Acht Spitzenkandidaten stellten sich am Donnerstagabend (30.) im ZDF den Fragen der Moderatoren Dunja Hayali und Mitri Sirin. Große inhaltliche Überraschungen gab es in der Runde zwar nicht, doch an einer Stelle fehlten SPD-Politikerin Katharina Barley vor Entsetzen fast die Worte und an anderer Stelle konnte Hayali nur noch genervt kommentieren: "Das kann doch nicht so kompliziert sein!"

Eine Kritik
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Vom 6. bis zum 9.Juni wird in den 27 EU-Staaten ein neues Europäisches Parlament gewählt. Laut "Politbarometer" hat derweil die Union mit knapp 30 Prozent der Stimmen die Nase vorn. Es folgen die Grünen (15 Prozent). AfD und SPD kommen in den Umfragen beide auf 14 Prozent. In Deutschland wird über 96 der insgesamt 720 Abgeordneten abgestimmt.

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Das war das Thema beim Europa-TV-Duell

Anlässlich der anstehenden Europawahl wurden die Kandidaten der acht größten Parteien auf ihre Positionen hin abgeklopft. Da die Wahl im Zeichen von Krieg und Frieden stand, bekam die Außenpolitik besonders viel Raum. Ein weiterer Fokus lag auf den Themenfeldern Asylrechtsreform und Klimapolitik.

Beispielhafte Fragen lauteten: "Wieso gibt es nur auf deutschen Autobahnen kein Tempolimit?", Wird Europa bis 2050 klimaneutral sein?", "Darf die Ukraine zur Verteidigung Russland angreifen?" und "Wie werden Flüchtlinge gerechter verteilt?"

Das sind die Gäste

  • Katharina Barley (SPD): Die erste Frage des Abends ging an die SPD-Politikerin: Ob sie garantieren könne, dass der Kanzler bei seiner roten Linie bleibe, dass die Ukraine mit deutschen Waffen kein russisches Staatsgebiet attackieren solle. "Es wäre völkerrechtlich zulässig, aber jedes Land, welches Waffen liefert, schließt seine Vereinbarungen mit der Ukraine, was sie tun mit diesen Waffen. Das hat Deutschland auch getan. Ich weiß nicht, was in dieser Vereinbarung steht, weil sie vertraulich ist."
  • Manfred Weber (CSU): "Das Scheitern bei der Munitionslieferung ist darauf zurückzuführen, dass sich beispielsweise Deutschland und Frankreich nicht darauf einigen konnte, wo man diese Munition kauft – global oder nur in Europa. Da haben wir monatelang gestritten. Wir brauchen ein handlungsfähiges Europa in dieser Frage", so der Spitzenkandidat.
  • Daniel Caspary (CDU): Der CDU-Politiker verteidigte die Asylrechtsreform: "Der Deal macht besser, dass wir an der europäischen Außengrenze jetzt wirklich mal wirksam kontrollieren, wer kommt. Dass wir mit Drittstaaten Regelabkommen abschließen und damit die Situation in den Herkunftsländern verbessern. Er gab einen Einblick: "Was mir am meisten wehtut ist, dass mich so viele Kollegen aus den verschiedenen Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren gefragt haben: 'Können wir euch Deutschen vertrauen?' und das hat sehr viel mit dem Streit in der Bundesregierung zu tun."
  • Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): "Wenn es zu Gesprächen mit Russland kommt, geht das nur aus der Position der Stärke heraus. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Ukraine mit allem, was wir liefern können – humanitär wie militärisch – weiter unterstützen", forderte die Verteidigungspolitikerin. In Sachen Verbrenner-Aus war sie sich sicher: "Wenn wir den Verbrenner heute verbieten, dann berauben wir uns jeder Technologieoffenheit. Wir können heute nicht sagen, was in zehn Jahren möglich ist."
  • Martin Schirdewan (Linke): "Ein immer weiteres Wettrüsten wird nicht dazu führen, dass wir eine stabile internationale Friedensordnung vorfinden. Es wird eher zur Destabilisierung beitragen." Die EU befinde sich bereits jetzt auf dem Weg in einen weiteren Sozialabbau. Den Asylpakt kritisierte er scharf: "Die Menschenrechte an den EU-Außengrenzen werden radikal beschränkt." Durch Massenlager an den Außengrenzen werde sich nichts verbessern.
  • Terry Reintke (Grüne): "Wir müssen endlich eine staatlich organisierte europäische Seenotrettung einrichten", forderte die Politikerin. Beim Thema Klimapolitik sagte sie: "Dieser Widerspruch zwischen Klimapolitik und Wettbewerbsfähigkeit, den müssen wir endlich aufbrechen." Deutsche Autobauer müssten in der E-Mobilität Spitze werden. Die grünen Industrien seien die Wachstumstreiber der Zukunft – der Kurs der EU aber noch zu sehr "Zick-Zack".
  • René Aust (AfD): Die Strategie, immer mehr Waffen zu liefern und weitere Sanktionspakete zu beschließen, habe nach zwei Jahren den Krieg in der Ukraine immer noch nicht beendet, kritisierte der AfD-Politiker, der stellvertretend für Maximilian Krah vor Ort war. Es brauche Friedensinitiativen. "Wenn der Krieg in der Ukraine beendet ist, muss man darüber reden, ob man die Handelsbeziehungen wieder normalisiert", so Aust. An anderer Stelle sagte er: "Die Klimapolitik vernichtet unseren Wohlstand." Der Green-Deal führe zu De-Industrialisierung. Man müsse sich an den Klimawandel anpassen.
  • Fabio de Masi (BSW): "Der Krieg in der Ukraine ist ein Verbrechen, aber er hat auch eine Vorgeschichte", meinte der Linkspolitiker. Man müsse über die Sicherheitsinteressen der Nato und Russlands sprechen. Später in der Sendung kritisierte er das geplante Verbrenner-Aus bis 2035: "Man kann die Emissionen nicht nur am Auspuff messen." Viele Besserverdiener würden sich ein E-Auto als Zweitwagen kaufen. "Das hat keinen positiven Klimaeffekt", so de Masi.

Das war der Moment des Abends

Hayali wandte sich beim Thema Asyl dem AfD-Kandidaten zu. "Die Anerkennungsquote der EU-Geflüchteten liegt bei 80 Prozent, 20 Prozent werden abgelehnt. Wie würden Sie die 80 Prozent fair verteilen?", wollte sie wissen. "Es geht nicht um die faire Verteilung, es geht darum zu verhindern, dass diese Leute sich überhaupt auf den Weg zu uns machen", meinte Aust.

Hayali versuchte es noch einmal: "Die, die zu uns nach Europa kommen und ein Recht haben, wie wollen Sie die fair verteilen?" Als Aust seinen vorherigen Satz wiederholte, erinnerte Hayali ihn: "Wir haben Asylrecht! Es geht um die, die ein Anrecht haben, das kann doch nicht so kompliziert sein!" Aust argumentierte, in Deutschland seien nur 0,7 Prozent nach dem Grundgesetz asylberechtigt. Hayali beendete die Diskussion daraufhin mit dem Kommentar: "Das Grundgesetz ist ein sehr gutes Buch, was man allen nochmal empfehlen kann."

Das war das Rede-Duell des Abends

Das Rede-Duell nahm seinen Lauf, als AfD-Politiker Aust forderte, sich an den Klimawandel anzupassen anstatt Klimapolitik zu machen. SPD-Kandidatin Barley kommentierte: "Das ist wirklich der größte hanebüchene Unsinn. Wenn es immer wärmer wird, gibt es eine Grenze für den menschlichen Körper."

Sie führte die Flutkatastrophe im Ahrtal als Beispiel an. "Da ist ein Regengebiet über einer Region einfach stehengeblieben. Das ist ein Wetterphänomen, das wir jetzt im Zuge des Klimawandels immer mehr sehen. Da machen Sie gar nichts. Wie wollen Sie sich denn da anpassen? Wollen Sie ihr Haus mal kurz verschieben?" Aust reagierte wie folgt: "Es gibt zwei Bonner Geografen, die haben genau das untersucht. Es ist nicht zurückzuführen auf den Klimawandel, sondern auf Politikversagen und Planungsfehler. Barley fehlten die Worte: "Das ist Politikversagen? Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst", rief sie sichtlich empört.

So haben sich die Moderatoren geschlagen

Dunja Hayali und Mitri Sirin moderierten nicht zum ersten Mal zusammen, sondern sind bereits aus dem "ZDF Morgenmagazin" ein eingespieltes Team. Das merkte man auch an diesem Abend – sie stimmten sich reibungslos aufeinander ab. Besonders die Moderation von Hayali fiel positiv auf. Sie war aufmerksam, als Schirdewan Gefahr lief, Rüstungs- und soziale Fragen miteinander zu vermischen und hielt den Kandidaten immer wieder den Spiegel vor. Sie fragte stets konkret nach, zum Beispiel bei der Ukraine-Unterstützung: "Es reicht nicht. Was wollen Sie im Europaparlament tun, um das zu verändern?"

Das ist das Ergebnis des Europa-TV-Duells

Eine Wahlentscheidung war die Sendung nicht, bekräftigte bei vielen – so zumindest die Abfrage im Publikum – aber die bereits getroffene Entscheidung. Überraschende Positionen gab es nicht. Aufgrund der großen Anzahl der Kandidaten war es schwierig, wirklichen Schlagabtausch entstehen zu lassen. Der AfD-Kandidat sah sich jedoch einigem Gegenwind ausgesetzt. Als Aust beispielsweise über die Ukraine-Politik sprach und Friedensgespräche mit Putin forderte, stellte Weber klar: "Was die AfD fordert, ist die Kapitulation der Ukraine."

Korrektur: In einem Zitat von Fabio de Masi unter der Zwischenüberschrift "Das sind die Gäste" hatte in einer früheren Version dieses Artikels ein "nur" vor seiner Aussage über Emissions-Messungen gefehlt. Wir haben das Zitat entsprechend ergänzt.

Verwendete Quellen

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