Untersuchungsausschuss: Blankes Entsetzen bei FDP und Grünen: Weil eigene Parteifreunde nicht mitzogen, hätte es beinahe an der AfD gelegen, den von ihnen geforderten Untersuchungsausschuss zur Entlassung der Staatssekretärin Messari-Becker zu ermöglichen.

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Nur mit großer Mühe ist es den Fraktionen von Grünen und FDP im Landtag gelungen, den von ihnen beantragten Untersuchungsausschuss zur Entlassung der Staatssekretärin Messari-Becker aus eigener Kraft durchzusetzen. An einer von der CDU beantragten namentlichen Abstimmung nahmen am Donnerstagabend im Plenum die FDP-Abgeordneten René Rock, der stellvertretende Parlamentspräsident, sowie seine Fraktionskollegen Matthias Büger und Marion Schardt-Sauer beim ersten Aufruf ihrer Namen nicht teil. Bei den Grünen fehlte eine Abgeordnete.

Damit kamen die beiden Fraktionen zusammen nur auf 26 Stimmen. Das nötige Quorum von einem Fünftel aller Abgeordneten liegt aber bei 27. Weil damit für die Durchsetzung des Antrags die Stimmen der AfD nötig gewesen wären, herrschte im Plenum minutenlang eine dramatische Stimmung, in den Fraktionen von Grünen und FDP das blanke Entsetzen. Eine Abgeordnete weinte.

Die Fraktionsführung der FDP bewegte die drei Abweichler in ihren Reihen schließlich, dem Antrag in einem zweiten Aufruf doch noch zuzustimmen. Am Ende votierten 47 Abgeordnete des Parlaments für die Einsetzung des Ausschusses. Die 72 Abgeordneten der Regierungsfraktionen enthielten sich.

Der AfD-Abgeordnete Klaus Gagel erinnerte daran, dass es die AfD gewesen sei, die Ende August als Erste die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses angeregt habe. Die Partei sei "nicht undankbar", dass FDP und Grüne die Idee nun aufgegriffen hätten.

Erst zu viel, dann zu wenig gesagt

Die Kritik der Opposition entzündet sich vor allem an einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministers Kaweh Mansoori (SPD). Er hätte sich nach dem Gesetz von seiner Staatssekretärin, einer sogenannten politischen Beamten, ohne die Angabe von Gründen trennen dürfen, führte in der Mitteilung aber "ein nicht hinnehmbares Fehlverhalten" ins Feld, das er allerdings nicht konkreter benannte, weil es sich "außerhalb des Dienstverhältnisses" zugetragen habe.

Messari-Becker geht inzwischen juristisch gegen den in den Medien wiedergegebenen Vorwurf vor, sie habe ihr politisches Amt missbraucht, indem sie versucht habe, für ihre Tochter eine bessere Abiturnote zu erwirken. Die Opposition spricht von Rufmord. Weil Mansoori sich am Donnerstagmorgen in einer Aktuellen Stunde des Landtags nicht entschuldigt habe und angesichts vieler offenen Fragen, kündigten die Fraktionsvorsitzenden Mathias Wagner (Grüne) und Stefan Naas anschließend die Beantragung des Untersuchungsausschusses an. Die Regierungsfraktionen enthielten sich bei der Abstimmung nach eigenem Bekunden aus Respekt vor dem Untersuchungsrecht der Opposition. Sie übten aber scharfe Kritik.

Beide Fraktionen erinnerten daran, dass es in Hessen in den zurückliegenden Jahren Untersuchungsausschüsse zu dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), dem rassistischen Terroranschlag von Hanau und der NSU-Mordserie gegeben habe. Dazu stehe der jetzt thematisierte Sachverhalt in keinem Verhältnis. "Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ist völlig unverhältnismäßig, unnötig und überflüssig", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Lisa Gnadl. Grüne und FDP hätten sich "verrannt". Sie versuchten, die Personalentscheidung des Wirtschaftsministers zu skandalisieren, um Mansooris erfolgreiche Arbeit abzuwerten.

Der Minister habe im Plenum Größe bewiesen und die Entwicklung des Falls bedauert. Trotzdem hätten Grüne und FDP die Untersuchung zu der rechtmäßigen Entlassung der Staatssekretärin beantragt. Dies zeige, dass es den beiden Fraktionen nur um eine Show gehe.

Schon der zweite Untersuchungsausschuss

Ingo Schon, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, wies darauf hin, dass Minister von FDP und Grünen auf der Bundesebene in den zurückliegenden Monaten gleich drei Staatssekretäre entlassen hätten. Es stehe AfD, Grünen und FDP frei, einen Untersuchungsausschuss "mit allen damit verbundenen Kosten und Konsequenzen" einzusetzen. Aber offensichtlich sei die Opposition selbst uneinig über diesen Weg.

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Der Einsetzungsbeschluss ist bereits der zweite in dieser Legislaturperiode. Die AfD hat einen Untersuchungsausschuss zum Umgang der Politik mit der Corona-Krise durchgesetzt, nachdem die anderen Fraktionen einen in Teilen rechtswidrigen Fragenkatalog der Partei zusammengestrichen hatten. Seine Arbeit hat dieses Gremium bisher nicht aufgenommen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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