Nutzungsstreit in Offenbach: Die Wohnungsbaugesellschaft ABG aus Frankfurt will das Grundstück der ehemaligen Siemens-Türme am Kaiserlei in Offenbach kaufen. Kommt sie zum Zug, werden die Betonskelette abgerissen.

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Die Zukunft der Siemens-Türme im Offenbacher Westen an der Grenze zu Frankfurt ist wieder völlig offen. Wurden bisher Pläne favorisiert, die Betonskelette zu erhalten und in ein großes Studentenwohnheim umzubauen, wird jetzt auch ein Abriss diskutiert. Das ergibt sich aus Überlegungen der Frankfurter Wohnungsbaugesellschaft ABG Holding, das Grundstück von der in Schieflage geratenen Adler Group zu erwerben und dort ein neues Quartier zu errichten. Das kommunale Unternehmen tritt damit in Konkurrenz zur Hamburger Becken Holding, die schon seit dem vergangenen Jahr Interesse daran hat, das Grundstück mit den Türmen zu erwerben.

"Wir stehen in Verhandlungen mit dem Eigentümer", sagte ABG-Geschäftsführer Frank Junker im Gespräch mit der F.A.Z. "Wir wollen die Flächen erwerben und entwickeln." Mit einer Entscheidung rechne er noch in diesem Jahr. Sollte die ABG den Zuschlag erhalten, würde sie allerdings eine ganz andere Strategie verfolgen als Becken.

Eine Revitalisierung der Türme sei nicht möglich, sagte Junker. "Die Betonskelette halte ich für fragwürdig. Wir wollen abreißen und das Areal neu bebauen." Untersuchungen hätten ergeben, dass die Tragfähigkeit der seit mehreren Jahren der Witterung ausgesetzten Betonkonstruktion nicht mehr gegeben sei, so Junker. Sie zu sanieren bedeute einen "enormen Kostenaufwand". Abriss und Neubau seien die wirtschaftlich sinnvollere Variante.

Zweifel an der Statik des Betonskelettes

Treibende Kraft hinter der Idee, die Rohbauten weiter zu nutzen und mit Holzmodulen in ein Wohnheim umzubauen, war in den vergangenen Monaten Jörn Stobbe, bisher Geschäftsführer der Hamburger Becken Holding. Doch Stobbe habe das Unternehmen zum 31. Oktober nach vierjähriger Tätigkeit verlassen, teilte Becken am Montagabend mit. Stobbe wolle sich künftig den Themen Fußball – er ist Mitglied des Aufsichtsrats von Kickers Offenbach – und "bezahlbare Lebensräume unter Einsatz von modularem Bauen" widmen. Diese Formulierung weckt die Erwartung, dass sich Stobbe weiterhin mit dem Kaiserlei-Projekt befasst, wenn auch nicht mehr mit der Becken Holding im Rücken.

Offenbachs Oberbürgermeister Felix Schwenke (SPD) jedenfalls sagte am Dienstag, er hoffe sehr, dass Stobbe auch nach seinem Ausscheiden bei Becken eine Rolle bei der Entwicklung des Areals übernehmen werde. In welcher Weise das letztlich geschehen würde, ist für Schwenke nach eigenem Bekunden zweitrangig. Bisher sei noch nicht abschließend geklärt, ob die Ertüchtigung der alten Bauten möglich ist.

Das von Becken beauftragte Frankfurter Architekturbüro Schmidt Plöcker hebt zwar hervor, dass Gutachten die Standfestigkeit der Betonskelette bestätigt hätten. Zweifel daran gibt es aber beim Land Hessen, von dem ein großer Teil der Fördermittel für studentisches Wohnen kommen soll. Der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen hat deshalb ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben.

Für Stobbe ist die Ertüchtigung der auch KWU-Türme genannten Bauten Teil der Entwicklung eines kompletten neuen Quartiers im Offenbacher Westen inklusive eines Parks bis hin zum Mainufer. Ob sich die Becken Gruppe auch nach Stobbes Ausscheiden weiter engagiert, ist noch offen, von dem Unternehmen war am Dienstag keine Stellungnahme zu erhalten. Schwenke sagte, er hoffe, dass sich Becken weiter für das Projekt engagiere und seinem Ruf als verlässliches Unternehmen gerecht werde.

Studentenwohnheim und Mischnutzung möglich

Die Hamburger haben mit der in Schieflage geratenen Adler Group die Option auf den Kauf des Grundstücks vereinbart, die mehrfach verlängert wurde, zuletzt bis Ende dieses Jahres. Becken kann sich immer noch zurückziehen. Adler will dem Vernehmen nach einen hohen zweistelligen Millionenbetrag für das Areal erlösen. Die Adler-Gruppe wiederum hatte das Areal von dem schillernden Immobilienunternehmer Christoph Gröner gekauft, der dieser Tage für seine Gröner Group einen Insolvenzantrag gestellt hat.

Vom Kaufpreis hängt am Ende die Wirtschaftlichkeit des Projekts ab. Ohne öffentliche Hilfe lassen sich zumindest die Studentenapartments nicht bauen. Fördermittel könnten nicht nur vom Land Hessen, sondern auch von der Stadt Frankfurt fließen. Im Sommer wurden die Richtlinien für Zuschüsse zum Bau von Studentenwohnungen so geändert, dass auch Projekte außerhalb von Frankfurt gefördert werden können. Im städtischen Haushalt stehen in den nächsten Jahren jeweils Fördermittel in Höhe von zwei Millionen Euro zur Verfügung.

Die ABG würde nach einem Abbruch der Türme die von der Stadt gewünschte Mischung aus Studentenapartments, normalen Mietwohnungen, einem Hotel und Gewerbeflächen realisieren, so Junker. Hochhäuser in der bisherigen Form würden nicht gebaut, allenfalls sei ein "Hochpunkt" geplant. Dadurch könne insgesamt etwas weniger Fläche realisiert werden als bei einem Erhalt der Türme. Die ABG würde die Gebäude voraussichtlich im eigenen Bestand halten, aber einen externen Betreiber für das Studentenwohnheim suchen.

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Sollte es zu einer Einigung über den Kauf des Grundstücks kommen, könne 2025 oder 2026 mit den Arbeiten begonnen werden, so Junker. Dank der Fördermittel sei es wahrscheinlich, dass zunächst die Studentenwohnungen gebaut würden. Beim Mietwohnungsbau ist die ABG derzeit wegen der hohen Baukosten sehr zurückhaltend. Dabei ist das Unternehmen, das größtenteils der Stadt Frankfurt und zu einem kleinen Teil der Frankfurter Sparkasse gehört, wirtschaftlich leistungsfähig, hat 2023 einen Überschuss von 83 Millionen Euro erwirtschaftet und plant in den nächsten Jahren Investitionen in Höhe von insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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