Der Mann, der an diesem Donnerstag auf der Anklagebank sitzt, sieht aus wie ein gutmütiger älterer Herr, dem man vertrauen kann.

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Klaus K. trägt ein kurzes, weißes Hemd zur gestreiften Hose. Das graue Haar ist schon etwas schütter. Der 65-Jährige mag Billard und soll ein leidenschaftlicher Fotograf sein. Mit seiner Spiegelreflexkamera habe er immer "so richtig gute Fotos" von den Betriebsfeiern gemacht, erinnert sich sein einstiger Chef später als Zeuge vor Gericht.Doch Klaus K. nutzte seine Leidenschaft offenbar noch für ganz andere, furchtbare Dinge. In seiner Wohnung in Treptow soll die Polizei bei zwei Durchsuchungen Hunderte Fotos von Kindern in eindeutigen Posen gefunden haben. Staatsanwältin Kimberly Seifer spricht von kinderpornografischem Bild- und Videomaterial. Sie wirft Klaus K. in ihrer Anklage schweren sexuellen Missbrauch von Kindern und die Herstellung, Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie vor.

Klaus K. wurde zwei Tage vor seinem 65. Geburtstag im April dieses Jahres verhaftet. Seitdem sitzt der Mann, ein ausgebildeter Erzieher, in Untersuchungshaft. Ihm werden 20 Missbrauchstaten vorgeworfen, die er zwischen dem 29. Mai 2006 und dem 22. September 2022 begangen haben soll. Auch zwischenzeitliche einschlägige Verurteilungen konnten ihn offenbar nicht stoppen.

Seine Opfer, so geht es aus der Anklage hervor, waren zum Tatzeitpunkt meist Jungs im Alter von vier bis zwölf Jahren. Auch zwei kleine, etwa vier bis sechs Jahre alte Mädchen soll er dazu gebracht haben, sich beim Urinieren filmen zu lassen. Dabei soll er den Rock eines Kindes selbst beiseitegeschoben haben. Teilweise habe Klaus K. die Kinder auch auf seinen Schoß gehoben, um sich dann an ihnen zu vergehen.

Tatorte waren laut Seifer Parkanlagen oder öffentliche Toiletten in Berlin. Er soll die "namentlich nicht bekannten Kinder" auch bei seinen Reisen nach Rumänien und Albanien auf Feldern oder in Wäldern, am Strand oder in einem Transporter dazu aufgefordert haben, sich vor ihm zu entblößen, sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen und sich dabei mittels seiner Kamera ablichten zu lassen.

Jedesmal, so Seifer, habe Klaus K. dabei das kindliche Alter seiner Opfer zumindest billigend in Kauf genommen. "Der Angeklagte handelte in der Absicht, die selbst hergestellten Bilder von dem Missbrauch anderen Personen zur Verfügung zu stellen."

Es ist nicht das erste Mal, dass Klaus K. wegen derartiger Vorwürfe vor Gericht steht. Deswegen kommt für die Kammer die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung in Betracht, so formuliert es Steffen Jankowiak, der Vorsitzende Richter. Bereits im Februar 2003 war der Angeklagte vom Landgericht Berlin wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden.

Im Juni 2010 musste sich der stämmige Mann am Amtsgericht Tiergarten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und Besitzes kinderpornografischer Schriften verantworten. Das Urteil lautete: ein Jahr und zehn Monate. Er wurde unter Führungsaufsicht gestellt, durfte sich Minderjährigen nicht mehr nähern.

Doch schon 15 Monate später stand Klaus K. erneut vor Gericht. Diesmal wurde er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Er hatte wieder Kinder sexuell missbraucht und gegen die Weisungen während der Führungsaufsicht verstoßen. Elf Monate verbrachte er im offenen Vollzug. Was ihn offenbar nicht daran hinderte, nach der Entlassung weiterzumachen.

Ein Kriminalbeamter, der bei der ersten Durchsuchung an der Wohnanschrift des Angeklagten dabei war, berichtet vor Gericht, dass Klaus K. in einer Drei-Zimmer-Wohnung lebte. Vom Balkon habe der Angeklagte einen direkten Blick auf den Spielplatz einer Kita gehabt.

In der Wohnung wurden demnach neun Datenträger mit kinderpornografischem Foto- und Videomaterial gefunden, zudem viel Kinderbekleidung, Sexspielzeug und eine große Kinderpuppe sichergestellt. An den Wänden hätten Fotos von Kindern gehangen, erinnert sich der Beamte. "Ja, die habe ich gemacht. Aber die sind schlecht", habe Klaus K. dazu gesagt. Die Frage des Verteidigers, ob auf einem der Fotos sein Mandant zu sehen sei, verneint der Zeuge.

Der Kriminalist berichtet aber, dass Klaus K. offenbar von den Behörden in Portugal zum Verschwinden der kleinen Maddie aus einer Ferienanlage an der Algarve befragt worden sei. Der Angeklagte habe damals nur zehn Kilometer von diesem Resort entfernt gewohnt. Die dreijährige Madeleine McCann, genannt Maddie, wurde im Mai 2007 aus einer Ferienwohnung entführt und wird seitdem vermisst.

Der einstige Chef von Klaus K. zeigt sich bei seiner Zeugenaussage sichtlich erschüttert. Es sei schmerzhaft, hier zu sitzen, sagt der 36-jährige Betriebsleiter. Er habe seinen Außendienstmitarbeiter als "ganz tollen Menschen" kennengelernt und ihn geschätzt. Seit 2014 arbeitete Klaus K. in dem Unternehmen.

Aufgetreten sei er als loyaler und sympathischer Mitarbeiter – mit lückenlosem Lebenslauf in der Bewerbung. Von der Haftstrafe habe er nichts gewusst, ein Führungszeugnis sei bei der Einstellung von Klaus K. noch nicht Pflicht gewesen. Das habe sich nun geändert.

Der Zeuge berichtet, dass Klaus K. für seine Arbeit Laptop, Handy und einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt bekommen habe – den er auch zu Auslandsreisen in den Urlaub nach Rumänien nutzte. "Klar, habe ich mich gefragt, warum Rumänien", sagt der einstige Chef. Klaus K. habe ihm geantwortet, dass er keine große Rente bekommen werde und er sich ein Leben als Rentner in diesem Land vorstellen könne. Später sagt der Zeuge, Klaus K. sei immer wie ein Teddybär aufgetreten.

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Auf die Spur des Angeklagten waren die Fahnder einer Sondereinsatzgruppe gekommen, die sich offenbar deutschlandweit mit reisenden Sexualstraftätern befasst. Klaus K. fiel bei Ermittlungen gegen einen anderen mutmaßlichen Täter auf.

Der Angeklagte hat im Ermittlungsverfahren zu den Vorwürfen geschwiegen, und auch zu Prozessbeginn äußert er sich nicht. Sein Verteidiger hat eine Erklärung für den zweiten Verhandlungstag am kommenden Dienstag angekündigt.  © Berliner Zeitung

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