Illegales Autorennen: Im Oktober 2020 war eine unbeteiligte Fahrerin bei einem mutmaßlichen Autorennen auf der A 66 gestorben. Nun müssen sich zwei Sportwagenfahrer deswegen in Frankfurt vor Gericht verantworten.

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Es sah zunächst aus wie ein typischer Raserunfall: An einem Samstagmorgen im Oktober 2020 fahren auf der Autobahn 66 drei Sportwagenfahrer in Richtung Frankfurt. Sie überholen sich gegenseitig mit hoher Geschwindigkeit, ziehen mitunter auf der rechten Spur an anderen Autos vorbei. Bis plötzlich einer der Wagen, ein grüner Lamborghini, ins Schleudern gerät und gegen einen weißen Skoda stößt. Beide Autos fangen Feuer, die 71 Jahre alte Skoda-Fahrerin stirbt.

Das alles ist gut dokumentiert, weil die Sportwagenfahrer sich selbst gefilmt haben. Die Aufnahmen finden schnell den Weg ins Internet und in die Berichterstattung – und es dauert nicht lange, da sind auch die Fahrer ausfindig gemacht. Daraufhin wird laut nach harten Strafen gerufen, auch aus der Politik.

Fehler eines Opel-Fahrers führte zu Unfall

Vier Tage später zeigt sich, dass der Fall doch komplexer ist. Dass nicht einer der Sportwagenfahrer die Kontrolle über sein Auto verloren und dadurch den tödlichen Unfall herbeigeführt hat. Sondern dass ein Fehler eines vierten Autofahrers ursächlich war: Ein Video des Beifahrers des weißen Lamborghinis zeigt, wie ein Opel, ohne zu blinken, auf die linke Spur zieht und den grünen Lamborghini streift. Den Mordvorwurf gegen die drei Männer nimmt die Staatsanwaltschaft daraufhin zurück. Doch in den Kommentaren auf Navid F.s Profil entlädt sich der Hass bis heute. Denn viele halten ihn und die beiden anderen Sportwagenfahrer aufgrund ihrer Fahrweise für die eigentlichen Verursacher.

Von diesem Mittwoch an stehen zwei der Männer vor dem Landgericht Frankfurt: der 38 Jahre alte Ramsy A., Fahrer des weißen Lamborghinis, und Tim G., 30 Jahre alt und Fahrer des blauen Porsches. Ursprünglich war auch der Fahrer des grünen Lamborghinis in dem Verfahren angeklagt. Bei ihm handelt es sich um Navid F., der sich laut Gericht derzeit in Iran aufhält. Ende August musste der Prozessbeginn verschoben werden, weil F. bis dahin kein Visum erhielt. Wie die Vorsitzende Richterin am Mittwoch mitteilt, ist F. längere Zeit krankgeschrieben und kann auch den Flug nicht antreten. Das Verfahren gegen ihn wird deshalb nun abgetrennt.

Statt wegen Mordes müssen sich Ramsy A. und Tim G. nun wegen der Teilnahme an einem verbotenen Autorennen verantworten. Bei A. kommt daneben der schwerere Vorwurf des Autorennens mit Todesfolge hinzu. Den Schilderungen der Anklage nach spielte A. für den Verlauf eine zentrale Rolle: So soll sein "hochriskantes Fahrverhalten" die anderen beiden Fahrer dazu motiviert haben, ebenfalls "extreme Risiken" einzugehen.

Winkbewegung als folgenschweres Startsignal

Zudem sind die Ankläger davon überzeugt, dass A. auch das Startzeichen zu dem Rennen gegeben hat. Dies macht die Staatsanwaltschaft an einer Szene aus einer Videoaufnahme fest, die auch vor Gericht gezeigt wird: Zu sehen ist, wie Ramsy A. und Navid F. nebeneinander fahren. Dann schaut A. herüber, lacht und hebt die Hand zu einer Art Winkbewegung. Er habe, so die Staatsanwaltschaft, den Tod der Skoda-Fahrerin mittelbar verursacht und grob achtlos gehandelt, da er um die Gefährlichkeit seines Fahrverhaltens wusste.

Doch auch für Tim G. soll dies nun gelten, wenn es nach dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft geht. Er beantragt einen rechtlichen Hinweis der Kammer, dass auch für G. die Zurechnung der Todesfolge in Betracht komme.

Daneben sind beide wegen des Entfernens vom Unfallort angeklagt. Tim G. stellte sich am nächsten Tag der Polizei, doch Ramsy A. blieb untergetaucht. Monatelang suchte die Polizei per Öffentlichkeitsfahndung nach ihm, im Mai 2021 wurde er schließlich auf einem Parkplatz in Nordrhein-Westfalen festgenommen.

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Zu den Vorwürfen schweigen beide Angeklagten bisher. Ramsy A.s Verteidiger sagt in einer Pause zu den Medienvertretern, dass sie sich noch äußern wollten und die Teilnahme an einem Autorennen nicht bestritten. Er macht aber auch deutlich, dass für ihn der Fehler des Opel-Fahrers eine zentrale Rolle spielt.

Dieser Beteiligte, ein zu dem Zeitpunkt 59 Jahre alter Pfarrer aus Hessen, musste sich schon im Mai vor dem Amtsgericht Höchst wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verantworten. In dem Prozess sagte die Richterin, der Fehler des Angeklagten sei zwar die Ursache für den Tod der Frau. Jedoch habe das Verhalten des Lamborghini-Fahrers erhebliche Auswirkungen darauf gehabt, wie dieser Unfall geendet habe. Auch die Staatsanwaltschaft war dieser Meinung: Der "Verursachungsbeitrag" des Angeklagten sei im Vergleich dazu, dass der Lamborghini-Fahrer bei reichlich Verkehr so schnell gefahren sei, verhältnismäßig klein.

Der Mann wurde schließlich zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Angeklagte musste zudem eine Geldauflage von 5000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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