Unternehmertag in Wiesbaden: In Wiesbaden sind drei vorbildliche Unternehmen ausgezeichnet worden. Begleitet wurde die Preisverleihung von Kritik an der Wirtschaftspolitik der Ampel-Koalition.
Feierlaune sieht anders aus. Anlässlich der Auszeichnung von drei Unternehmen als Hessen-Champions am Dienstagabend präsentierte die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände (VhU) eine "Mängelliste", die von der bröckelnden Infrastruktur bis zur Sozialpolitik reichte: "Unsere Sozialversicherungen sind so sanierungsbedürftig wie die Brücken, nur noch teurer", sagte VhU-Präsident Wolf Matthias Mang als Gastgeber des Hessischen Unternehmertags, an dem auch die Preisverleihung stattfand.
Zur Kritik am Zustand der Brücken passt, dass unter den frisch gekürten Hessen-Champions ein Spezialist für die Instandhaltung von Betonbauwerken ist: Die Technische Oberflächen Management (T.O.M.) GmbH aus Hattersheim wurde als "Jobmotor" ausgezeichnet. In der Kategorie "Weltmarktführer" trug der Arzneimittelhersteller Engelhard den Sieg davon, er exportiert den Hustensaft Prospan von Niederdorfelden aus in rund 100 Länder. Der Preis in der Kategorie "Innovation" ging an das Frankfurter Fintech Tradias, das institutionellen Investoren den Handel mit digitalen Vermögenswerten wie Krypto-Währungen erleichtern will.
Rhein kritisch gegenüber Unicredit
Auch am Finanzplatz gebe es Anlass zur Sorge, hob Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) in seiner Ansprache an die rund 1200 Gäste des Unternehmertags hervor. Eine Übernahme der Commerzbank durch das italienische Geldhaus Unicredit brächte nach Einschätzung Rheins Nachteile für deutsche Unternehmenskunden, weil etwa über große Kredite dann möglicherweise in Italien entschieden würde. "Der Finanzplatz braucht Stabilität und Stärke und keinen Schlussverkauf", sagte der Ministerpräsident.
Auf die Frage von Moderatorin Corinna Egerer, inwieweit das von Rhein angekündigte "Finanzplatzkabinett" dazu beitragen könne, erläuterte der CDU-Politiker, in dem Gremium solle mit Akteuren aus der Finanzbranche nach Lösungen gesucht werden. "Ich möchte Anregungen aufnehmen und Diskussionen darüber führen: Was können wir auf Landesebene tun, was müssen wir als Land auf der Bundesebene voranbringen, was in Brüssel."
VhU-Präsident Mang hatte zuvor mit Blick auf die EU-Kommission und den Bund über zu viel Bürokratie geklagt: "Die Entscheider in Brüssel und Berlin haben vor lauter Regulieren das Regieren vergessen." Angesichts der vielen Auflagen, die nicht zuletzt mit dem Kampf gegen den Klimawandel begründet würden, drohe Europa "das Freilichtmuseum für Industriekultur zwischen Asien und den USA" zu werden, "grün und arm". Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (SPD) forderte mit Blick auf den von Volkswagen und Zulieferern wie Continental angekündigten Stellenabbau: "Wir wollen, dass Hessen ein Autoland bleibt."
Rhein: Schlusslicht beim Wachstum
Ministerpräsident Rhein kritisierte mit Blick auf die Autobranche das für 2035 geplante Verbrenner-Aus und, bezogen auf Deutschland, die Steuerlast für Unternehmen. "Wir sind Spitze bei den Belastungen, und wir sind Schlusslicht beim Wachstum, und das müssen wir jetzt umdrehen", sagte er unter großem Applaus. Vom Bund forderte Rhein unter anderem eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags für Unternehmen.
Mit Blick auf die Forderungen nach Bürokratieabbau gab der Ministerpräsident zu bedenken, die Vorschriften gingen nicht allein auf die Politik, sondern auch auf das in der Gesellschaft insgesamt verbreitete Streben nach klaren Regeln und Sicherheit zurück. "Wir Deutschen mögen gerne Vollkasko", sagte Rhein und forderte einen "Mentalitätswandel". Als konkretes Beispiel für Bürokratieabbau nannte er das Vorhaben der Landesregierung, die Zuwanderung von Fachkräften durch die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle für Bewerber aus dem Ausland wie auch für Arbeitgeber zu vereinfachen.
Wie Unternehmen selbst ganz praktisch zur Integration ausländischer Fachkräfte beitragen können, zeigt das Beispiel des Hessen-Champions T.O.M.: Er bietet seinen ausländischen Mitarbeitern jeden Freitagnachmittag Deutschkurse an. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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