Weihnachtsmarkt: Die Frankfurter Rückrufaktion für die diesjährigen Weihnachtsmarkttassen erhitzt die Gemüter wie sonst nur Glühwein selbst. Für den Veranstalter hat die Sicherheit der Besucher Priorität. Der Hersteller ist ratlos.

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Es musste ja so kommen: Der Frankfurter Weihnachtsmarkt hatte in diesem Jahr ganz gegen die Gewohnheit ohne Aufregung um einen vermeintlich hässlichen Weihnachtsbaum begonnen. Florian, 3,3 Tonnen schwer, 26 Meter hoch, im 125. Jubiläumsjahr von der Berufsfeuerwehr als Patin auf den Namen des Schutzheiligen getauft, sicher aus dem Spessart auf den Römerberg transportiert und dort auch noch ohne jeden Astbruch aufgestellt, kam stinklangweilig einfach nur gut an bei Medien, Passanten und anderen Nörglern. Da lag nun eindeutig in der Luft, dass noch ein Skandal oder zumindest eine Panne benötigt würde, um den Markt zum Gesprächsthema werden zu lassen.

Seit Montag gibt es die werbewirksame Diskussion: Die diesjährige Edition der Weihnachtsmarkttasse ist zurückgerufen worden, nachdem bei einigen Exemplaren aus unterschiedlichsten Kisten der Lieferung die Glasur geborsten war. Die Tasse drohte zum Sicherheitsrisiko zu werden, gegen das keine Terrorsperre und keine Polizeipräsenz hilft. "Wir haben bislang keine Kenntnis davon, dass sich jemand eine Hand verbrannt hat. Aber die Unversehrtheit unserer Besucher hat natürlich höchste Priorität, deshalb haben wir umgehend alle Tassen aus dem Verkehr gezogen", sagt Ines Philipp, Sprecherin des stadteigenen Veranstalters Tourismus und Congress Frankfurt (TCF).

Im seit Montag laufenden Weihnachtsmarktbetrieb gebe es keine Möglichkeit, sämtliche Chargen der Lieferung von Zehntausenden Tassen systematisch darauf zu untersuchen, ob vielleicht doch größere Mengen zweifelsfrei genutzt werden könnten.

Zudem habe der Hersteller Mohaba darüber informiert, dass auch bei anderen von dem Familienunternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Düren belieferten Weihnachtsmärkten ein solcher Fehler aufgetreten sei. Mohaba, laut Eigenbeschreibung "seit 1954 darauf spezialisiert, Gläser, Tassen und vieles mehr zu bedrucken und zu dekorieren", könne sich den Fehler noch nicht abschließend erklären.

Bislang geht das Unternehmen, das seit vielen Jahren die jährliche Ausschreibung der TCF für sich entschieden hat und bislang Jahr für Jahr unbeanstandete Ware geliefert hatte, davon aus, dass ein Brennvorgang in der Produktionsstätte in China zu lange oder zu kurz vorgenommen worden sein könnte.

In der Folge komme es nun beim Zusammenspiel der beiden Komponenten Keramik und Glasur bei zahlreichen Tassen zum Bersten, wenn heiße Flüssigkeit wie Glühwein eingeschenkt werde. Das Unternehmen bezeichnet diesen Effekt als "Thermoschock", der auftreten könne, wenn Schichten mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten aufeinanderträfen. Dem Hersteller ist aufgefallen, dass der Fehler vornehmlich bei Tassen mit matter Glasur wie in Frankfurt aufgetreten sei.

"Mit Kassenzettel zurück zum Hersteller"

Ines Philipp bezeichnete das Produkt im Scherz als "Montagsauto unter den Glühweintassen" und verwies wiederum ernsthaft darauf, dass bei ersten Runden Glühwein im Büro vor wenigen Tagen nichts Auffälliges geschehen sei, nun aber auch dort bei Tests im Kollegenkreis der Fehler mehrfach aufgetreten sei. Eine Überprüfung der Ware durch einen Test vorab habe die TCF aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Hersteller aus den Vorjahren nie in Erwägung gezogen.

Philipp schließt kategorisch aus, dass die Edition von 2024 doch noch zum Einsatz am Glühweinstand kommen könnte. Stattdessen habe die TCF aus ihrem Lager im Osten der Stadt Tassen früherer Jahrgänge unter den Standbetreibern verteilt. "Sammler freuen sich vielleicht sogar, weil manche immer wieder fragen, ob sie eine Tasse aus einem bestimmten Jahrgang nachkaufen könnten", sagt Philipp. Nun ist die Lotterie eröffnet.

Die beanstandeten Tassen werde die TCF derweil "wie ein normaler Kunde im Geschäft mit dem Kassenzettel zurückbringen zum Hersteller". Wie man sich dann finanziell einigt oder ob die TCF gar Regress fordert, sei eine Frage für den "zweiten oder dritten Schritt". Erste Priorität sei, dass die Schausteller zwischen Mainkai und Hauptwache ausreichend Tassen zur Verfügung haben. Rund 30.000 Tassen habe die TCF aus den Vorjahren bewusst auf Lager gehalten für Notfälle, für die vier Wochen bis zum letzten Markttag am 22. Dezember reichten diese aber nicht. Mohaba wolle Ersatz beschaffen.

Schandmäuler bringen derweil ins Spiel, dass es ein Glücksfall sei, dass die 2024er Tasse aus dem Verkehr gezogen worden sei. Sie sollte schließlich das bevorstehende Jubiläum 100 Jahre Neues Frankfurt würdigen, sei aber alles andere als ein stimmiger Designentwurf im Stil der stadtprägenden Bewegung.

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Andererseits wurde eine Variante der klassisch in Rot gehaltenen Tasse vom Museum Angewandte Kunst (MAK) abgesegnet und sollte als deren goldene Edition in die Adventszeit gehen. Es scheint definitiv genug Gesprächsstoff gegeben für die Adventszeit.  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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