Kirchenmusik heute: Christian Pfeifer pflegt als Kantor der Bergkirche Wiesbaden eine hochwertige Konzertreihe. Seine Aufgabe sieht er in der "Vermittlung zwischen Himmel und Erde".
Gefragt, welche Funktion Kirchenmusik für ihn habe, antwortet Christian Pfeifer nach kurzem Überlegen: "Es ist die privilegierte Möglichkeit, zwischen Himmel und Erde zu vermitteln." Mit den jährlich etwa 15 Konzerten der angesehenen Kirchenmusikreihe in der Wiesbadener Bergkirche nutzt er als Kantor und Organisator diese Möglichkeit mit klug disponierten Programmen reichlich. Es muss dabei nicht immer Kirchenmusik sein, die in der 1879 in historistischem neugotischen Stil errichteten, prunkvoll ausgestatteten Kirche erklingt. Auch weltliche Kammermusik ist zu hören, mit einem Schwerpunkt auf Alter Musik, für die Pfeifer als Spezialist für historische Aufführungspraxis ein Faible hat. Mit seinem Barockensemble Incontro tritt er in der Reihe auch selbst auf. Daneben spielt er im Barockensemble Mattiacis, das häufig im Staatstheater Wiesbaden Opernraritäten vorstellt: "Da geht es um Liebe und Schmerz, aber selbst da ist ein transzendenter Anteil zu spüren", sagt Pfeifer.
Dahinter scheint ein hoher, immer ganz auf die Menschen bezogener Anspruch durch, den Pfeifer an die Musik und an sich selbst stellt, wie im Gespräch mit ihm schnell deutlich wird. In der "schönsten Musizierkirche Wiesbadens", wie er die Bergkirche nennt, "weil sie einen tragenden Klang hat, ohne an Transparenz einzubüßen", hat er seine Lebensstellung gefunden. Seit 31 Jahren ist er hier als Kantor tätig und hat mit seiner Kantorei im Laufe der Jahre von der h-Moll-Messe bis zur Matthäuspassion Bachs viele aufwendige Werke zur Aufführung gebracht. Für die noch größeren romantischen Werke wie Mendelssohns Oratorium "Paulus" reichten die Möglichkeiten der Kantorei und die bei Konzerten etwa 450 Plätze der Kirche leider nicht. "Aber das Brahms-Requiem haben wir immerhin in einer Kammermusik-Fassung gebracht", sagt Pfeifer.
Pressemitteilungen schreiben und Budgets planen
Geboren in der Nähe von Dillenburg im Lahn-Dill-Kreis, beschreibt Pfeifer seine frühe Prägung durch die Kirchenmusik in ländlicher Umgebung als sehr positiv. Er sei in einer musikalischen Familie groß geworden. Es ging dabei nicht um professionelles, sondern um kirchliches Laienmusizieren, "etwa im Posaunenchor". Schon in seiner Gymnasialzeit kam er in Kontakt mit Wolfgang Schult, dem Leiter der Jugendkantorei Dillenburg: "Durch ihn bin ich zur Musik gekommen. Es war eine Sternstunde meiner Jugendzeit, als ich so zum ersten Mal professionelle Kirchenmusik erleben durfte." Schult organisierte Konzerte und Opernbesuche in Frankfurt, Pfeifer sang bei ihm im Chor und spielte bald auch Orgel. Er studierte in Heidelberg Kirchenmusik und arbeitete danach als Assistent des Landeskantors in Mannheim, ehe er 1993 an die Bergkirche wechselte.
Die Praxisarbeit als Assistent sei hilfreich gewesen, sagt Pfeifer. Denn das Studium sei sehr künstlerisch ausgelegt, wie man aber etwa als Kantor eine Konzertreihe organisiere, lerne man nicht: "Wir sind zu 50 Prozent Kulturmanager", beschreibt Pfeifer dabei seine Arbeit. "Meinem Praktikanten zeige ich deshalb zum Beispiel, wie man eine Pressemitteilung schreibt, wie man eine Jahresplanung für das Budget macht, wie man Anträge stellt oder wie man seine Musikerdateien verwaltet."
Schärfster Einschnitt war Corona-Pandemie
Was hat sich in den vergangenen 30 Jahren in der Arbeit eines Kantors verändert? "Die Anzahl der Dienste ist geringer geworden", antwortet Pfeifer, "als ich hier anfing, gab es drei Pfarrer, die alle eifrig ihre Gottesdienste feierten. Jetzt sind es nur noch anderthalb Stellen." Der schärfste Einschnitt sei allerdings die Corona-Pandemie gewesen: "Wir haben aber auch da immer gemacht, was ging."
Was Pfeifers Arbeit besonders auszeichnet, ist sein Einsatz für selten aufgeführtes, hochwertiges Repertoire. Ein gutes Beispiel dafür gibt nun die Wiesbadener Erstaufführung des Requiems f-Moll von Heinrich Ignaz Franz Biber. Pfeifer kam auf diese Idee durch die zyklische Aufführung aller 15 Rosenkranz-Sonaten des Salzburger Barockmeisters durch seine Ensemblekollegin, die Barockviolinistin Julia Huber. Biber habe auch "viele aufwendige und groß besetzte Sachen" komponiert. Pfeifer suchte nach "etwas, was realisierbar ist". Das ausgewählte Requiem fordert allerdings sehr ungewöhnlich drei Posaunen. In der Bergkirche werden Spezialisten auf eng mensurierten Barockinstrumenten spielen: "Eine solche Posaune kann mit einer Solovioline zusammenspielen, ohne sie zu übertönen", sagt der Kantor und Experte für historische Aufführungspraxis. Die Kosten für so ein großes Konzert belaufen sich auf 8000 Euro. Das kann durch den Kartenverkauf nicht eingespielt werden. Deshalb bemüht sich der Kantor stets um Spenden und Zuschüsse.
Die Kantorei der Bergkirche Wiesbaden führt dort am 16. November von 19.30 Uhr an das Requiem f-Moll von Heinrich Ignaz Franz Biber auf. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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