Letzte Woche Kälbchen, diese Woche Hoppliten. Die Doppelmogelpackung der Bundesliga unter der Überschrift "50+1 Vereins-Fußball".

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Über Hoppenheim, zu Gast am Samstag im Stadion An der Alten Försterei, scheint alles geschrieben. Oder auch nicht. Denn es kommt immer was nach aus der Provinz. Was gibt es also Neues aus Hoppistan?

Antwort Erstaunliches. Am 1. März 2024 war es, da plauzte eine Nachricht in die Presselandschaft: Aus Hoppenheim wird Hoffenheim. Dietmar Hopp gibt seine Stimmenmehrheit an der TSG Hoffenheim e.V. an ebendiese zurück. Kaum zu glauben. Auf die alten Tage vernünftig geworden? Schlechtes Gewissen kurz bevor einen der Sensenmann zum Jüngsten Gericht kutschiert? Teufelsangst vorm Fegefeuer, wo es jeden Tag Würstchen aus der Hoeneß-Fleischerei gibt?

Ne, eher nicht. Riecht vielmehr nach Nebelkerze. Denn Hopp gab zwar seine Stimmenmehrheit am e.V. an den selbigen zurück. Seine Kapitalanteile an der GmbH von 96 Prozent behielt er. Auch das Mietverhältnis bleibt bestehen. Denn Hopp ist Eigentümer des Stadions an der Sinsheimer Autobahnausfahrt. Der Verein zahlt weiterhin Miete an Hopp. Linke Tasche, rechte Tasche. Wofür braucht der Greis nur den ganzen Kies?

Teilweise, um für die Erbsicherung in die richtigen Leute zu investieren. Das sind scheinbar nicht jene Lakaien, welche die letzten Jahre mehr oder weniger erfolgreich seinen Schotter fußballerisch verwerten durften. Der überraschende Rücktritt des erst frisch wiedergewählten Vereinsvorsitzenden im Juli wurde mit gesundheitlichen Gründen noch sauber abgewickelt. Der Rausschmiss des Fanidentität stiftenden Geschäftsführers Alexander Rosen und seiner Minions durch den greisen Strippenzieher im Hintergrund schon nicht mehr.

Die Neubesetzung, speziell auf dem Präsiposten, lässt tief blicken ins Hopp’sche Schattenreich. Es gab da zwei tolle Kandidaten: zum einen TSG-Vizepräsidentin Simone Engelhardt. Beruflich als "Executive Vice President" bei einer SAP-Sparte unterwegs und interimsweise auf dem TSG-"Chefsessel". Enger an Hopp geht nur aufm Schoss. Meint man. Wenn da nicht Jörg Albrecht wäre.

Bis zur Wahl als TSG-Präsident vor drei Wochen war er CDU-Oberbürgermeister Sinsheims. Seine wichtigste Qualifikation? Götzenanbeter. Denn er hat, und das ist kein Witz, eine Büste Dietmar Hopps im Büro zu stehen. Wurde ihm zu Hopps 81. Geburtstag von einer ähnlich alt aussehenden Künstlerin übergeben. Wurde im Lokalblatt mit Foto gewürdigt. So etwas kennt man eigentlich nur aus Totenkulten. Wie Lenins Maske auf Mielkes Schreibtisch. Oder ist Hopp tot und was wir kennen, ist in Wahrheit sein Avatar? Falls ja, wer steuert den? Egal. Mit so einer Büste im Büro muss man TSG-Präsident werden.

Doch jetzt braut sich bei den Hoppliten im Stehblock Unmut zusammen. "125 Jahre TSG – Aufgebaut und zerstört – danke für Nichts!", hieß es auf einem Plakat. Auf einem weiteren: "Wir Fans sind der Verein. Hopp verpiss Dich!" Holla! Respekt! Hätte ich Euch nicht zugetraut. Majestätsbeleidigung in Hoppistan! So was Undankbares. Da kauft der Typ sich seinen Jugendverein, baut ein Stadion, in dem alle Bewohner des Dorfes Platz haben, und jetzt wollen sie ihn nicht mehr. Soll er das Stadion wieder abreißen? Gehört ihm ja. Oder sich neue Fans kaufen? Ginge vielleicht am einfachsten. Geld dafür ist genug vorhanden.

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Hoffen wir also auf das Gute im Schlande. Auf dass sich die TSG-Fans weiter emanzipieren. Und nicht aufgeben beim Versuch, aus Hopps Spielzeug einen wirklichen Verein zu machen. Und wenn’s nicht funktioniert, dann gründet doch einen eigenen Verein. Vielleicht weniger erfolgreich, aber dafür sauber. Und ohne Abhängigkeit von einem Despoten. Dafür gutes Gelingen an den Auswärtsblock.

Eisern!  © Berliner Zeitung

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