Minister sieht Handlungsbedarf: Wie Gießen darf die andere Uni-Stadt an der Lahn neuerdings selbst eine Verbotszone schaffen.

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Das neue Recht ändert jedoch nichts an der Haltung im Rathaus. Marburg verfolgt derweil eigene Ideen.

Vor wenigen Tagen hat Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) unter anderem Gießen und Marburg überraschend mit einem neuen Recht ausgestattet. Diese Sonderstatusstädte können fortan selbst entscheiden, ob sie eine Waffenverbotszone haben wollen oder nicht. Gleiches gilt für Bad Homburg, Fulda, Hanau, Rüsselsheim und Wetzlar. Zuvor lag diese Kompetenz nur bei den Landkreisen und den kreisfreien Städten wie Frankfurt und Wiesbaden.

Das Innenministerium hat mit der Neuregelung auf das Sicherheitspaket des Bundes reagiert. Der Bund ordnete einige Vorschriften im Waffenrechts anders. In der Folge sah zum Beispiel die Gießener Landrätin Anita Schneider (SPD), deren Fachleute sich seit Monaten mit dem Für und Wider einer Waffenverbotszone in der Universitätsstadt beschäftigen, unvermittelt ihre Hände gebunden und wandte sich an das Land. "Wir gewährleisten mit den neuen Zuständigkeiten ein Höchstmaß an Sicherheit", sagt Poseck.

Darf der Magistrat über Waffenverbot entscheiden?

Die Reaktionen aus Gießen und dem Rathaus in Marburg auf die Neuregelung aus dem Innenministerium klingen allerdings verhalten. Der Gießener Magistrat will etwa wissen, ob er die Frage allein entscheiden könne oder ein Beschluss der Stadtverordneten notwendig sei. Für die Landrätin stellt sich die Frage, was aus der von ihrer Waffenbehörde in das Verfahren gesteckten Arbeit wird; so hat sie etwa mehrfach sachdienliche Daten bei der Polizei abgefragt. Die Stadt Marburg hat schon im Sommer verdeutlicht, dem anhaltenden Drängen der Polizei nicht nachzugeben und eine Waffenverbotszone abzulehnen. Poseck ließ allerdings Mitte Dezember wissen, er sehe in größeren Städten wie Gießen und Marburg "weitere Handlungsbedarfe".

Angesichts der neuen Rechtslage teilt eine Sprecherin mit: "Die Universitätsstadt Marburg begrüßt es immer, wenn die Rolle der Sonderstatusstädte gestärkt wird." Durch die neue Verordnung des Landes zur Ausweisung von Waffenverbotszonen ändere sich aber für die Stadt nichts. Sie unterhalte in diesen Fragen ohnehin eine sehr enge und konstruktive Kooperation mit dem Landkreis Marburg Biedenkopf.

"Nein" lautet denn auch die Antwort aus dem Rathaus auf die Frage, ob die Stadt eine Waffenverbotszone als notwendig erachte. Die Verwaltung habe das Für und Wider intensiv geprüft. "Dazu haben wir die detaillierten Daten der polizeilichen Kriminalstatistik, vorliegende Auswertungen anderer Städte sowie umfangreiche externe wissenschaftliche Expertise zu Nutzen und Risiken einer Waffenverbotszone zu Rate gezogen. Das Ergebnis ist, dass unserer Auffassung nach eine Waffenverbotszone Marburg weder sicherer machen noch das Sicherheitsgefühl erhöhen kann." Gleichzeitig sehe die Stadt erhebliche rechtsstaatliche Risiken.

Die Sprecherin verweist außerdem auf die durch das Sicherheitspaket des Bundes neuerdings automatisch geltenden Waffenverbotszonen bei Volksfesten und größeren Menschenansammlungen. Dadurch gebe es auch keine Notwendigkeit mehr, in Marburg zusätzlich noch eine temporäre Verbotszone zu schaffen. Überdies arbeite die Stadtverwaltung in enger Zusammenarbeit mit Experten der Philipps-Universität systematisch daran, den Schutz der heimischen Bevölkerung zu verbessern.

Junge Marburger als "freundliche Uffbasser"

Aus dieser Zusammenarbeit ist eine von der Stadtverordnetenversammlung entstandene Gesamtstrategie entstanden. Demnach soll die Innenstadt in den dunklen Stunden besser beleuchtet werden. Zentrale Plätze, darunter der Hauptbahnhof, sollen mit Videokameras überwacht werden, lautet eine Vorgabe. Ob dies so kommt, wird demnach geprüft.

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Eine Innenstadtwache der Ordnungspolizei gehört ebenfalls zum Konzept, derzeit sucht die Verwaltung noch einen Standort, wie es heißt. Unabhängig davon sei die Stadtpolizei nachts stärker als früher im Straßenbild vertreten. Künftig wird sie über einen Diensthund verfügen. Zudem will die Stadt nachts den Verkauf von Alkohol einschränken – zumindest an nicht näher benannten "neuralgischen Punkten". Stadtbusfahrer sollen trainiert werden, um besser als bisher mit aggressiven Fahrgästen umgehen zu können. Begleitend dazu gibt es den Vorschlag, junge Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren als "freundliche Uffbasser" zu schulen, wie sie einen Streit schlichten können.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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