Spätestens in einem Jahr wird ein neuer Bundestag gewählt. Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP wirkt zerstritten und kraftlos, hat aber noch Aufgaben zu erledigen. Wir haben sieben wichtige zusammengetragen.

Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von F. Busch, F. Hartmann, T. Pillgruber und R. Sawicki sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Hält sie noch? Oder bricht sie vorzeitig auseinander? Das wird bei der Ampelkoalition jeden Tag fraglicher. Wenn es aber beim regulären Termin bleibt, wird am 28. September 2025 ein neuer Bundestag gewählt.

Bis dahin würde der selbsternannten Fortschrittskoalition noch ein Jahr im Amt bleiben. Da die Mühlen der Gesetzgebung langsam mahlen, ist das nicht besonders viel Zeit – aber immer noch genug, um ein paar drängende Projekte anzugehen.

1. Mehr Tempo und Kurs bei der Wirtschaftswende

Seit Monaten herrscht Krisenstimmung in der deutschen Wirtschaft. Die Wachstumsprognosen sind schwach und die Industrie ächzt. Selbst bei Traditionsunternehmen wie Volkswagen oder ThyssenKrupp drohen massive Stellenstreichungen.

Mit einem Wachstumspaket will die Ampel den Unternehmen etwas mehr Luft verschaffen. Beschlossen ist das vom Kabinett bereits – doch wann es genau kommt, noch völlig offen. Für einige Kernpunkte gibt es noch nicht einmal fertige Gesetzentwürfe. Und auch die Länder haben bei dem Paket noch ein Wort mitzureden.

Wirtschaftsminister Habeck befürchtet schon jetzt, das Paket könnte "kleingehandelt und kleingehackt" werden. Die Ampel muss hier also vor allem eines machen: Tempo. Denn eine Verzögerungspartie kann sich Deutschland angesichts der Lage nicht leisten.

Dasselbe gilt für den wirtschaftspolitischen Dauerclinch der Ampel. Bei keinem anderen Thema liegt die Koalition dermaßen über Kreuz. Was die Wirtschaft aber tatsächlich braucht, sind klare Impulse. Dafür müsste die Ampel sich endlich auf einen gemeinsamen Kurs verständigen. (Thomas Pillgruber)

2. Abschiebe-Hickhack beenden

Die Themen Flucht, Migration und innere Sicherheit dominieren die Debatten im politischen Berlin. Die Ampel hat hierfür weitreichende Neuerungen durchgesetzt: Die deutschen Grenzen werden wieder kontrolliert, in einem ersten Abschiebeflug nach Afghanistan wurden schwerstkriminelle Geflüchteten außer Landes gebracht und die Abschiebehaft soll verstärkt eingesetzt werden.

Begleitet wird der Diskurs von gegenseitigen Schuldzuweisungen. Länder und Kommunen klagen zudem bereits seit Jahren darüber, an ihre Grenzen zu stoßen. Migrationsgipfel gibt es in einer gewissen Regelmäßigkeit. Den Kreislauf gilt es zu durchbrechen. Das geplante Sicherheitspaket der Ampel hat bei einem Expertengremium große Fragen aufgeworfen und muss nun an vielen Stellen nachverhandelt werden.

Die Ampel muss jetzt aber ihr Versprechen umsetzen, Ordnung in die Asylpolitik zu bringen – wenn sie es schafft, gleichzeitig die Genfer Flüchtlingskonvention und Menschenrechte einzuhalten, würde Deutschland einen großen Schritt vorankommen. (Rebecca Sawicki)

3. Weichen stellen für die Zukunft der Rente

Egal, ob GroKo oder Ampel: Die Rentenpolitik ist Baustelle jeder Bundesregierung. Und noch keine Koalition hat den großen Wurf gewagt. Die Ampel hat mit dem Generationenkapital immerhin den Anfang gemacht.

Erstmals legt der Staat Geld am Aktienmarkt an, zehn Milliarden Euro werden jährlich investiert. Mit der Rendite daraus soll Ende der 2030er-Jahre der Beitragsanstieg in der Rentenversicherung gedämpft werden. Kritiker meinen: Das Generationenkapital kommt viel zu spät – und die Summe reicht nicht aus.

Trotz allem: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Auch bei der individuellen Altersvorsorge scheint sich etwas zu bewegen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) plant ein privates Altersvorsorgedepot. Im Gegensatz zur gefloppten Riester-Rente sollen die Deutschen dann auch – staatlich gefördert – in Aktienprodukte wie ETFs investieren können. Diese bilden die Wertentwicklung eines Index nach, etwa des DAX.

Wenn sich die Ampel darauf einigen könnte, hätte sie in der Rentenpolitik mehr erreicht als viele Bundesregierungen zuvor. (Fabian Hartmann)

4. Krankenhausreform ins Ziel bringen

In Deutschland droht ein Krankenhaussterben. Nein, eigentlich hat es schon begonnen. Gestiegene Kosten, gesunkene Patientenzahlen und wirtschaftlicher Druck haben viele Kliniken an den Rand des finanziellen Zusammenbruchs gebracht.

Eine Krankenhausreform ist deshalb das wichtigste Projekt von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er will den Häusern eine solidere Grundfinanzierung verschaffen und sie gleichzeitig zu einer stärkeren Spezialisierung drängen. Wenn das wirklich gelingt, ohne dass die Krankenhausversorgung darunter leidet, wäre das ein großer Wurf.

Immerhin: Bei diesem Projekt sind sich die notorisch zerstrittenen Ampel-Parteien einig, und die ersten Schritte sind gegangen. Jetzt muss der Bundestag die Krankenhausreform aber noch umsetzen. Außerdem muss sie durch den Bundesrat. Dort will Lauterbach sie notfalls auch ohne die Zustimmung der Länder durchdrücken.

Ob dieses Kunststück gelingt? Ist derzeit offen. Wichtig aber wäre die Reform auf jeden Fall. (Fabian Busch)

5. Besserer Schutz vor steigenden Mieten

Bei den Mieten muss etwas passieren. In vielen Städten kennt die Preisentwicklung nur eine Richtung: immer weiter nach oben. Das ist aber kein Naturgesetz. Und es gibt – neben mehr Neubau, der langfristig hilft – auch Instrumente, um kurzfristig Druck aus dem Markt zu nehmen. Die Ampel müsste sie nur beschließen. Tut sie aber nicht.

Beispiel Mietpreisbremse: Im Koalitionsvertrag hat sich die Regierung auf eine Verlängerung über das Jahr 2025 hinaus verständigt. Lange hat Justizminister Marco Buschmann (FDP) das Projekt verzögert, jetzt liegt immerhin ein Entwurf vor. Nur: SPD und Grüne sind damit nicht zufrieden und fordern Nachbesserungen.

Noch weniger bewegt sich beim Thema Kappungsgrenze. Auf angespannten Wohnmärkten sollte der Rahmen für Mieterhöhungen begrenzt werden. Statt 15 Prozent in drei Jahren sollten es nur noch elf Prozent sein. Doch die Liberalen stellen sich quer.

Gut möglich, dass sich auch hier nichts mehr tut. Dabei bräuchten Deutschlands Mieterinnen und Mieter beides: mehr Neubau und besseren Schutz. (Fabian Hartmann)

6. Klimageld an die Bürger auszahlen

Klimaschutz kostet Geld – auch die Bürger. Seit Januar liegt der Preis für den Ausstoß einer Tonne CO2 bei 45 Euro. Das bedeutet: Industrien, die Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre blasen, müssen sich pro Tonne CO2 ein Zertifikat kaufen. Diese Kosten legen sie dann meistens auf die Verbraucher um.

Produkte werden also teurer. Prozentual zum Einkommen werden dadurch vor allem ärmere Menschen getroffen, weil sie ohnehin schon weniger Geld zur Verfügung haben.

Im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Parteien deshalb lose auf ein Klimageld geeinigt. Die Idee: Die Einnahmen aus dem CO2-Preis sollen an die Bürgerinnen und Bürger ausgeschüttet und diese damit finanziell wieder entlastet werden.

Mitten in der Energiekrise 2022 hat Sozialminister Hubertus Heil (SPD) eine gestaffelte Auszahlung des Klimageldes vorgeschlagen. Passiert ist seither allerdings wenig. Im April erklärte Staatssekretärin Katja Hessel (FDP) bei einer Veranstaltung der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, das Klimageld soll ab 2025 ausgezahlt werden – nicht gestaffelt, sondern pauschal. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Ankündigung Taten folgen. (Rebecca Sawicki)

7. Runter von der Bremse bei der Verkehrswende

Ganz so auf dem Standstreifen stehengeblieben wie die Vorgängerregierungen ist die Ampel bei der Verkehrswende nicht. Mit seiner Generalsanierung hat Volker Wissing (FDP) etwa die größte Bahn-Reform der letzten Jahrzehnte angestoßen.

Dennoch: Den Vorwärtsgang hat die Ampel bei der Mobilitätswende auch nach drei Jahren nicht gefunden. Stattdessen wurde die E-Auto-Förderung Hals über Kopf zusammengestrichen, der Verkehrssektor reißt immer noch alle Klimaziele und die FDP sorgte zuletzt mit einem Pro-Auto-Plan bei einigen für Irritation.

Im großen Stil wird die Ampel die Verkehrswende wohl auch nicht mehr auf die Straße bringen. Aber zumindest im Kleinen könnte sie noch einiges bewirken. Zum Beispiel endlich die klimaschädlichen Subventionen im Verkehrssektor reduzieren.

Vor allem muss die Koalition sich endlich auf ein nachhaltiges Finanzierungssystem für das Deutschlandticket mit den Ländern verständigt. Denn die jüngst verkündete Preissteigerung dürfte nicht die letzte sein, wenn die Politik jetzt nicht liefert.

Eine beliebtere verkehrspolitische Maßnahme als das Ticket findet man in den letzten Jahren kaum. Dieses Erbe darf die Ampel nicht riskieren. (Thomas Pillgruber)

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