Sanierung in Höchst: Im Höchster Bolongaropalast wurden die ersten restaurierten Musterräume vorgestellt. In den einstigen Amtsstuben lebt die Pracht der italienischen Kaufmannsfamilie wieder auf.

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Im Garten steht Rolf Skrypzak in einem Graben und sagt: "Römer, Römer, Römer". Münzen und Scherben habe er gefunden, denn man befinde sich hier mitten im augusteischen Militärlager. Aber die Hauptattraktion am Mainufer hat nichts mit Rom zu tun, sondern mit Stresa am Lago Maggiore.

Von dort stammt die Kaufmannsfamilie Bolongaro, die sich ihren Palast von 1772 an außerhalb von Frankfurt im kurmainzischen Höchst errichtete. Und weil die Bolongaros sehr wohlhabend waren, fiel der Palast etwas größer aus: 117 Meter lang, 240 Räume, gut 10.000 Quadratmeter Fläche, zwei Seitenpavillons und eine barocke Gartenanlage.

Die Renovierung des barocken Palasts ist eine Mammutaufgabe. Seit 2016 laufen die Planungen, bis Mitte 2027 werden die Arbeiten noch dauern. Gerade hätten die Stadtverordneten Mehrkosten in Höhe von 19 Millionen Euro bewilligt, berichtet Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), insgesamt rechne man nun mit Ausgaben von 73 Millionen Euro. Damit die Bürger erfahren, wofür das Geld verwendet wird und warum sich das so zieht, finden dieser Tage Rundgänge mit den Architekten der "Arge Bolongaro" statt.

Dort, wo derzeit noch römische Scherben geborgen werden, kommt die Hauptstromleitung hin. Im Erdgeschoss tragen Installateure Heizkörper in die Räume. Mancher kennt die Flure noch, weil er dort Pässe verlängert und Umzüge gemeldet hat, inzwischen sieht es dort wieder mehr nach Palast als nach Behörde aus. Zwar bleiben die Wandfarben hell, doch die hölzernen Türrahmen leuchten nun nach Abstimmung mit dem Denkmalamt in hellem Grün.

Am Ende des Ganges im Erdgeschoss befindet sich der neue Veranstaltungssaal. Er entstand, weil ein Innenhof überdacht wurde. Wo einmal eine Rasenfläche war, liegen jetzt helle Terrazzofliesen. Der Raum ist von außen barrierefrei zugänglich, verfügt über ein Foyer und eine kleine Küche und kann von Vereinen flexibel bestuhlt und für etwa 50 bis 200 Personen genutzt werden.

In Wänden, Decke und Boden ist viel Technik verbaut, die man nicht sieht. Eine größere Baustelle ist derzeit der Musiksaal im Obergeschoss, der zu Bolongarozeiten nicht fertig wurde und daher modern gestaltet wird.

Im Obergeschoss ist künftig vor allem die Außenstelle des Historischen Museums mit der Porzellanausstellung untergebracht. Die Räume werden mit Porzellanschildern beschriftet, die in Kooperation mit der Höchster Manufaktur ausgeführt werden.

Natürlich ist die Beletage die prächtigste, auf Deckengemälden und Supraporten spielen Putti, Schäfer tummeln sich in arkadischen Landschaften, das ganze Programm des 18. Jahrhunderts ist vertreten. In den Räumen hängen, gut in Folie verpackt, Kristalllüster. Nicht alle seien original, einige auch aus Plexiglas, sagt Ulrich Flacht vom Architekturbüro Rimpl und Flacht.

An den Decken wurde der vielfach überpinselte Stuck freigelegt, und er ist wieder in seinen feinen Details zu erkennen. Die Tapeten stammen von der ehemaligen Höchster Manufaktur Hembus, die inzwischen zu einem Unternehmen im Odenwald gehört, und wurden schon vor Jahrzehnten anhand von Funden aus dem Bolongaropalast rekonstruiert.

Nun hängen sie wieder dort, wo sie eigentlich hingehören. Für andere Räume, die einst im spätbarocken Stil ausgeführt waren, gibt es keine Tapetenmuster, sie wurden in kräftigen Farben gestrichen.

Die originalen Räume, wie etwa das Gartenzimmer, erkennt man an dem aufgearbeiteten Parkett. Alles, was nachträglich eingebaut wurde, die Aufzugsbereiche und Fluchttreppenhäuser, wurden in hellem Terrazzo ausgeführt. Die Schächte dafür befinden sich in ehemaligen Toilettenräumen.

Weil die alte Bausubstanz das nicht ausgehalten hätte, mussten an etlichen Stellen Stahlträger eingezogen werden. "Die Statiker haben vieles möglich gemacht und auf kleinstem Raum Lösungen gefunden", sagt Ulrich Flacht. Das sei auch einer der Gründe, warum es am Ende so teuer werde.

Eine besondere Herausforderung war der Ostflügel: Weil das Gebäude auf Nidda-Sedimenten errichtet wurde, hat es sich im Lauf der Zeit um etliche Zentimeter abgesenkt – die Fußböden haben daher eine gewisse Neigung.

Ein anderer Grund war eine schlecht ausgeführte Farbschicht auf den Holzverkleidungen, wegen der man die ganze Farbe herunterschmirgeln musste und auf giftiges Bleiweiß stieß, für das besondere Vorsichtsregeln gelten.

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Nun ist die Substanz wieder stabil, größere Überraschungen wurden nicht mehr erwartet. "Jetzt können wir umsetzen, was wir wollen", sagt Architekt Flacht. "Aber die Konzeption musste ja erst einmal entwickelt werden."  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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