologen), bei der Union und der FDP oder bei Donald Trump informiert, dann weiß man: Alles erfundene Agenda-Lügen! Denn wie soll das Klima an diesen Katastrophen schuld sein, wenn in Italien viel zu viel und in Frankreich viel zu wenig Wasser ankommt? Denkt doch mal nach! Nächsten Montag frage ich das ab!

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