"Der Prinz von Homburg": Die Oper Frankfurt hat sich eine Besonderheit für den Saisonstart ausgesucht: Die gemeinsame Oper von Ingeborg Bachmann und Hans Werner Henze. Ausflüge nach Bad Homburg gibt es auch.

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Einige Tage vor der ersten Premiere gibt es eine Dienstfahrt nach Bad Homburg. Zur Besichtigung des barocken Schlosses, das jener Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg errichten ließ, den Heinrich von Kleist zur Titelfigur seines letzten Dramas "Prinz Friedrich von Homburg oder die Schlacht bei Fehrbellin" machte.

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Als der Komponist Hans Werner Henze und die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg das Stück ihrer ersten gemeinsamen Oper zugrunde legten, sei es noch stark als militaristisches und nationalistisches Drama wahrgenommen worden, sagt Regisseur Jens-Daniel Herzog. Der Intendant des Staatstheaters Nürnberg, der Henzes 1960 in Hamburg uraufgeführte Oper in Frankfurt inszeniert, erinnert an die Begeisterung Kaiser Wilhelms II. für Kleists Schauspiel, in dessen Rezeption lange Homburgs befehlswidriges, letztlich aber zum Sieg in der Schlacht führendes Handeln als zentrales Motiv gesehen wurde.

Henze, der kurz vor Kriegsende selbst noch als Soldat einberufen wurde, und Bachmann hätten das Stück für ihre Oper "umcodiert", sagt Jens-Daniel Herzog: "Sie haben den Außenseiter entdecken wollen." Kleists Drama begleite ihn seit seiner Zeit als Assistent Dieter Dorns an den Münchner Kammerspielen; eine Henze-Oper inszeniert er dagegen zum ersten Mal. Für visionär hält er es, dass das Drama und die Oper mit einem Traum beginnen. Darin erklärt Homburg der Prinzessin Natalie seine Liebe und behält sodann ihren Handschuh in den Händen: "Wenn man aufwacht und nicht mehr weiß, ob das, was man erlebt hat, wahr ist oder geträumt war, wird man verrückt." Das habe etwas von Kafka, sagt Herzog, und erinnert an den Anfang von dessen Erzählung "Die Verwandlung" mit dem Erwachen Gregor Samsas "aus unruhigen Träumen".

Fast eine Brecht’sche "Maßnahme"

Was mit Homburg geschehe, nennt Herzog ein "Laborexperiment", wenn dieser für sein Fehlverhalten zum Tod verurteilt wird, vor seinem eigenen Grab steht, um sein Leben fleht. Auf der nahezu leeren Bühne von Johannes Schütz mit einigen weißen Stühlen im Hintergrund sei das gesamte Ensemble während der ganzen Aufführung präsent. "Die Darsteller sind unter Dauerbeobachtung", und man sehe die Verfertigung einer Illusion: "Das Theater selbst ist anwesend", und am Ende sei es fast eine Brecht’sche "Maßnahme", wie der Kurfürst den Prinzen wieder "in sein Programm" einspanne: "Mit Preußen hat das nichts zu tun, das Stück geht um den Versuch, das Individuum in ein System einzuspannen." Ingeborg Bachmann, die Librettistin, habe dafür eine "geniale Strichfassung" erstellt: "Am Ende scheitert Homburg daran, dass er alles für die Leute gegeben hat." Alles bleibe in der Differenz von Traum und Alltag.

Um Preußen ging es dem 1926 in Gütersloh geborenen, bald nach dem Zweiten Weltkrieg nach Italien übersiedelten Henze nicht. Der Komponist, der wie Bachmann aus einem nationalsozialistisch geprägten Elternhaus stammte, galt in der musikalischen Nachkriegszeit als Außenseiter, der "in der Nachfolge Beethovens, in der Harmonie bleiben wollte", wie es Takeshi Moriuchi formuliert. Der Studienleiter der Oper Frankfurt übernimmt die musikalische Leitung der Premiere, nachdem er zuvor im Bockenheimer Depot Wolfgang Fortners Oper "In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa" dirigiert hat. Der Begriff des "Zwölfton-Belcanto", den er dabei für Fortner geprägt habe, lasse sich auch auf dessen Kompositionsschüler Henze übertragen. "Zugleich kann die Musik ohne Text und Bühne gar nicht bestehen." Moriuchi vergleicht sie insofern mit einer Schauspielmusik; sie enthalte zwölftönige, tonale sowie polytonale Elemente und sei als neuere Musik doch vor allem "gut singbar", trotz ihrer Anforderungen: "Henze wusste genau darum, wie man mit Stimmen umgeht."

Ein früher Wunsch des Ensembles sei gewesen, die drei Akte ohne Pause zu spielen, berichten Dirigent und Regisseur. Der Bariton Domen Križaj übernimmt die Titelpartie, Magdalena Hinterdobler die Prinzessin, Yves Saelens den Kurfürsten. Dass so wenige Opern auf Dramen Kleists beruhen, erklärt der Regisseur damit, dass dessen Sprache "selbst Musik" sei: "Wenn ich Dramen von ihm probe, spreche ich von seinen Texten immer als Partituren." Henze, der 2012 kurz nach einer Opernpremiere in Dresden starb, mag heute etwas seltener auf den Spielplänen erscheinen als noch vor zwei oder drei Jahrzehnten. Vielleicht, so Moriuchi, habe es ein "so perfektes" Stück heute schwerer auf der Bühne. Henze schreibe sehr puristisch, "ohne billige Verzierung, nicht einfach, aber klar und gerade". Das kann das Frankfurter Publikum nun entdecken. Und den Spuren der historischen Figur nachgehen: Die Oper bietet mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Hessen ein Rahmenprogramm an, das Veranstaltungen und Sonderführungen in Bad Homburg einschließt.

Der Prinz von Homburg, Oper Frankfurt, Premiere am 22. September, 18 Uhr.   © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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