Siedelt in Superkolonien: An immer mehr Orten in Deutschland taucht die Große Drüsenameise auf, neuerdings auch in Hessen. Die aus Nordafrika stammende Art kann große Schäden etwa an Häusern und Elektrik verursachen.
Ameisen sind faszinierende Geschöpfe. Sie können ein Vielfaches ihres Gewichts tragen und leben in arbeitsteiligen Kolonien mit einer Königin an der Spitze. In menschlichen Siedlungsgebieten sind sie jedoch ungern gesehen. Das gilt besonders für die Große Drüsenameise.
In der Wetterau sind zwei Vorkommen der Tapinoma magnum genannten Art entdeckt worden: im Neubaugebiet "Im Schleid" in Bad Vilbel und im Ortenberger Stadtteil Wippenbach. Das bestätigt die Verwaltung des Wetteraukreises. Diese Ameise ist extrem lästig und kann große Schäden verursachen.
Die ursprünglich in Nordafrika beheimatete Große Drüsenameise verbreitet sich rasant. Anders als andere Arten baut sie keine einzelnen Nester, sondern weitverzweigte Superkolonien mit Millionen Exemplaren. Ein solches Netz kann mehrere Straßenzüge umspannen.
Hausbesitzer können nicht mehr auf Terrasse sitzen
Die schiere Menge bringt Hausbesitzer und Wohnungseigentümer zum Verzweifeln. Im Extremfall können sie nicht mehr ungestört auf der Terrasse sitzen, weil die fünf bis zehn Millimeter großen Tierchen überall herumkrabbeln.
Einmal da, wird man sie kaum wieder los. Nach Ansicht von Insektenforscher Andreas Vilcinskas, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bioressourcen in Gießen, gibt es "keine Kontrolloptionen für diese invasive Art". Giftköder wirken nur kurze Zeit. Die Ameisen lernen, sie zu meiden.
In südlichen Bundesländern ist die Große Drüsenameise schon zur Plage geworden. Die Stadt Kehl in Baden-Württemberg gibt beispielsweise rund 50.000 Euro im Jahr für die Bekämpfung aus – ohne großen Erfolg. In den betroffenen Gebieten richten die Insekten veritable Schäden an. Straßen und Gebäude weisen Risse auf, wenn sie untertunnelt werden. Manchmal fällt das Internet aus, weil die Ameisen in Stromkästen und Kästen mit Netzwerktechnik nisten.
Heißes Wasser tötet die Insekten
Anfangs hatte die Stadt Kehl einen auswärtigen Kammerjäger mit der Bekämpfung beauftragt. Der kam alle fünf oder sechs Wochen vorbei. Das brachte aber nichts. Mittlerweile hat die Stadt eine Art Hochdruckreiniger gekauft, der heißes Wasser in die Kolonien presst, das die Insekten tötet. Die Arbeiter des städtischen Bauhofs gehen jeder Meldung eines Vorkommens umgehend nach. "Wir bleiben ständig am Ball", sagt eine Sprecherin.
So weit ist es in der Wetterau noch nicht gekommen. Schäden seien in Ortenberg bisher nicht bekannt, sagt Bürgermeister Markus Bäckel: "Aber es besteht Handlungsbedarf." Man habe Kontakt zu einem Schädlingsbekämpfer aufgenommen und kartiere die Ausbreitung. Zurzeit sei das allerdings nicht ganz einfach. Die Große Drüsenameise falle zwar nicht in einen Winterschlaf, zeige in der kalten Jahreszeit aber eine gewisse Inaktivität.
Bäckel setzt auf das Mitwirken der Bürger. Er bittet darum, ungewöhnliche Ameisen zu melden, einige Exemplare einzusammeln und zum Ordnungsamt zu bringen, das dann herausfindet, ob es sich um Tapinoma magnum handelt. "Im Frühjahr sehen wir dann hoffentlich klarer und können gezielte Maßnahmen ergreifen. Wichtig ist, dass wir dann konsequent vorgehen."
Anwohner erhalten Tipps zur Bekämpfung
In Bad Vilbel haben Anwohner in einer Wohnanlage lange Ameisenzüge im Außen- und teils auch im Innenbereich entdeckt, teilt ein Sprecher der Stadt mit. Im Laufe der Sichtungen wurde dann festgestellt, dass es sich um Große Drüsenameisen handelt. Die Stadt Bad Vilbel habe ein Institut für Schädlingsbekämpfung mit einem Gutachten beauftragt. Gemeinsam mit der Eigentümergemeinschaft und der Hausverwaltung wurden Handlungsempfehlungen an die Anwohner gegeben. "Zudem erfolgen aus dem Gutachten entsprechende Schritte, um den Schädling zu bekämpfen. Die Stadt Bad Vilbel wird dabei unterstützen und ist im steten Austausch mit der Eigentümergemeinschaft sowie der Verwaltung", erklärt der Sprecher.
Die Kreisverwaltung hat seit September Kenntnis von den beiden Vorkommen der Großen Drüsenameise in Ortenberg und Bad Vilbel. Das Bundesamt für Naturschutz stufe die Art bisher nicht als invasiv, sondern als "potentiell invasiv" ein, heißt es in einer Presseerklärung. Es gebe demnach bisher keine gesicherten Erkenntnisse über eine Gefährdung heimischer Arten oder "negative ökosystemare Auswirkungen" durch die Große Drüsenameise. So der Stand von Mai 2023.
Daten zur Verbreitung fehlen noch
Damit sei die Untere Naturschutzbehörde für die Bekämpfung der Art derzeit nicht zuständig. Diese liege "vor Ort in den jeweils betroffenen Kommunen". Unbestritten seien jedoch die Schäden, die die Art an Infrastruktureinrichtungen verursacht sowie die starke Beeinträchtigung der Lebensqualität der Menschen in den Wohngebieten, in denen Tapinoma magnum auftritt.
Dass die Große Drüsenameise Deutschland erobert, ist bekannt. Konkrete Zahlen gibt es aber nicht. Zwar sammelt das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie Daten zur Ausbreitung invasiver Arten in Hessen. Bürger können Sichtungen dort melden. Das Landesamt kann die Verbreitung der Ameisenart erst beobachten, wenn sie auf der offiziellen EU-Liste der invasiven Arten steht.
Experten vermuten, dass die Große Drüsenameise über eingetopfte Gärtnereiware aus Südeuropa – Olivenbäume und andere mediterrane Gewächse – eingeschleppt wird. Daher empfiehlt die Kreisverwaltung, die Anwohner in betroffenen Gebieten zu befragen, wo sie ihre Pflanzen gekauft haben. Handelt es sich um ein und denselben Baumarkt, sollte dort dann nach Tapinoma magnum gesucht und gegebenenfalls Schritte zur Bekämpfung eingeleitet werden, damit der Baumarkt nicht als Superspreader wirkt.
Das Einschleppen von Arten aus anderen Regionen der Welt ist die Kehrseite der Globalisierung. Dass die Große Drüsenameise wieder verschwindet, ist unwahrscheinlich. Aber anders als beispielsweise die eingewanderte Asiatische Hornisse, die in Deutschland ganze Honigbienenvölker auslöscht, ist die Tapinoma magnum – nach bisherigen Erkenntnissen – keine Bedrohung für die heimischen Ökosysteme. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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