Bernd Pfarr im Caricatura: Das Leben in all seinen Zwiespältigkeiten: Man kommt aus dem Lachen nicht heraus bei "Knochenzart". Das Museum Caricatura Frankfurt zeigt Bernd Pfarr, den Meister der komischen Kunst.

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Knochenzart" ist ein ganz neues Wort. Obwohl Fido es hätte verwenden können, jener ockerfarbene, rundnasige Hund, der Knochen innig liebt, der von seinem Herrn ein Puddingbad bereitet bekommt und der sich sogar in ein rosa Tutu wirft, um Eindruck bei der Nachbarskatze zu schinden. Vergeblich. Ebenso vergeblich sind die Versuche des Krokodils Hektor, an seinen Autoschlüssel zu kommen, den ein Gnu verspeist hat, woraufhin Hektor wutentbrannt das Gnu verspeiste. Und nun nur eine Lösung sieht, an den Schlüssel zu kommen.

Vergeblichkeit als roter Faden

Das Diptychon vom kotzenden Krokodil, in schrillen Farben und wilden Strichen, ist ein lustvolles Sinnbild der Vergeblichkeit. Überhaupt ist Vergeblichkeit gewissermaßen ein Markenzeichen des Universums von Bernd Pfarr (1958 bis 2004). Kaum jemand hat aus den Haarrissen und Schluchten, die sich zwischen Wunsch und Wirklichkeit auftun, schönere, tiefgründigere und komischere Kunst hervorgelockt. Abgesehen von den acht Helden der "Neuen Frankfurter Schule", von Traxler bis Gernhardt, von denen Pfarr, der deutlich Jüngere, hoch geschätzt wurde. Pfarr, ausgebildet an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, kam früh zum Comic. Als passionierter Leser von Donald-Duck-Heften hat er seinen "Dulle" von 1985 gewissermaßen als entfernten Verwandten der Entenhausener angelegt. Schnurstracks führte sein Weg zu "Pardon" und "Titanic".

Der Neunte im Bunde der Neuen Frankfurter Schule sei er offiziell nie geworden, sagt Martin Sonnabend, Direktor des Caricatura Museums, wo die Ausstellung "Knochenzart" die gesamte Ausstellungsfläche bespielt. Es sei ihm eine "Herzensangelegenheit", so Sonnabend, Pfarr in der ersten von ihm als Direktor verantworteten Ausstellung zu zeigen. 2008 ist die Caricatura mit einer Pfarr-Schau eröffnet worden, noch in Kassel hatte Sonnabend ebenfalls Pfarr gezeigt.

Nun schließen sich mehrere Kreise: Im 20. Todesjahr Pfarrs, der früh an Krebs starb, gibt es nicht nur wieder eine Pfarr-Ausstellung, auch der nach seiner Figur benannte 20. Sondermann-Preis für komische Kunst wird am 9. November erstmals in der Caricatura verliehen. Wo sonst, möchte man sagen angesichts dieser Fülle, fast schon Überfülle an Pfarr, die dort nun zu sehen ist.

Allein die 64 Acrylgemälde, deren verhaltenes Leuchten und klare Linien fast etwas Altmeisterliches haben, das durch die feine Erfassung von Interieurs und Architektur geprägt wird, erst recht aber durch die Sorgfalt, mit der Pfarr seine Farben wählte, mischte und einsetzte, belegen seine große Kunst. Dass sie in den meisten Fällen auch aus herausragender Text-Kunst bestand, aus ein paar Zeilen, die das Bild in eine ganze Welt einbetten, die konsequent aus der Wirklichkeit heraus in eine witzige und aberwitzige Phantasie führt, die zum Lachen reizt, ist zumindest an einigen Stellen gut zu sehen. Dort sind die Texte so angebracht, wie sie einst mittig unter den Bildern standen, in direktem Bezug. Wie sonst sollte man wissen, dass der Hund Purzel so sehr heult, weil ihm die Tragweite von Kants kategorischem Imperativ klar geworden ist?

Fido und Kants Imperativ

Die Caricatura hat sich für diese Ausstellung ganz auf Tiermotive konzentriert. Wobei jedes Tier, wie Hektor oder Fido, stets auch das menschliche Hadern mit den Zumutungen des Lebens verkörpert. Anlass der Beschränkung ist eine begrüßenswerte Erweiterung: Der Kibitz-Verlag hat erstmals alle Comics der wundervollen klassischen Serie "Alex, der Rabe" herausgebracht und den Band "Engel und sonstiges Geflügel", einst ein Adventskalender, neu aufgelegt.

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Daher der Ausstellungsuntertitel "Bilder von Tieren und Engeln", denn alle Blätter der Kalendergeschichte, die bis zum 26. Dezember reicht, sind auch ausgestellt. Wie überhaupt die Grafik Pfarrs, die privaten "Cassetten"-Deckbilder für seine Frau Gabriele Roth-Pfarr, die maßgeblich an der Ausstellungskonzeption Thomas Kronenbergs beteiligt war, die Entwürfe und Serien auch denjenigen Neues bieten dürften, die sich zu den Fans von Pfarr zählen.

Neue Einblicke in ein Werk

Tusche und Aquarell sind in der Galerie konzentriert, wo neben "Dulle", "Alex", Motiven der Weltliteratur und Einzelblättern das gesamte Universum von Sondermann, Pfarrs berühmtester Figur, ausgebreitet ist. Auch dies entlang von Tiermotiven, denn die gibt es oft bei Sondermann. Schon im Alter von 20 Jahren hatte Pfarr mit ihm eine feste Größe geschaffen, denn erfreulicherweise überlebt dieser bizarrste aller Buchhalter auch Elefantenfußball und eine Nashornattacke, die sein Werbeeinsatz mit dem Slogan "Esst mehr Nashornpaste" provoziert. Nur das Wort "Knochenzart", das hat Pfarr nicht erfunden. Es ist extra erfunden worden, für diese Ausstellung und wohl ein bisschen auch für das, was dieser hohen Kunst der Komik zugrunde liegt. Deshalb soll es demnächst sogar auf T-Shirts stehen.

Knochenzart Caricatura Museum für Komische Kunst, Weckmarkt, Frankfurt, bis 19. Januar 2025  © Frankfurter Allgemeine Zeitung

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