Geänderte Verordnung: Das Land Hessen ändert die Zuständigkeit in der Frage, wer Waffenverbotszonen verfügen darf.
Das wirkt sich auf das schwebende Verfahren zur Stadt Gießen aus: Der Kreis hat weiteren Klärungsbedarf.
Seit Monaten befasst sich die Waffenbehörde beim Landkreis mit dem Für und Wider einer Waffenverbotszone in der Stadt Gießen. Aufgrund der durch das Sicherheitspaket des Bundes unvermittelt geänderten Rechtslage stoppte die Landrätin das Verfahren. Denn Anita Schneider (SPD) sah ihre Behörde plötzlich nicht mehr zuständig. Der von ihr im Juli im Gespräch mit der F.A.Z. in Aussicht gestellte Beschluss bis Jahresende geriet in Gefahr. Schneider erhoffte sich Klarheit durch eine neue Verordnung des Landes, die dem Landkreis wieder die Zuständigkeit übertragen sollte. Diese Verordnung liegt seit 12. Dezember vor – doch zieht sie neue Fragen nach sich. Die Landrätin kann aus ihrer Sicht den Fall nicht entscheiden.
Der Grund: Das Innenministerium gesteht zwar den kreisfreien Städten und den Landkreisen wieder die Kompetenz zu, Waffenverbotszonen einzurichten. Neuerdings gilt dies aber auch für die Sonderstatusstädte in Hessen. Zu ihnen zählt außer Bad Homburg, Fulda, Hanau, Marburg, Rüsselsheim und Wetzlar auch Gießen. Solche Städte erfüllen neben den Aufgaben einer Gemeinde zusätzlich den sonst Kreisen obliegende Funktionen, etwa die Schulträgerschaft oder auch die Bauaufsicht. Waffenbehörden gehören aber bisher nicht dazu.
Polizei berichtet von gesunkenen Hemmschwellen
Wer sich den Aufbau der Gießener Verwaltung ansieht, findet keine Waffenbehörde. Einzig der Eintrag " des Waffengebrauchs während des Wachdienstes" erscheint unter den Aufgaben des Ordnungsamts. Mithin verfügt die Stadt gemessen an ihrem Organigramm nicht über ausgewiesene Kompetenzen, um über die Einrichtung einer Waffenverbotszone auf ihrem Gebiet zu entscheiden. Das Ministerium meint jedoch, die neue Regel "ist sachgerecht, da die nunmehr zuständigen Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit am besten einschätzen können, in welchen Bereichen Waffenverbotszonen geeignet und erforderlich sind".
Die Änderung der Zuständigkeit ist der Stadt ebenso wie dem Landkreis bekannt. Es habe dazu auch schon Gespräche gegeben, teilt eine Sprecherin im Rathaus mit. Gleiches verlautet aus Wiesbaden dazu. Näheres steht dahin. Aber nicht nur die Stadtverwaltung befindet sich in Gesprächen angesichts der neuen Lage. Landrätin Schneider hat sich nach den Worten ihres Sprechers umgehend nach Bekanntgabe der Verordnung an das Innenministerium gewandt und erhofft sich eine Klärung zum Fortgang des Verfahrens. In den vergangenen Monaten hat sich die Waffenbehörde mit der Stadt und der Polizei ausgetauscht und im Rathaus zusätzliche Daten angefragt. Sollte der Landkreis im Fall Gießen nicht entscheiden dürfen, könnte monatelange Arbeit vergebens gewesen zu sein.
Zu den Befürwortern eines Waffenverbots in der Innenstadt zählt außer der Polizei die städtische CDU. Der Gießener Polizeipräsident Torsten Krückemeier meint, niemand müsse nachts mit einem Messer durch die Stadt laufen. Zudem ermutige ein Messer im Zweifel erst zu einem Streit, den es ohne Waffe gar nicht gäbe. "Wir beobachten, dass die Hemmschwellen gesunken sind, in bestimmten Situationen ein Messer auch als Stichwaffe einzusetzen. Wenn es eine Verbotszone gibt, kommen viele vielleicht gar nicht erst auf die Idee, ein Messer mitzunehmen", sagte Krückemeier der F.A.Z.
Baseballschläger werden nicht erfasst
Nicht erlaubt wären in einer Verbotszone neuerdings Messer aller Art und nicht nur solche mit einer bestimmten Klingenlänge. "Nicht erfasst von einer Verbotszone wären etwa Baseballschläger oder -stöcke, diese würden in andere Rechtsnormen fallen", gibt Schneider zu bedenken. Überdies könne eine Verbotszone nur ein Baustein eines Sicherheitskonzepts sein. Ohne Kontrollen hätte es nur Symbolcharakter, meint sie.
Anlass für die Diskussion um Für und Wider ist eine Reihe von Straftaten in der Innenstadt und am Bahnhof gewesen, bei denen Menschen mit Messern schwer verletzt wurden. Regelmäßig meldet die Polizei solche Vorfälle. Um ihnen zu begegnen, haben Polizisten im Verlauf des Frühherbstes in der Innenstadt mehrfach Männer und Frauen kontrolliert und Messer eingezogen. © Frankfurter Allgemeine Zeitung
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