Hannover - Für einen mutmaßlich korrupten Staatsanwalt aus Hannover wird es ernst: Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat Anklage gegen den in Untersuchungshaft sitzenden 39-Jährigen erhoben - wegen Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall, Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt.

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Es geht um 14 Fälle im Zeitraum zwischen Juni 2020 und März 2021, wie das niedersächsische Justizministerium bei einer Unterrichtung des Rechtsausschusses im Landtag bekanntgab. Der Staatsanwalt soll von einer international agierenden Kokain-Bande bestochen worden sein.

Anklage auch gegen mutmaßlichen Mittelsmann

Außerdem erhob die Behörde Anklage gegen eine weitere Person wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Bestechung in einem besonders schweren Fall: Dieser Angeschuldigte soll in 12 Fällen als Mittelsmann die Informationen des 39-Jährigen weitergegeben und ihm seine Entlohnung überbracht haben. Die Verbindung zu dem Mitangeklagten soll nach Medienberichten über ein Kampfsport-Studio bestanden haben. Das Landgericht Hannover muss nun über die Zulassung der Anklage entscheiden. Für beide Männer gilt die Unschuldsvermutung.

Der Staatsanwalt wird verdächtigt, die Drogenbande als Dezernent der Zentralstelle für Betäubungsmittelstrafsachen der Staatsanwaltschaft Hannover über Ermittlungsergebnisse informiert und 2021 vor einer bundesweiten Razzia gewarnt zu haben. Führende Köpfe des mutmaßlichen Kokain-Kartells setzten sich ins Ausland ab. Für die Informationen soll der Jurist Bargeld erhalten haben - laut Justizministerium geht es um 65.000 Euro.

23 Tonnen Kokain

Gegen die vor der Razzia geflüchteten Verdächtigen beantragte der Staatsanwalt damals Haftbefehle. Der mutmaßliche Kopf der Bande wurde im April 2021 in Dubai festgenommen, aber nach wenigen Monaten unter Auflagen aus der Haft entlassen. Eine Auslieferung nach Deutschland lehnte das Gericht in Dubai im März 2023 ab.

Die Bande soll mehr als 23 Tonnen Kokain aus Süd- und Mittelamerika in die Europäische Union verschifft haben. Nach früheren Angaben des Ministeriums geht es um Kokain mit einem Straßenverkaufswert in Milliardenhöhe.

Staatsanwaltschaft Osnabrück übernahm erst Ende 2024

Erst Ende 2024 übernahm die Staatsanwaltschaft Osnabrück die Ermittlungen gegen den mutmaßlich korrupten Juristen von der Staatsanwaltschaft Hannover, die zuvor gegen den eigenen Kollegen ermittelt hatte. Die Wohn- und Diensträume des 39-Jährigen waren schon Ende 2022 durchsucht worden.

Doch im Oktober 2023 wurde das Verfahren gegen ihn vorerst eingestellt - dem für Drogenverfahren zuständigen Staatsanwalt konnte damals laut Ministerium nicht nachgewiesen werden, dass er die Rauschgift-Bande gewarnt hatte. Nach der Entschlüsselung von Chats der Drogenhändler wurde das Verfahren gegen den verdächtigen Staatsanwalt jedoch im Juni 2024 wieder aufgenommen. Seit Ende Oktober sitzt er in Untersuchungshaft. Nach dpa-Informationen war er noch im vergangenen Sommer Sitzungsvertreter in einem Drogenprozess.

CDU-Fraktion sieht "großes Fragezeichen"

Nur: Was genau war der Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens? "Da bleibt ein großes Fragezeichen", sagte Carina Hermann, die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion. "Das Ministerium sollte sich zügig erklären, welche konkreten neuen Beweise im Herbst 2024 vorlagen, die nicht bereits ein Jahr zuvor eine Anklage gerechtfertigt hätten."

Mutmaßlich im Zusammenhang mit dem Fall wurde kürzlich der Sitz einer IT-Firma in Celle durchsucht. Die Firma nannte auf ihrer Internetseite etwa den Deutschen Bundestag und die Zentrale Polizeidirektion Hannover als Kunden. Nach dpa-Informationen war das Unternehmen lange von einem Mann geführt worden, der im Oktober 2023 am Landgericht Hannover wegen bandenmäßigen Drogenhandels zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Laut Innenministerium hatte die Firma keinen Zugriff auf polizeiliche Datenbestände.

Hermann: Keine Antworten auf Fragen zu Computerfirma

Allerdings kritisierte Hermann, die Unterrichtung des Ausschusses habe keine Antworten rund um die Computerfirma geliefert. Unklar blieb daher auch, ob die Firma in der Vergangenheit schon einmal durchsucht worden war. "Ebenso wirft der mögliche Zusammenhang mit einer vom Justiz- und Innenministerium beauftragten IT-Firma, die in den Fokus der Ermittlungen geraten ist, weiterhin schwerwiegende Fragen auf", sagte sie in einer Stellungnahme. "Es bleibt noch viel aufzuklären."

"Besonders irritierend" sei jedoch, "dass bei diesem sensiblen Thema erneut weder die Ministerin noch der Staatssekretär persönlich die Unterrichtung vorgenommen haben", betonte Hermann. Evrim Camuz, die rechtspolitische Sprecherin der Grünen im niedersächsischen Landtag, sprach dagegen von einem großen und vor allem schnellen Ermittlungserfolg.

Ministerin geht von Einzelfall aus

Die im Land oppositionelle CDU hatte von einem "Justizskandal" gesprochen. Nach Überzeugung der niedersächsischen Justizministerin Kathrin Wahlmann handelt es sich bei dem Verdacht gegen den Staatsanwalt aber um einen Einzelfall. Die SPD-Politikerin sagte der Deutschen Presse-Agentur Ende 2024: "Von einem "Justizskandal" zu sprechen, halte ich für falsch."  © Deutsche Presse-Agentur

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