Die gemeinsame Abstimmung von AfD und CDU sorgt noch immer für erhitzte Gemüter. Bei "Markus Lanz" (ZDF) wetterte Karl Lauterbach am Dienstagabend gegen FDP-Generalsekretär Marco Buschmann, als es um den richtigen Umgang mit der Partei ging.

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Weniger als zwei Wochen vor der Bundestagswahl steigt der Druck auf die demokratischen Parteien im Land. Bei "Markus Lanz" zog Karl Lauterbach deshalb gegen die FDP und CDU vom Leder, die im Bundestag gemeinsam mit der AfD abgestimmt haben. Zeitgleich schockierte der SPD-Politiker den ZDF-Moderator mit der Aussage, dass unzählige Geflüchtete unter psychischen Erkrankungen leiden.

Das Thema der Runde

Wenige Tage vor der nächsten Bundestagswahl gab es einen letzten hitzigen Schlagabtausch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zur Lage in Deutschland. Auch Kevin Kühnert meldete sich ein letztes Mal im Bundestag mit dem Appell zu Wort, die Demokratie zu verteidigen. Markus Lanz nahm dies am Dienstagabend zum Anlass und debattierte mit seinen Gästen über den angemessenen Umgang mit der AfD.

Die Gäste

  • Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entschuldigt sich für seine harsche Kritik nach der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD: "Friedrich Merz ist kein Nazi."
  • FDP-Generalsekretär Marco Buschmann kämpft für den Einzug seiner Partei in den Bundestag und sagt: "Wer die Schuldenbremse gut findet, muss nicht die AfD gut finden."
  • Journalistin Kerstin Münstermann sieht einige Herausforderungen, wenn es um die künftige Regierungsbildung geht: "Jetzt hat die Achterbahnfahrt begonnen."
  • Journalist Justus Bender erläutert, warum die Debatten um die gemeinsame Abstimmung mit der AfD positiv sind: "Der Fortbestand der Demokratie darf sich nicht davon abhängig machen, dass alle schön brav sind."
Talk-Gäste
Bei Markus Lanz (l.) waren (v.l.n.r.) SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach, FDP-Generalsekretär Marco Buschmann, Journalistin Kerstin Münstermann und Journalist Justus Bender zu Gast. © ZDF / Markus Hertrich

Das Wortgefecht

Die AfD nahm bei "Markus Lanz" einen Großteil der Debatte ein. Zunächst entschuldigte sich Karl Lauterbach offen für seine Kritik an Friedrich Merz, der jüngst gemeinsam mit der AfD im Bundestag abgestimmt hatte. "Friedrich Merz ist kein Nazi. Das ist Unsinn. Das war auch nicht meine Absicht, das auch nur anzudeuten", so Lauterbach. Er ergänzte, dass er sich bereits bei dem CDU-Chef entschuldigt habe, denn: "Merz ist ein Pro-Europäer, Merz ist ein (...) echter Demokrat."

Dennoch machte Karl Lauterbach seinem Ärger in Bezug auf die gemeinsame Abstimmung von AfD, Union und FDP Luft. FDP-Generalsekretär Marco Buschmann gab daraufhin sogar zu: "Man kann die Debatte in der Tat führen, ob es schlau war, die Anträge am Mittwoch und am Freitag zu stellen." Dennoch ergänzte er: "Wir waren ja nicht Antragssteller!" Buschmann verteidigte daher die Entscheidung seiner Partei, gemeinsam mit der Union und der AfD abzustimmen: "Wenn in einer so zentralen Frage wie der Steuerung der Migration sich demokratische Fraktionen von der AfD diktieren lassen, wie sie sich verhalten, dann hat sie ihren ersten Sieg." Buschmann: "Am Mittwoch hat die AfD einem Antrag selber zugestimmt, in dem drin stand: 'Die AfD (...) ist eine Gefahr für Deutschland'."

Marco Buschmann erklärte in dem Zusammenhang, dass es der AfD weniger um die Inhalte des Antrags ging, sondern vor allem darum, "demokratische Fraktionen vor sich herzutreiben". Journalistin Kerstin Münstermann reagierte skeptisch und stellte klar, dass sie die Argumentation der FDP politisch "wirklich nicht" begreife, denn: "Das Bild gibt es jetzt. Sie stimmen gemeinsam mit der Union und der AfD ab."

Lauterbach wetterte mit Blick auf Buschmann weiter: "Ihr habt auch noch mit der AfD abgestimmt, obwohl es überhaupt keine politische Konsequenz hat! Das halte ich für vollkommen suizidal ehrlich gesagt!" Der SPD-Gesundheitsminister ergänzte energisch: "Politisch entsteht beim Bürger der Eindruck, das kann jetzt sofort passieren. Wir können die Grenzen jetzt dichtmachen. Der Bürger weiß nicht, Völkerrecht und Europarecht stehen dagegen." Dass im Antrag zu den Grenzschließungen das Wort "unverzüglich" stehe, bezeichnete Lauterbach in dem Zusammenhang als "Taschenspielertrick". Ein Argument, gegen das der FDP-Mann konterte: "Wir weisen heute schon an Grenzen zurück, es geht alleine um die Frage: Wie ist das mit Asylbewerbern?"

Die Offenbarung des Abends

In Bezug auf die Migrationsfrage sorgte Karl Lauterbach im Gespräch mit Markus Lanz für Fassungslosigkeit. Der ZDF-Moderator zitierte den Gesundheitsminister zunächst mit den Worten: "Deutschland hat ein Sicherheitsrisiko." Laut Lauterbach sollen nämlich rund 30 Prozent aller Geflüchteten unter psychischen Erkrankungen leiden. Erkrankungen, die "eine Gefahr für andere" darstellen können. "Ohne Therapie stellen sie eine Gefährdung dar. (...) Psychisch erkrankte Geflüchtete dürfen kein Tabuthema sein", zitierte Lanz den SPD-Politiker.

Im Gespräch mit dem ZDF-Moderator erklärte Lauterbach, dass die Zahl der Gefährder zwar "viel geringer" als 30 Prozent sei, aber "Menschen mit diesem Hintergrund" zweifelsohne "häufig psychisch krank" seien. "Wir haben das aus meiner Sicht ein Stück weit tabuisiert", so Karl Lauterbach ehrlich. Er kritisierte in dem Zusammenhang, dass es "überhaupt kein Angebot für eine psychotherapeutische Versorgung dieser Menschen" gebe.

Markus Lanz reagierte sichtlich irritiert: "Das ist politischer Sprengstoff!" Lauterbach wiegelte jedoch ab: "Der Sprengstoff ist das Problem, nicht der Satz. Wir müssen tatsächlich Strukturen schaffen, dass wir denjenigen, die diese Risikofaktoren mitbringen, eine Möglichkeit geben, therapiert zu werden." Der Politiker fügte prompt hinzu, dass "nie etwas gemacht" wurde, um "psychotherapeutische Versorgung für Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchterfahrungen" zu gewährleisten.

"Die ehrliche Debatte muss geführt werden und es ist eine kleinere Gruppe, die wirklich Gefährder sind. Und die müssen auch dann entsprechend gesichert werden. Alles andere hilft niemandem", so Lauterbach. Lanz konterte jedoch fassungslos: "Das ist doch das Eingeständnis, dass wir komplett und heillos überfordert sind, oder nicht?" Lauterbach schüttelte daraufhin den Kopf, konnte jedoch nicht genau beantworten, wie man die Gefährder von denjenigen unterscheiden könne, die therapierbar seien.

Der Erkenntnisgewinn

Bei "Markus Lanz" wurde deutlich, dass die politische Mitte in Bezug auf den Umgang mit der AfD in einem echten Dilemma steckt. Journalist Justus Bender fasste die Situation wie folgt zusammen: "Wenn man jetzt die ganze Zeit vor der AfD warnt, dann verteilt man ihre Inhalte (...) und macht sie bekannter und erfolgreicher. Wenn man sie totschweigt, heißt es, (...) man überlässt ihr das Feld." SPD-Politiker Karl Lauterbach äußerte daraufhin die Hoffnung, dass sich die Wählerstimmen für die AfD dann in Luft auflösen, wenn die vielen Probleme im Land gelöst werden. Eine Aussage, die Markus Lanz stutzig machte: "Ich könnte jetzt sagen, Sie hatten dreieinhalb Jahre Zeit ..." Lauterbach wehrte sich jedoch: "Diese großen Probleme, die lösen Sie nicht alleine in dreieinhalb Jahren!"  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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Teaserbild: © ZDF / Markus Hertrich