Am Wochenende trifft sich die FDP zum Parteitag. Für die Liberalen sind es schwierige Zeiten. Die Umfragewerte sind schlecht und in der Asyl-Frage ging zuletzt ein Riss durch die Fraktion. Was also tun? Fragen an Marco Buschmann, den designierten Generalsekretär.

Ein Interview

Mit großen Ambitionen ist die FDP im Dezember in den Wahlkampf gestartet. Die Liberalen wollen wieder in den Bundestag einziehen. Doch dieses Ziel wackelt. Die Partei von Christian Lindner liegt in Umfragen bei unter fünf Prozent.

Mehr News zur Innenpolitik

Steht die FDP also – einmal mehr – am politischen Abgrund? Neben Parteichef Lindner kommt es jetzt auf den designierten Generalsekretär Marco Buschmann an. Er organisiert den Wahlkampf und muss die Liberalen vor dem Bedeutungsverlust bewahren. Keine leichte Aufgabe.

Herr Buschmann, wer ist in Deutschland unbeliebter – der Liberalismus oder die FDP?

Marco Buschmann: FDP und Liberalismus sind synonym. Denn die FDP ist die einzige liberale Partei in Deutschland. Niemand sonst setzt sich konsequent für Eigenverantwortung und die Freiheit des einzelnen Menschen ein. Daher stehen wir für Grundrechte, Rechtsstaat und Soziale Marktwirtschaft. Das mag mal mehr oder weniger beliebt sein. Das Wichtigste ist: Es ist unsere Überzeugung.

Allerdings droht der FDP wie im Jahr 2013 das Bundestags-Aus. Was machen Sie falsch?

In der Politik ist es nie falsch, zu seinen Überzeugungen zu stehen. Meine Prognose lautet, dass uns viele Menschen am 23. Februar unterstützen werden. Wir haben ein klares Konzept: Wirtschaftswachstum durch weniger Steuern und weniger Bürokratie, mehr Ordnung und Kontrolle in der Migration und ein schlanker und digitaler Staat, der den Bürgern zur Seite steht, statt sie zu nerven.

In den Umfragen stehen Sie konstant unter fünf Prozent. Macht Sie das nicht nervös?

Umfragen kurz vor der Wahl sind immer mit großen Unsicherheiten verbunden – erst recht in einer so polarisierenden Situation, wie wir sie derzeit haben. Viele Wähler sind noch unentschlossen. Deshalb bin ich sehr guter Dinge, noch viele Menschen von unseren Ideen zu überzeugen.

Kurz erklärt: Die Probleme der FDP vor der Bundestagswahl

Das "Ampel"-Aus hätte für die FDP eigentlich ein Befreiungsschlag werden sollen - doch seit Wochen verharren die Liberalen in den Umfragen unter fünf Prozent.

Zwei Themen bestimmen den Wahlkampf: Migration und Wirtschaft. Bei der Zuwanderung setzt die FDP auf einen "Migrationspakt der Mitte". Was stellen Sie sich darunter vor?

Wir wollen das umsetzen, was sich der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung wünscht: mehr Kontrolle und Ordnung in der Migration ohne Extremisten zu organisieren. Eine Lösung der Demokraten – das ist die Idee des Migrationspakts der Mitte.

Bei der Abstimmung im Bundestag letzte Woche zur Migrationspolitik hätten Sie als Gewinner dastehen können. Doch der Gesetzentwurf hat es nicht – wie von Ihnen ursprünglich vorgeschlagen – zurück in den Innenausschuss geschafft. Ist das jetzt der Versuch, es wiedergutzumachen?

Das ist mir zu taktisch gedacht. Wir setzen uns weiterhin für mehr Kontrolle und Ordnung in der Migration ein. Ich kann nur dringend appellieren, dass Demokraten dieses Thema lösen. Denn es brennt vielen Menschen unter den Nägeln. Die politischen Ränder haben schon jetzt zu viel Zulauf. Dass SPD und Grüne diese Tür am letzten Freitag zugeschlagen haben, war ein Fehler. Dass sie es weiterhin tun, verdeutlicht das taktische Kalkül dahinter: SPD und Grüne instrumentalisieren offenbar die politische Polarisierung zur eigenen Mobilisierung.

"Ich bin überzeugt davon, dass sich Demokraten von den Extremisten nicht diktieren lassen dürfen, wie sie sich im Parlament verhalten."

Marco Buschmann

Also ist es unrealistisch, dass sich der Bundestag noch vor der Wahl einigt.

Wir kämpfen dafür.

Innerhalb Ihrer Partei herrschte am Freitag keine Einigkeit. Von 90 Abgeordneten haben 23 nicht mitgestimmt – darunter auch Parteigrößen wie Johannes Vogel oder Konstantin Kuhle. Zerreißt der Migrationsstreit die FDP?

Nein. In der Sache sind wir uns einig. Wir brauchen effektivere Instrumente in der Migration. Die Situation im Bundestag am vergangenen Freitag war ein Dilemma: Es liegt ein Gesetzentwurf vor, der inhaltlich in die richtige Richtung geht. Gleichzeitig befürchtet man, dass die Mehrheit möglicherweise nur mit den Stimmen der AfD zustande kommt. Dass das eine schwierige Abwägungsfrage war, sieht man auch daran, dass zwölf Abgeordnete der Unionsfraktion nicht zugestimmt haben und CDU-Ministerpräsidenten schon im Vorfeld eine Blockade im Bundesrat ankündigten. Wenn ich nicht krank gewesen wäre, hätte ich dennoch zugestimmt. Denn ich bin überzeugt davon, dass sich Demokraten von den Extremisten nicht diktieren lassen dürfen, wie sie sich im Parlament verhalten.

Ihre Partei fährt in der Migrationspolitik einen scharfen Kurs. Dafür stehen aber auch CDU und AfD. Gehen Sie im Wettstreit der schrillsten Forderungen gerade unter?

Wir haben überhaupt keinen Ehrgeiz nach schrillen Forderungen. Es ist eine völlig legitime Erwartungshaltung der Bevölkerung, dass der Rechtsstaat auch Recht durchsetzt – und das nicht nur bei Knöllchen fürs Falschparken, sondern auch beim Aufenthaltsrecht.

Vor einem ähnlichen Dilemma steht die FDP in der Wirtschaftspolitik. Mit Friedrich Merz hat die CDU einen Kanzlerkandidaten, der das Thema verkörpert. Da bleibt wenig Platz für liberale Profilierung.

Im Jahr 2005 empfahl sich Angela Merkel als wirtschaftspolitische Reformerin. Dann koalierte sie mit der SPD und erhöhte die Umsatzsteuer von 16 auf 19 Prozent. Will sagen: Wirtschaftspolitisch kommt es immer darauf an, mit wem die Union koaliert. Wie die Wirtschaftspolitik von Friedrich Merz als Kanzler aussehen wird, wird sich also erst noch zeigen.

Woran machen Sie das fest?

Die jüngsten Signale sind seltsam: Wer sich eine Koalition mit den Grünen offen hält und sich Robert Habeck nochmal als Wirtschaftsminister vorstellen kann, scheint den Ernst der Lage nicht verstanden zu haben. Die FDP hat gezeigt, dass wir nicht nur reden. Wir haben in unterschiedlichen Regierungskonstellationen bewiesen, dass wir für marktwirtschaftliche Politik und solide Staatsfinanzen eintreten. Dafür haben wir beim Ampel-Aus unsere politische Existenz aufs Spiel gesetzt.

"Wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, wäre eine Deutschland-Koalition mit der SPD immer noch besser als Jamaika."

Marco Buschmann

Am Sonntag trifft sich die FDP zum Parteitag. Dann soll ein Antrag beschlossen werden, der eine Zusammenarbeit mit den Grünen ausschließt. Gilt also wieder der Lindnersche Grundsatz: "Besser nicht regieren als falsch regieren"?

Ich bin fest davon überzeugt, dass es Koalitionsoptionen in der politischen Mitte ohne die Grünen geben wird – und im Interesse unseres Landes auch geben sollte. Wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, wäre eine Deutschland-Koalition mit der SPD immer noch besser als Jamaika.

Warum?

Ob Migration oder Wirtschaft: Die Grünen sind stets das Problem und nicht Teil der Lösung. Deren Wirtschaftspolitik setzt nur auf mehr Staatsausgaben, mehr Subventionen und immer mehr Vorgaben für die Unternehmen. Bei der Migration wurde so gut wie jeder Schritt in die richtige Richtung verzögert oder hintertrieben.

Gleichzeitig müssen demokratische Parteien untereinander koalitionsfähig sein. Das Beispiel Österreich zeigt, wohin es sonst führt. Dort stellt die rechte FPÖ bald die Regierung.

Das Beispiel Österreich zeigt doch vor allem eines: Nach vier Jahren Schwarz-Grün wurden die Rechtsextremen stärkste Partei. Demokraten müssen die Probleme, die die Menschen umtreiben, lösen. Sonst wenden sich immer mehr Menschen den politischen Rändern zu.

Die FDP setzt voll auf Schwarz-Gelb. Die Union erwidert die Avancen allerdings nicht. Der CSU-Politiker Volker Ullrich schrieb auf X: "Eine Stimme für die FDP ist verschenkt". Ähnlich klingt es bei Friedrich Merz.

Dass sich die Union alles mit allen offenhalten will, ist ihre Entscheidung. Wir sagen klar, was wir für die beste Konstellation in diesem Land halten. Dann können die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, was sie mehr überzeugt: Wer nicht möchte, dass Robert Habeck weiter Wirtschaftsminister bleibt, kann nach einer solchen Ansage der Union nur noch FDP wählen.

Angenommen, die FDP schafft es am 23. Februar nicht wieder in den Bundestag. Wer folgt dann an der Parteispitze auf Christian Lindner?

Diese Frage stellt sich nicht. Die FDP wird auch im nächsten Bundestag eine starke liberale Stimme sein.

Über den Gesprächspartner

  • Marco Buschmann ist 1977 in Gelsenkirchen geboren und war von Dezember 2021 bis November 2024 Bundesjustizminister. Seit Dezember vergangenen Jahres ist er Generalsekretär der FDP, nachdem er im Zuge des Ampel-Bruchs gemeinsam mit den meisten seiner Kolleginnen und Kollegen vom Ministeramt zurückgetreten war. Zudem war er von Oktober 2017 bis Dezember 2021 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.