Stoltze-Preis für Eva Demski: Schriftstellerin Eva Demski hat sich Frankfurt als Heimat "erstritten, erliebt, erschrieben".

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Demskis Ehrung mit dem Stoltze-Preis wird im Frankfurter Kaisersaal zur Erklärung von Liebe und Freiheit.

Ist je eine Preisverleihung im Römer so liebevoll umrahmt worden? Im Foyer des Kaisersaals waren fünfzig Objekte aus dem Leben der Stoltze-Preisträgerin ausgestellt, kommentiert von ihrer Autobiographie. Etwa ein Paar Schuhe Größe 36, wie sie Eva Demskis Großmutter getragen hatte. Authentisch? Nein, Wolfgang Schopf, Leiter des Literaturarchivs der Goethe-Universität, hat sie dazugekauft.

Aber das Foto von dem Studenten Reiner Demski, dem 1974 verstorbenen Ehemann der preisgekürten Frankfurter Schriftstellerin, ist echt. Auch das Bild ihrer Mutter und das Foto in Gesellschaft der Schriftsteller Joseph Breitbach und Herbert Heckmann, bis 1996 auch Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, sind authentisch.

Die Gäste, die um die Stehtische wuselten, kannten sich. Es war ein Stelldichein der Frankfurter Prominenz, die ihre "Frankfurter Stimme" ehren wollte: Carlo Giersch mit Frau, Opernintendant Bernd Loebe und Volksbühnenprinzipal Michael Quast, Verleger Vittorio Klostermann und Autor Andreas Maier, Hirnforscher Wolf Singer und Stadthistoriker Hans-Otto Schembs, Altbürgermeisterin Jutta Ebeling (Die Grünen) und Michael Herl vom Stalburg Theater, Sonja Vandenrath, Literaturreferentin der Stadt, und Stephanie Tyszak, Witwe von Suhrkamps Cheflektor Raimund Fellinger. Petra Breitkreuz natürlich, lange Jahre verantwortlich für das Stoltze-Museum der Sparkasse. Dazwischen Ulrike Schiedermair, die als wandelnde Theater- und Kulturkatalysatorin ohnehin alle Frankfurter Kulturprominenten kennt.

Mit scharfem Seziermesser und spitzer Feder

Alle zwei Jahre wird der mit 5000 Euro dotierte Stoltze-Preis von der Stiftung der Frankfurter Sparkasse und der Stiftung Giersch an Künstler vergeben, die sich wie der Frankfurter Satiriker Friedrich Stoltze (1816 bis 1891) für Freiheit und Demokratie in Frankfurt engagiert haben. Ingo Wiedemeier, Vorsitzender der Frankfurter Sparkasse, verriet, dass sich die Jury schnell einig war.

Doch Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) schloss ihre Begrüßungsrede mit den kritischen Worten: "Es wurde höchste Zeit." Als "Freidenkerin", wie Hartwig die Preisträgerin titulierte, hätte Demski den Preis tatsächlich früher verdient, als "große Stilistin" ohnehin. Denn: "In ihren Romanen hat Eva Demski Frankfurt in die Literaturgeschichte eingeschrieben", so Hartwig. Mit scharfem Seziermesser und spitzer Feder.

Die Dezernentin erinnerte auch an das Engagement dieser "Zeitgeistverzweifelten" für Frankfurts jüdische Tradition. Unvergessen ist, wie die Schriftstellerin 1987 dem damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffman den Handschlag verweigerte, weil er die Überreste der historischen Judengasse von den Stadtwerken überbauen lassen wollte. Demski liebe Frankfurt nach eigenen Worten "wie einen hässlichen Hund", sagte Hartwig, was Wiedemeier in seiner Rede ebenfalls aufnahm.

Wehrhaft gegen Pathos und Nationalismus

Die Liebe zu Fauna und Flora verbinde die Preisträgerin mit dem Taubenzüchter Stoltze. Ihre Liebe zu Frankfurt wiederum machte Demski in ihrer Dankesrede zum Leitmotiv, aber die Blattläuse schloss die Hobbygärtnerin und Verfasserin zweier Gartenbücher aus ihrer Tierliebe aus.

Ihren Willen zur Freiheit würdigte auch Laudator Wolfgang Schopf und zitierte dafür Stoltze: "Von Freiheit muss ich immer singen / So lang mein Herz noch fühlt und strebt. / Nach Freiheit muss ich immer ringen / Nach Freiheit, bis man mich begräbt." Dessen "Eingeborenen-Romantik" habe Demski allerdings den Begriff des "Entscheidungsfrankfurters" entgegengehalten.

Schopf entwickelte diesen zum Begriff des "Handlungsfrankfurters" weiter, der "durch eigenes Handeln seine Umgebung in ein gesellschaftliches Milieu zu verwandeln" verstehe, "in dem die Bestätigung aus dem Widerspruch erwächst". Demski habe ihre "dekontaminierte Heimat Frankfurt erstritten, erliebt, erschrieben".

In ihrer Dankesrede erinnerte sich die Preisträgerin daran, dass die "Göttin Freiheit" sie schon "als kleines Mädchen an ihrem Fädchen" gehalten habe: "Die Freiheit muss man schützen." Nirgendwo sei man in schwierigen Zeiten besser aufgehoben als auf der "Insel Frankfurt" mit ihrer Wehrhaftigkeit gegen Pathos und Nationalismus.

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Demski bedauerte, dass so viele ihrer Freunde krankheitsbedingt nicht kommen konnten, und erinnerte an zwei jüngst Verstorbene dieses Kreises, den einstigen Zoodirektor Manfred Niekisch und Ehrenbürger Friedrich von Metzler. Entsprechend verhalten strichen Christoph Lamprecht und Johannes Wendel auf Cello und Violine eine Sonate von Maurice Ravel.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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