Maybrit Illner diskutierte am Donnerstagabend unter anderem mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, Karl Lauterbach und dem designierten Justizminister Marco Buschmann über die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz. Kretschmer und Buschmann lieferten sich einen verbalen Schlagabtausch wegen rechtsextremer Telegram-Gruppen. Die Talkrunde sprach auch über die Umsetzung einer möglichen Impfpflicht.

Eine Kritik
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Noch sind es knapp drei Wochen bis zu den Feiertagen. "Müssen wir Weihnachten wieder Gäste zählen?", fragte Maybrit Illner am Donnerstagabend zu Beginn ihrer Talkshow. Auch wenn das exponentielle Wachstum ein wenig eingebremst zu sein scheint, sind die Infektionszahlen weiter enorm hoch. Omikron, die neue Mutation des Coronavirus, bereitet zusätzliche Sorgen.

Am Donnerstag beschloss die Ministerpräsidentenkonferenz gemeinsam mit dem kommenden Kanzler Olaf Scholz und der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel neue Maßnahmen, um die vierte Welle zu brechen. "Deutschlands Corona-Desaster - gibt es endlich einen Plan?", lautete deshalb die Fragestellung bei "Maybrit Illner".

Mit folgenden Gästen diskutierte Maybrit Illner:

  • Karl Lauterbach (SPD): Als "Gesundheitsminister der Herzen" begrüßte Illner Lauterbach, was diesem sichtlich unangenehm war. Selbst CDU-Politiker Friedrich Merz forderte zuletzt, dass der Talkshow-Dauergast Gesundheitsminister werden müsse. Lauterbach selbst vermied am Donnerstag jeden Kommentar zu der Personalie.
  • Michael Kretschmer (CDU): Angesichts der katastrophalen Corona-Lage in seinem Bundesland häufen sich auch die Talkshow-Besuche des Ministerpräsidenten von Sachsen. Mit den Ergebnissen der MPK zeigte sich Kretschmer recht zufrieden. "Wir sind in einer pandemischen Notlage", sagte er: "Das Klein-Klein, das Gegeneinander musste jetzt aufhören. Wir haben einen Konsens über die Ländergrenzen hinweg erreicht."
  • Marco Buschmann (FDP): Der designierte Bundesjustizminister blieb der FDP-Linie treu. "Wir wollten einen totalen Lockdown verhindern, weil der auch mit gesundheitlichen, seelischen, sozialen Schäden verbunden ist. Die Kinderpsychiatrien laufen voll", sagte er.
  • Christine Falk: Die auf einem Bildschirm zugeschaltete Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) von der medizinischen Hochschule Hannover nahm die Rolle der Mahnerin ein. "Es geht um Menschenleben. Wir haben über 70.000 Neuinfektionen an einem Tag, Patienten werden mit dem Hubschrauber von einer Klinik in die andere verlegt. Wenn das keine Notlage ist, weiß ich nicht, wie man eine Notsituation beschreiben soll", erklärte sie.
  • Eva Quadbeck: Die stellvertretende Chefredakteurin und Leiterin des Hauptstadtbüros des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) redete von Anfang an Klartext. Während die anwesenden Politiker sich mit den Ergebnissen der MPK sehr zufrieden zeigten, sprach Quadbeck von einer "gesichtswahrenden Lösung", die eigentlich nur eine Verlängerung der pandemischen Notlage sei und durchaus auch schon ein paar Wochen früher hätte kommen können.

Die Überraschung des Abends

Seit die Pandemie begonnen hat, ist Karl Lauterbach in gewisser Weise das schlechte Gewissen Deutschlands. Immer wieder warnte er vor einer Verschlechterung der Lage, er forderte frühzeitig schärfere Maßnahmen und behielt meistens Recht. Umso überraschender war es, dass sich der SPD-Gesundheitspolitiker am Donnerstag recht zuversichtlich zeigte.

Lauterbach lobte, dass bei den Entscheidungen der MPK Wissenschaftler und Modellierer einbezogen wurden und dass die Beschlüsse nicht überhastet getroffen wurden. "Wir haben uns überlegt, welche Maßnahmen würden die Welle bremsen, ohne dass wir in einen Lockdown gehen müssen", sagte Lauterbach. Und dies kann nach Einschätzung des "Gesundheitsministers der Herzen" durchaus gelingen.

Die Forderungen des Abends

Christine Falk wies allerdings auf den Haken bei der Sache hin. "Es funktioniert nur, wenn alle mitmachen. Wenn das nicht passiert, wird es eng", sagte die Biologin. Wenn die Zahlen nicht deutlich zurückgehen würden, könnten die Intensivstationen schon vor Weihnachten überlastet sein.

Und dann fiel der Blick direkt auf Sachsen, das Bundesland mit der niedrigsten Impfquote, in dem immer wieder Querdenker aufmarschieren. "Das ist das Problem: Dass die Bevölkerung tatsächlich mitmacht und sich an die Regeln hält, das passiert in Sachen nicht ausreichend", sagte Journalistin Quadbeck und forderte ein härteres Vorgehen gegen Querdenker und Rechtsradikale.

Der Schlagabtausch des Abends bei Maybrit Illner

Mit Blick auf diese Problematik in seinem Bundesland wendete sich Kretschmer eigentlich recht freundlich an den "Bundesjustizminister in spe" Buschmann und wies auf rechtsextreme Gruppen in dem Messenger Telegram hin, in denen sich teilweise zehntausende Menschen zusammengeschlossen hätten und dort "bösartigste Propaganda, Hass, Hetze und zersetzende Dinge" verbreiten würden. "Wir müssen da etwas tun", forderte Kretschmer in Richtung Buschmann.

Dieser verstand dies aber offenbar so, dass Kretschmer die Schuld an der Lage in Sachsen auf den Bund abwälzen wolle. "Andere Dinge sind dringender. Der Bund hat Geld hat auch in Sachsen bereitgestellt, um Impfkapazitäten auszubauen. Ich würde Sie dringend auffordern, dieses Geld zu nehmen und in Impfzentren zu stecken", antwortete Buschmann scharf.

"So können Sie mit mir nicht reden. Da kommt jemand aus Berlin und will mir sowas erzählen, da ist Schluss", schimpfte Kretschmer.

"Reißen Sie sich am Riemen", forderte Buschmann.

"Das ist völlig jenseits von Gut und Böse", ärgerte sich Kretschmer.

"Sie haben eine katastrophale Lage in Ihrem Land. Die müssen Sie lösen", stichelte Buschmann.

Mehr konnte man nicht verstehen, denn beide redeten minutenlang gleichzeitig, bis Maybrit Illner endlich eingriff. Am Ende war es nochmal die Journalistin Quadbeck, die auf die Gefahr bei Telegram hinwies: "Was sich im Moment in den sozialen Medien an Gewaltphantasien hochschaukelt: Das sind Menschen in diesen Gruppen, die für uns mit Argumenten gar nicht mehr erreichbar sind. "

Das wurde bei Maybrit Illner zu einer möglichen Impfpflicht gesagt

Karl Lauterbach sprach sich für eine allgemeine Impfpflicht aus, niemand widersprach ihm. "Die Durchsetzung einer Impfpflicht muss nicht mit physischem Zwang erfolgen. Das machen auch andere Länder nicht", stellte FDP-Politiker Buschmann klar. "Wir müssen deutlich machen, was der Unterschied ist zwischen Impfzwang und Impfpflicht. Das hat auf die Gesellschaft einen befriedenden Faktor", ergänzte Kretschmer, der sich dann doch wieder ganz gut mit Buschmann verstand. Eine Impfpflicht würde also vermutlich bedeuten, dass Personen zwar weiter ungeimpft bleiben können, dann aber eine Geldstrafe bezahlen müssen.

Journalistin Quadbeck erinnerte allerdings nochmal daran, dass bis vor gar nicht allzu langer Zeit parteienübergreifend eine Impfpflicht noch kategorisch ausgeschlossen wurde. "Die handelnden Politiker dürfen nicht unterschätzen, dass es doch ein enormer Vertrauensverlust ist, der mit einer möglichen Einführung einer Impfpflicht entsteht", sagte sie

Fazit

Die Talkrunde bei "Maybrit Illner" am Donnerstagabend war gut aufgelegt und diskutierte über weite Strecken fair und sachbezogen, so dass die Talkmasterin nur selten eingreifen musste. Die Sendezeit verging schnell und es machte tatsächlich ein wenig Hoffnung, dass anscheinend sogar Karl Lauterbach die beschlossenen Maßnahmen für ausreichend hält, um die vierte Welle einigermaßen im Zaum zu halten.

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