Amazônia-Festival: Das dreitägige Festival "Amazônia. The World of Sebastião Salgado" in der Alten Oper Frankfurt blickt auf das Engagement des weltberühmten Fotografen für den brasilianischen Regenwald.

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Viele Jahre reiste Sebastião Salgado als Fotoreporter um die Welt, dokumentierte Hunger, Armut, Gewalt und Krieg, um zu zeigen, wozu Menschen fähig sind. Damit wurde der Brasilianer, der lange für die legendäre Fotoagentur Magnum tätig war, sehr berühmt. Vor allem seine Langzeitprojekte, bei denen er teils über Jahre hinweg in eindrücklichen Schwarz-Weiß-Fotografien das Dasein von Arbeitern, Migranten oder deren Kindern vor Augen führte, mehrten noch diesen Ruhm. Doch Preise, Buchveröffentlichungen und Ausstellungen schützten ihn nicht vor dem Grauen, das von seiner Seele Besitz zu ergreifen drohte.

Als Salgado Mitte der Neunzigerjahre aus Ruanda und Kongo zurückkehrte, wo er den Völkermord an den Tutsi dokumentiert hatte, fühlte er sich so elend, dass er für immer die Kamera beiseitelegen wollte. Eine Auszeit in Brasilien brachte ihn dann auf eine Idee, was er anstelle der Fotografie fortan tun könne: Landwirtschaft betreiben. Salgado war auf einer Farm in Aimorés im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais aufgewachsen, und seine Eltern wollten just in jenen Tagen den rund 600 Hektar großen Betrieb an ihre Kinder übergeben.

Allerdings war das Land ausgedörrt, kaum mehr ertragreich und das Dasein als Farmer ohnehin ein Wagnis, weshalb Salgados Frau Lélia sagte: "Lass uns die Idee von der Landwirtschaft begraben. Wir sind keine Farmer. Du bist Fotograf, und ich bin Designerin. Lass uns das Land lieber aufforsten. So kann wieder den Wald entstehen, der hier früher einmal war."

Ausgemergelte Landschaft wieder zum Leben erwecken

Mit diesen Worten berichtet der heute 80 Jahre alte Salgado, wie er und seine Frau Ende der Neunzigerjahre zu Umweltaktivisten wurden. Sie gründeten die Organisation Instituto Terra und begannen, begleitet von vielen Rückschlägen, die Wiederaufforstung des Areals. Nicht zuletzt mit der Unterstützung zahlreicher Sponsoren sind dort mittlerweile rund drei Millionen Bäume gepflanzt worden, deren Setzlinge auf dem zum Nationalpark erklärten Farmgelände gezogen wurden. Wo vor einem Vierteljahrhundert noch Steppe war, steht nun wieder ein tropischer Regenwald, in dem nicht nur zahllose Pflanzen, sondern auch viele Tierarten eine Heimat gefunden haben.

Wie diese Maßnahme eine ausgemergelte Landschaft wieder zum Leben erweckte, gab sie auch Salgado neuen Mut, um wieder mit der Kamera zu arbeiten. 2004 begann er sein bis 2013 dauerndes Projekt "Genesis", das der Schönheit der Welt gewidmet war. Hierfür dokumentierte der Fotograf unberührte Landschaften und ihre Flora und Fauna – nicht nur zur Bewunderung, sondern auch als Mahnung, die bedrohte Natur zu bewahren. Seine Streifzüge führten Salgado um die ganze Welt, aber auch tief in sein Heimatland, wo er besonderes Augenmerk auf das Amazonasgebiet im Norden Brasiliens legte, nicht umsonst die grüne Lunge der Welt genannt und doch in ständiger Gefahr.

Das Bewusstsein für die Bewahrung des Amazonas-Regenwaldes zu schärfen ist nun das Anliegen des außergewöhnlichen Festivals "Amazônia. The World of Sebastião Salgado", das von Donnerstag, 19. September, bis Samstag, 21. September, in der Alten Oper zu erleben ist. Höhepunkt ist dabei die Aufführung von Salgados großem Musik-Bild-Projekt "Amazônia", das am 20. September erstmals in Deutschland aufgeführt wird.

2019 mit Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet

In Zusammenarbeit mit der Dirigentin Simone Menezes hat Salgado 255 seiner Amazonas-Fotografien ausgewählt und mit einem musikalischen Werk zusammengeführt, das ebenfalls vom brasilianischen Regenwald erzählt. 1958 hatte der bedeutende brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos (1887–1959) sein sinfonisches Oratorium "Floresta do Amazonas" veröffentlicht, das Menezes als Suite für Orchester und Sopran bearbeitet hat.

Zu dieser Musik, in Frankfurt live gespielt vom hr-Sinfonieorchester, werden taktgenau die Fotografien Salgados auf einer Großleinwand gezeigt, fast so, als hätte Villa-Lobos sein Werk für diese Bilderfolge komponiert. Das Konzert (Beginn 20 Uhr) wird von einem Künstlergespräch mit Salgado (Beginn 18.30 Uhr) und einem Gespräch mit Dirigentin Menezes (Beginn 21.30 Uhr) gerahmt. Schon am 19. September wird "Amazônia" von 19 Uhr an in gekürzter Form als Konzert für Jugendliche aufgeführt.

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Am Samstag ist der 2019 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Salgado dann sowohl vor als auch auf der Leinwand zu erleben. Um 18 Uhr beginnt im Mozartsaal ein Podiumsgespräch zur Situation des Amazonasgebiets heute, an dem außer Salgado und seinem Sohn Juliano Vertreter der KfW Entwicklungsbank, der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt sowie der Senckenberg Gesellschaft teilnehmen, bevor von 20 Uhr an im Großen Saal der Film "Das Salz der Erde" gezeigt wird, den Wim Wenders und Juliano Ribeiro Salgado 2014 über Sebastião Salgado gedreht haben. Ein Gespräch mit den dreien schließt sich der Vorführung an.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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