Ermittlung in Wiesbaden: In Wiesbadens Kongress-Center sollen Wachleute mit falschen ID-Nummern eingesetzt worden sein, während einige Verantwortliche davon gewusst und nichts unternommen hätten. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen.

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Die Nachricht, dass die Wiesbadener Staatsanwaltschaft gegen den Geschäftsführer der Wiesbaden Congress & Marketing GmbH (WICM), Martin Michel, und den Prokuristen Simon Rottloff (SPD) wegen des Verdachts auf Untreue ermittelt, hat zu erheblichen Irritationen in der Landeshauptstadt geführt. Der Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am Mittwoch einstimmig einen Dringlichkeitsantrag von CDU und FDP angenommen, der die Aufklärung der Vorwürfe fordert.

Entscheidende Fragen sind dabei, wer zu welchem Zeitpunkt von dem Verdacht wusste, dass bei Veranstaltungen im Kurhaus und im Rhein-Main-Congress-Center (RMCC) falsche und nicht korrekt ausgebildete Wachleute eingesetzt worden sein sollen sowie dass auf politischer Ebene eine Kontrolle der Wachleute durch das zuständige Ordnungsamt verhindert worden sein soll.

CDU und FDP fordern unter anderem, dass der Magistrat mitteilt, wann er von dem Verdacht informiert worden sei, dass Wachleute mit gefälschten ID-Nummern bei Veranstaltungen eingesetzt worden seien. Zudem solle der Magistrat mitteilen, ob bei Überprüfungen der Bewacherausweise durch die zuständigen städtischen Behörden Verstöße gegen die Gewerbeordnung festgestellt worden seien.

Keine Antworten auf inhaltliche Fragen

Bürgermeisterin und Wirtschaftsdezernentin Christiane Hinninger (Die Grünen) hat sich im nichtöffentlichen Teil der Sitzung zu dem Thema geäußert. Am Donnerstag sagte sie: "Wir nehmen zu laufenden Verfahren keine Stellung. Wir sind an der Aufklärung dran."

"Mir sind die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bekannt, die inhaltlichen Vorwürfe sind mir durch Ihre Presseberichterstattung bekannt geworden", teilte Prokurist Rottloff auf Nachfrage der F.A.Z. mit und ergänzte: "Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich mich zu inhaltlichen Fragen während der laufenden Ermittlungen nicht äußern werde."

Auf die Frage, ob er zuvor nichts von den Vorwürfen gewusst habe, antwortete er nicht. Auf die Frage, ob er derjenige gewesen sei, der eine Kontrolle der Wachleute durch das Ordnungsamt zu verhindern versucht habe, sagte Rottloff, er werde sich nur gegenüber der Staatsanwaltschaft und dem Revisionsamt dazu äußern.

Keine Sicherheit gewährleistet

"Die Gäste des RMCC und des Kurhauses verlassen sich zu Recht darauf, dass dort jederzeit sicher getagt und gefeiert werden kann", teilte FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Diers mit. Er äußerte nach Bekanntwerden der Vorwürfe Zweifel, "ob diese Sicherheit jederzeit gewährleistet" war.

Er befürchtete einen erheblichen Reputationsschaden für die beiden Veranstaltungshäuser und warnte vor dem Verlust wichtiger Veranstaltungen. Sollte die Überprüfung der Sicherheitskräfte "durch das Wiesbadener Ordnungsamt politisch blockiert" worden sein, wäre dies "äußerst bedenklich und ein skandalöser Eingriff in die Arbeit der kommunalen Sicherheitsbehörden".

WICM-Geschäftsführer Michel hatte gegenüber der F.A.Z. am Dienstag mitgeteilt, dass ihm die Vorwürfe neu seien und er erstmals davon höre. Beim Wiesbadener Ordnungsamt sollen jedoch schon im April 2023 mehrere Mitarbeiter von dem Verdacht gewusst haben. Das sagt auch Andreas Rech, Gewerkschaftssekretär der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aus dem Bezirk Ruhr-West in Nordrhein-Westfalen, der sich am Donnerstag aufgrund der F.A.Z.-Berichterstattung meldete.

Auffälligkeiten bei der Überprüfung

Rech ist zuständig für das Bewachungsgewerbe und bezieht sich auf Unterlagen des Wiesbadener Ordnungsamtes, laut denen IDs und Namen der eingesetzten Wachleute überprüft worden seien. Er sagte: "Wenn ich die Bewacher-ID einer anderen Person zuweise, dann ist klar hinterlegt, dass diese Person nicht kontrolliert wurde. Das ist, als würde ich jemandem einen falschen Personalausweis in die Hand drücken."

Dies sei aus Sicherheitsaspekten "hochdramatisch", denn damit werde das gesamte System unterlaufen. "Ich habe eine Liste von Personen, deren Überprüfungsergebnisse mir vorliegen und dort stehen Passagen wie: Person ist nicht im Bewacherregister registriert/Die Bewacher-ID ist von einer völlig anderen Person."

Für Rech steht fest: "Wenn man feststellt, dass die Staatsanwaltschaft zu den gleichen Schlüssen kommt, dann ist das einer der größten Skandale, die wir in der Sicherheitsbranche je erlebt haben."

Die Freien Wähler Wiesbaden fordern nun die Freistellung von Michel und Rottloff. "Es ist ein Unding, Wachpersonen ohne Zulassung und Überprüfung zum Schutz von Veranstaltungen einzusetzen", sagte Wolfgang Behrens. "Damit öffnet man für Terroristen, Kriminelle und Extremisten das Tor für Anschläge und kriminelle Handlungen."

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Behrens attackierte zudem Hinninger: "Nach den uns vorliegenden Informationen war die zuständige Dezernentin Hinninger über diese Zustände bereits seit über einem Jahr informiert und hat nichts unternommen."  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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