Fußball gucken mit...: Gregor Schubert guckt Fußball mit Begeisterung wegen der Inszenierung und auch neidisch wegen der LED-Großleinwände.

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Der künstlerische Leiter des Lichter Filmfests hält sich aber nicht für einen der 80 Millionen Bundestrainer.

Mit seiner Tochter hat Gregor Maria Schubert kürzlich den Fernsehfußball wieder für sich entdeckt. "Die Sportschau gehört als Ritual mittlerweile dazu, nicht jeden Samstag, aber immer, wenn es passt. Wir diskutieren über den Fußball, aber mehr eigentlich über das Outfit der Moderatorin", erzählt er. Das sei meist deutlich schlechter als das lockere Auftreten vor der Kamera. Aber bei der EM findet die Siebenjährige die Moderatorinnen meistens besser als den Fußball.

Dieses Urteil wird beim ersten Achtelfinalspiel des Montags bestätigt: Am Ende setzt sich französischer Minimalismus gegen belgische Mutlosigkeit durch, dank eines abgefälschten Schusses von Randal Kolo Muani. "Immerhin ein Ex-Frankfurter", sagt Schubert. Er hält zu Frankreich, weil seine Frau Französin ist – und die Tochter somit Halbfranzösin. Entsprechend begeistert er sich für seine Fanartikel-Kopfbedeckung, einen gallischen Hahn in den Farben der Trikolore.

EM hat ihn wieder mit dem Fußball versöhnt

Schubert ist Künstlerischer Leiter des Lichter Filmfests und eine Institution in der Frankfurter Filmemacherszene. Entsprechend blickt er auf die Fanzone mit einem eigenen Blick. "Natürlich mit etwas Neid, weil es großartig wäre, wenn wir mal zehn solche Leinwände für ein Festival oder auch unser anstehendes Freiluftkino bekommen könnten", sagt er. "Aber ich finde es komplett richtig, dass Frankfurt da so groß denkt. Wenn man eine Fanzone und das Theater rund um die EM will, dann richtig. Wir müssen Europa feiern, weil Europa in seiner heutigen Form einfach gut ist, auch wenn schockierend ist, wie europafeindlich derzeit in Frankreich oder auch Deutschland gewählt wird."

Den 53 Jahre alten gebürtigen Rüsselsheimer mit fußballerischer Vergangenheit bei den Mainzer Fort-Elisabeth-Kickern hat die EM auch wegen der Fanzone wieder mit dem ganz großen Fußball versöhnt. Die Turniere in Russland und Qatar hat er unter anderem wegen der Menschenrechtsfragen ignoriert. "Ich hatte Fußball jahrelang nur in der Zeitung verfolgt. Buchstaben haben bei mir den Ball im Kopf zum Rollen gebracht und Tore im Hirn entstehen lassen", sagt Schubert. "Das war eine interessante Erfahrung. Jetzt beim Comeback vorm Bildschirm habe ich aber Spaß." Die Leistungen, die gerade auf dem Rasen gezeigt werden, schmälern die Freude nicht. "Ich bin ja keiner der 80 Millionen Bundestrainer. Deshalb zählt meine Einschätzung eh nicht, dass weder die beiden Teams hier noch Deutschland eine Chance gegen Spanien haben."

Kultur ist wichtiger als Sport

Den Publikumszuspruch in der Fanzone hält Schubert auch für sein Filmfest für möglich. "Diese Kulisse am Main zieht ja Menschen an, und hier ist bei Frankreich gegen Belgien jetzt viel los, aber es ist nicht supervoll", sagt er. "Und dabei handelt es sich, wenn ich in der Sprache des Films spreche, um einen Klassiker, das würde ich mit ‚Stirb langsam‘ vergleichen." Der Titel erweist sich im Übrigen später für Belgien als bemerkenswert zutreffend. "Das Endspiel am 14. Juli und die Deutschlandspiele sind dann absolute Blockbuster wie ‚Barbie‘." Was das für den Verlauf des Endspiels bedeuten mag?

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"Barbie" läuft übrigens im Freiluftkino, das Schubert mit Kollegen am Donnerstag im Hof des Alten Polizeipräsidiums eröffnet – mit Filmen "vom "Qualifikationsspiel zweier Außenseiter bis zum Endspiel eines großen Turniers", wie er es ausdrückt. Der Gegenpol aus der Kultur sei wichtig. Auch bei seinen Veranstaltungen kämen in Summe 30.000 Menschen zusammen und würden wichtige Impulse für die Gesellschaft mit nach Hause nehmen. "So selbstbewusst bin ich als Kulturschaffender, dass ich dem mehr Wert gebe als dem Sport. Fußball ist Opium für das Volk, Kultur ist aber der Kitt unserer Gesellschaft." Sagt Schubert und eilt dann davon, um sein Freiluftkino aufzubauen. Der Kitt will gut angerührt sein.

Alle Informationen zum Freiluftkino gibt es hier.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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