Puppe baumelt am Mast: Am Kerbebaum in Mörfelden-Walldorf soll eine Puppe mit der Aufschrift "Bündnis 90 die Grünen" verbrannt werden. Die Partei erstattet Anzeige. Der Magistrat verurteilt die Aktion.

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Die Kerb in Mörfelden im Kreis Groß-Gerau ist ein Fest mit vielen Traditionen. Dazu gehört der Kerwebaum, an dem oben eine Puppe baumelt, die nach der Kerb verbrannt wird. Dazu gehört auch der Kerweumzug und der Zug der Kerweborsch am Kerwemontag durch die örtlichen Kneipen. Doch dieses Jahr ist das Volksfest aus dem Ruder gelaufen. Die Grünen haben Anzeige gegen Unbekannt erstattet.

In Mörfelden-Walldorf steht im nächsten Jahr die Bürgermeisterwahl an. Der Wahlkampf hat schon im Rathaus zu einer deutlichen Abkühlung des politischen Klimas geführt, denn Bürgermeister Thomas Winkler (Die Grünen) und sein Erster Stadtrat Karsten Groß (CDU) treten beide als Bürgermeisterkandidaten an.

Dass nun am Kerwebaum eine Kerwepuppe baumelte, die auf ihrem T-Shirt "Bündnis 90/Die Grünen" stehen hatte, empört nicht nur die Betroffenen im politischen Lager, sondern auch ein Teil der Bevölkerung. Beim Aufstellen des Kerwebaums und beim Anbringen der Puppe wurde aus dem Publikum gerufen: "Sollen sie hängen, die Penner." Die Grünen sehen darin einen Gewaltaufruf und haben Anzeige erstattet. Gerade in den Kommunen würden solche Aktionen Menschen davon abhalten, sich ehrenamtlich in der Politik zu engagieren. Wer sich bedroht fühle, überlege sich gründlich, ob er ein politischees Amt annehmen oder sich in der Stadtverordnetenversammlung engagieren wolle, heißt es in einer Erklärung der Grünen.

Bürgermeister Winkler wollte die Angelegenheit zunächst sportlich nehmen, bis ihm klar wurde, dass die Kerwepuppe am Ende der Kerb verbrannt wird. Da sah er nach seinen Angaben eine Grenze überschritten: "Diesmal sollte ein Parteiname mitverbrannt werden", sagt Winkler. Er sei von vielen Besuchern wegen des Schriftzugs auf der Puppe angesprochen worden. Sie hätten klargestellt, das sie unter diesen Voraussetzungen nicht mehr auf die Kerb gehen werden. Winkler hat die Kerweborsch kritisiert, er fühlte sich dabei aber nach seinen Angaben nicht ernst genommen.

Bürgermeister übersprüht Schriftzug

Am Montag war die Kerweborsch-Aktion dann auch Thema im Magistrat, der dazu einen Beschluss gefasst hat. Darin heißt es: "Der Magistrat der Stadt Mörfelden-Walldorf verurteilt das Aufhängen und das geplante öffentliche Verbrennen der Kerwe-Bopp mit der Beschriftung Bündnis 90/Die Grünen. Gegen das traditionelle Verbrennen der Kerwe-Bopp ist nichts einzuwenden, solange diese keine Beschriftung und Symbole von Personen und/oder Organisationen trägt. In der heutigen Zeit mit der sehr starken Polarisierung von Meinungen und dem Mangel an konstruktiven Gesprächen droht das Verbrennen der beschrifteten Puppe zu einer weiteren Spaltung bzw. Radikalisierung der Bürger unserer Stadt zu führen".

Unmittelbar nach dem Beschluss des Magistrats machte sich der Bürgermeister zum Dalles in Mörfelden auf, diskutierte dort mit den Kerweburschen und übersprühte schließlich den Schriftzug auf der Puppe. Der Vorsitzende des Kerwevereins hatte schon zuvor angeboten, vor dem Verbrennen der Puppe den Schriftzug unkenntlich zu machen. Um weiteren Unmut unter den Bürgern zu verhindern, habe er den Schriftzug sofort übersprüht, sagte der Bürgermeister.

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Schon kurz nach dieser Aktion seien Beleidigungen in den sozialen Netzwerken zu lesen gewesen, berichtet Winkler. Er mache sich große Sorgen um das politische Klima in der Stadt. In der Vergangenheit seien bei Fahrzeugen von örtlichen Kommunalpolitikern schon Reifen zerstochen worden, bei anderen hätten tote Tiere vor der Haustür gelegen. Winkler will nach der Kerb das Gespräch mit dem Kerweborschverein suchen. Ergebnis offen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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