• Ralph Brinkhaus ist alter und neuer Fraktionschef der Unions-Abgeordneten im Bundestag.
  • Damit hat er – zumindest für die nächsten sieben Monate – den wohl wichtigsten CDU-Job in Berlin inne.
  • Wer sind seine Unterstützer, seine Gegner und wofür steht er?
Eine Analyse

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Wann immer es in der CDU in den letzten Monaten um Machtfragen ging, wurde sein Name gehandelt – mal lauter, mal leiser, ab und zu nur raunend, aber eben immer dabei: der alte und neue Fraktionschef der Unions-Abgeordneten im Bundestag, Ralph Brinkhaus.

Etwa, als die CDU 2020 nach dem Abgang von Annegret Kramp-Karrenbauer einen neuen Vorsitzenden suchte und sich die eigentlichen Bewerber Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen um die Frage der Durchführung des abstimmenden Parteitags in Zeiten der Corona-Pandemie stritten.

Ralph Brinkhaus: Zwischendurch im Gespräch als CDU-Chef und Kanzlerkandidat

Der thüringische CDU-Landeschef Christian Hirte erinnerte via "Spiegel" die drei Streithähne daran, dass es in der CDU viele tolle Persönlichkeiten gebe, die für "höchste Spitzenämter geeignet sind", und "ganz sicher gehört auch der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus dazu". Brinkhaus hielt allerdings die Füße still. Und sah zu, wie Laschet schließlich neuer CDU-Chef wurde.

Oder als sich die Parteischwestern CDU und CSU bei der Suche nach dem richtigen Kanzlerkandidaten der Union im Frühjahr 2021 mächtig in die Haare bekamen. Markus Söder oder Laschet – diese Frage drohte beinahe die Union zu spalten, mehrere CDU-Abgeordnete schlugen sich damals in einer denkwürdigen Fraktionssitzung auf Söders Seite.

Fraktionschef Brinkhaus versuchte sich in der Rolle des vermittelnden Schlichters und erledigte den Job offenbar so gut, dass einige Abgeordnete in ihm einen geeigneten Kompromisskandidaten sahen. "Nett, mehr nicht", kommentierte Brinkhaus damals diese Idee und sah zu, wie der Unionszug schließlich mit Lokomotivführer Laschet in das größte Wahldesaster der CDU bei Bundestagswahlen seit 1949 steuerte.

Fraktionsvorsitz als erster Brinkhaus-Pflock im CDU-Machtzentrum

Doch nun scheint Brinkhaus entschlossen, sich im Machtzentrum der Union festzubeißen. Laschets Idee, den Fraktionsvorsitz erstmal kommissarisch bei Brinkhaus zu belassen, bis klar ist, ob die Union an der Regierung beteiligt sein wird oder am Ende doch die harten Oppositionsbänke drücken muss, passte Brinkhaus gar nicht in den Kram.

Natürlich werde er erneut für den Fraktionsvorsitz kandidieren, kündigte er nach der verlorenen Bundestagswahl an, und natürlich für ein Jahr. Zur Seite treten und dabei zusehen, wie Laschet weiterhin auf Zeit spielt und sich dann eventuell selbst den Fraktionsvorsitz einverleibt, um als Oppositionsführer den einzig verbliebenen machtvollen Posten der Union in Berlin auszuüben?

Nein, da will Brinkhaus nicht mitspielen. Mit seiner Erklärung, zu kandidieren, rammte er einen ersten Pflock im neu zu bildenden Machtzentrum der Union ein. Und dieser Pflock steht weiterhin, auch wenn Brinkhaus dem Kompromiss zugestimmt hat, den Job des Fraktionschefs zunächst nur bis Ende April 2022 auszuschreiben.

Sticheleien gegen Laschet: "Ich bin kein Platzhalter"

"Es gibt Situationen, da nimmt man sich ein bisschen zurück, wenn es dem Parteifrieden dient", sagte Brinkhaus in den ARD-"Tagesthemen" nach seiner Wahl am Dienstagabend. Während die Partei sich in Teilen selbst zu zerlegen scheint, ist die Fraktion zumindest "voll arbeitsfähig", wie Brinkhaus betont.

Laschet, das stellte der Finanzpolitiker aus Ostwestfalen gleichzeitig klar, "wird bestimmt nicht als Fraktionsvorsitzender kandidieren, wenn wir in die Opposition gehen". "Insofern bin ich kein Platzhalter", so Brinkhaus, "und fühle mich auch nicht so." Stattdessen werde sich Laschet um die Partei kümmern, sollte die Union nicht regieren, stichelte Brinkhaus weiter: "Als Parteivorsitzender ist man dann ganz gut beschäftigt."

An eine Regierungsbeteiligung glaubt selbst innerhalb der Union offenbar nur noch der Parteichef. Oder wie es die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann laut verschiedener Quellen am Dienstag in der Fraktionssitzung ausdrückte: "Wir leben in zwei Welten: Einer redet von Regierungsaufträgen, die Basis redet vom historisch schlechtesten Wahlergebnis von nur 19 Prozent".

Rückhalt für Brinkhaus in der CDU/CSU-Fraktion ist groß

Brinkhaus wurde, als alleiniger Kandidat, mit 85 Prozent der Stimmen in der Union-Fraktion wiedergewählt. Jens Spahn, Friedrich Merz, Norbert Röttgen oder auch Carsten Linnemann, denen allesamt Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz nachgesagt werden, warfen ihren Hut – vorerst – nicht in den Ring.

Wie unsere Redaktion aus dem Umfeld eines der potenziellen Kandidaten erfuhr, war bei allen der möglichen Bewerber der Respekt vor Brinkhaus' Rückhalt in der Fraktion zu groß. Zudem hätten Gegenkandidaten das Bild der Geschlossenheit gestört, das die Union nach dem Wahldesaster auszustrahlen versucht.

Brinkhaus sitzt also fest im Sattel. Bereits 2018, als er sich gegen Angela Merkels Kandidaten Volker Kauder in der Fraktion durchsetzte, konnte er sich des Rückhalts der meisten CDU-Abgeordneten sicher sein. Er gilt als Mann des klaren Wortes, als rationaler, bodenständiger, konservativer Politiker.

Leidenschaftliche Reden im Bundestag

Mit seinen leidenschaftlichen und kritischen Reden im Bundestag gegenüber den Corona-Maßnahmen der von der eigenen Partei angeführten Bundesregierung erwarb sich der 53 Jahre alte gelernte Steuerberater und Wirtschaftsprüfer weiteren Kredit bei den Unionsabgeordneten – und gewann darüber hinaus auch Kontur in der breiteren Öffentlichkeit.

Brinkhaus legt sich gerne an – etwa mit den einflussreichen Lobbyisten aus der Landwirtschaft oder den Interessenvertretern der Mittelstandsvereinigung. Auch in der Korruptionsaffäre rund um die Maskendeals verschiedener Unionsabgeordneter griff der Fraktionschef resolut durch.

Brinkhaus' Programm: Eine "Jahrhundertreform"

Mit seiner Idee einer "Jahrhundertreform" sorgte er im Frühjahr 2021 auch programmatisch für Aufsehen - etwas, was man derzeit nur über sehr wenige CDU-Politiker sagen kann. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der Corona-Pandemie fordert Brinkhaus eine grundlegende Reform der deutschen Verwaltung. Er bezweifle, dass die Säulen der aktuellen staatlichen Strukturen "noch vollumfänglich in die digitale Welt des 21. Jahrhunderts passen", sagte er im Februar der "Welt am Sonntag".

Zum Beispiel wolle er zwar den Föderalismus nicht infrage stellen. "Trotzdem müssen wir schauen, ob er noch überall effizient ist." So sei in Zeiten der Coronakrise etwa klar geworden, dass der Bundesgesundheitsminister kaum Durchgriff auf die lokalen Gesundheitsämter hat. Lange habe es nicht einmal eine einheitliche Software gegeben.

An Brinkhaus führt aktuell kein Weg vorbei in der Union

Brinkhaus regt an, den Staat auf fünf Feldern zu modernisieren: in der Verwaltung, der Digitalisierung, der Kooperation zwischen Bund und Kommunen, im Bildungssystem und im Katastrophenschutz. So müssten zum Beispiel die einzelnen Ebenen vom Bund bis zur Kommune besser vernetzt werden, da gebe es "kaum einen automatisierten Datenfluss".

Wer auch immer aus der Union nächstes Jahr im April antritt, um Brinkhaus dessen liebgewonnenen Posten des Fraktionsvorsitzenden zu entreißen, sollte eines nicht tun: ihn unterschätzen.

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