Gutenberg-Museum in Mainz: Eine schwere Geburt: Nach langer Vorbereitungszeit beginnt in Mainz die Umgestaltung des Gutenberg-Museums. Doch zunächst dürfen sich die Archäologen umschauen.

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Vom großen Wurf spricht heute niemand mehr. Den haben die Bürger der Stadt verhindert, noch ehe auch nur ein erster Stein für den ursprünglich einmal geplanten "Bibelturm" gesetzt worden war: Mit großer Mehrheit stimmten die Mainzer 2018 in einem Bürgerentscheid gegen die seinerzeit von der Stadt präferierten Pläne für die unstrittig notwendige Erweiterung des Gutenberg-Museums. Weil man das auf äußerst wackeligem Finanzfundament stehende Leuchtturmprojekt so nicht haben wollte, musste noch einmal nachgearbeitet werden.

Im zweiten Anlauf und nach einem weiteren Architektenwettbewerb wurde dann ein deutlich kleinteiligeres und eher zurückhaltend daherkommendes Konzept als Siegerentwurf gekürt. Nach den Vorstellungen des Stuttgarter Büros h4a Gessert + Randecker soll sich das Weltmuseum der Druckkunst, das zuletzt jedes Jahr etwa 150.000 Besucher anzulocken vermochte, in Zukunft als offenes Quartier präsentieren, das vor allem mit inneren Werten überzeugt: zum Beispiel mit einer unter der Decke des Hauptgebäudes schwebenden, aber begehbaren Schatzkammer, in der später einmal die beiden Original-Gutenberg-Bibeln gezeigt werden könnten.

Wann genau das sein wird, das lässt sich schwerlich vorhersagen. Irgendwann zwischen 2027 und 2029 mag das Gutenberg-Museum, das am ersten Oktober-Wochenende zum vorerst letzten Mal geöffnet hatte und nun übergangsweise im Naturhistorischen Museum unterkommt, wohl wieder an den alten Standort zurückkehren.

Lebenswerk des umtriebigen Buchdruckers

Der Zeitplan sei nicht zuletzt davon abhängig, was genau die Archäologen im Untergrund alles entdecken werden, wenn die Baugrube im Herzen der Altstadt erst einmal ausgehoben sei, sagte die zuständige Dezernentin, Marianne Grosse (SPD), kurz vor dem Umzug des über mehr als eine halbe Million Objekte verfügenden Druck- und Schriftmuseums, das nach dem im 15. Jahrhundert in Mainz lebenden Medienrevolutionär Johannes Gutenberg benannt ist.

Mit seiner Erfindung, für das Drucken bewegliche und entsprechend leicht auszutauschende Metalllettern zu verwenden, machte er es möglich, Informationen aller Art fortan schnell, günstig und massenhaft unter das Volk zu bringen. An den größten Sohn der Stadt, der von amerikanischen Journalisten 1999 zum "Mann des zweiten Jahrtausends" gewählt wurde, wird in Mainz nicht nur mit Denkmälern, Büsten und der jährlich im Juni zu erlebende Johannisnacht erinnert.

Tatsächlich haben engagierte Bürger den 500. Geburtstag Gutenbergs im Jahr 1900 zum Anlass genommen, ein Spezialmuseum aufzubauen, in dem das Lebenswerk des umtriebigen Buchdruckers gewürdigt, aber auch die Druckgeschichte als solche umfassend dargestellt werden sollten.

Luftig, transparent und einladend

Der in den Sechzigerjahren errichtete und nicht mehr zu sanierende "Schellbau", der bisher die zentrale Ausstellungshalle war, soll im Frühjahr abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt werden. Nach eingehender Prüfung haben sich die Verantwortlichen gegen den Umzug an einen anderen Standort und für die Umgestaltung des vertrauten Areals am Liebfrauenplatz entschieden. Dass es sich bei einer der größten Touristenattraktionen der Stadt genauer betrachtet um ein Konglomerat aus vier nicht so recht zueinanderpassenden Bauwerken handelt, macht die Sache nicht einfacher.

Neben dem bereits hergerichteten ehemaligen Stadtpalais "Zum Römischen Kaiser", in dem unter anderen die Verwaltung untergebracht war, gehören das von der Kommune erst vor Kurzem erworbene einstige Hotel "Zum Schwan" und der im Jahr 2000 hinzugefügte Erweiterungsbau für die Druckerwerkstatt zu dem Ensemble, das in Zukunft möglichst als ein stimmiges Museumsquartier wahrgenommen werden soll.

Außen wie innen verfolgt der vor gut zwei Jahren nach Mainz gewechselte Direktor, Ulf Sölter, dabei die Idee des "Dritten Ortes", also eines Museums, das Raum für Kultur, Bildung und Begegnung bieten soll: nicht vollgestopft, sondern luftig, transparent und einladend.

Rheinland-Pfalz beteiligt sich indirekt an den Baukosten

Für die große Umwandlung – also das eigentliche Bauvorhaben, das Erstellen eines szenografischen Konzepts und die bis auf Weiteres notwendige Unterbringung in einer eigens dafür hergerichteten ehemaligen Klosterkirche – wird inzwischen mit Kosten von mehr als 100 Millionen Euro gerechnet.

Beim "Bibelturm"- Vorhaben lag die grob geschätzte Investitionssumme nur bei einem Viertel dieses Betrags. Der Bund hat Ende September zwar zugesagt, die Hälfte der mit rund 15 Millionen Euro angegebenen Aufwendungen für neue Raum-, Design- und Ausstellungspläne zu übernehmen. Diese Förderung, die den Stellenwert des Gutenberg-Museums unterstreiche und der Stadt Rückenwind gebe, komme "im absolut richtigen Moment", ließ Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) wissen.

Bei der Frage, ob ein solches Weltmuseum nicht gar von nationaler Bedeutung sei, was dann ja auch zu einer möglichst dauerhaften finanziellen Unterstützung führen müsste, hält man sich in Berlin allerdings bedeckt. Eine gemeinsame Trägerschaft von Stadt und Land, wie es sie schon länger beim Staatstheater Mainz gibt, scheint dagegen durchaus auch für das Museum vorstellbar. An den Baukosten beteiligt sich Rheinland-Pfalz zumindest indirekt: nämlich durch Extrazuschüsse an die Landeshauptstadt.

Der Umzug an die Reichklarastraße, wo man in den nächsten drei bis fünf Jahren einen klar abgegrenzten Teil der zum Naturhistorischen Museum gehörenden Ausstellungsfläche nutzen darf, sei ein weiterer Meilenstein bei dem Jahrhundertprojekt, sagte Bau- und Kulturdezernentin Grosse. Neben den beiden Gutenberg-Bibeln, die auch dort ihren eigenen Tresorraum bekommen, sollen im Ausweichquartier, sobald denn alles ordentlich ein- und wieder ausgepackt ist, zudem andere Exponate präsentiert werden: vom kleinsten Buch der Welt bis hin zu schweren Druckmaschinen.

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Die Eröffnung der ersten Ausstellung am Interimsstandort ist unter der Überschrift "Gutenberg-Museum moved" bereits für den 22. November angekündigt. Auf unbestimmte Zeit haben Besucher danach die seltene Gelegenheit, sich im einzigen Mainzer Doppelmuseum einerseits mit Schrifttypen, Inkunabeln und selten schönen Druckerzeugnissen zu beschäftigen – und auf der anderen Seite nach versteinerten Amphibien, zig Millionen Jahre alten Urpferden und schon vor Langem ausgestorbenen Quaggas zu schauen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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