Es ist die vielleicht größte Tiefstapelei in der Kunst des 21. Jahrhunderts: "Ich kann das ja mal probieren."

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Der weltweit gefeierte Künstler Gerhard Richter sagte diesen Satz im Jahr 2002, als ihn Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner bei einem Geburtstagsempfang auf die Gestaltung des Südquerhausfensters im Kölner Dom ansprach. Fast ein Vierteljahrhundert später erzählte Schock-Werner diese Geschichte bei einer Sonderführung zum "Richter-Fenster". Das exklusive Angebot galt Neu-Mitgliedern des Zentral-Dombau-Vereins (ZDV), die nach einem Gesprächsabend mit Schock-Werner bei "frank&frei", der Talkreihe des "Kölner Stadt-Anzeiger" in der Karl-Rahner-Akademie, spontan ihren Beitritt erklärt hatten.

Unter den Zuhörern im Dom war auch der neue Chefredakteur des "Kölner Stadt-Anzeiger", Gerald Selch. Er entnahm Schock-Werners Ausführungen gleich eine biografische Verbindung zum Dom und zum Richter-Fenster: Das oberpfälzische Waldsassen, wo die 11.263 Farbquadrate für das 106 Quadratmeter große Fenster in der Glashütte Lamberts mundgeblasen wurden, ist Selchs Geburtsort.

Seit Schock-Werners Wahl zur Präsidentin am 12. Oktober hat der ZDV, wichtigster Geldgeber für die Erhaltung des Doms, schon 443 neue Mitglieder gewonnen (Stand: 18. November). Die Gesamtzahl liegt mit jetzt 17.770 nahe am Allzeithoch von 17.908 am Jahresende 2023. Schock-Werner sagte, sie ziele jetzt auf die Rekordmarke von 18.000. "Wir brauchen möglichst viele Kölnerinnen und Kölner im ZDV."

Vom jährlichen Budget der von Dombaumeister Peter Füssenich geleiteten Dombauhütte stammen etwa 60 Prozent aus Mitgliedsbeiträgen, Lotterie-Erträgen und Spenden an den ZDV. Dieser wurde 1842 gegründet, um die Vollendung des gotischen Doms zu finanzieren.

Die Neu-Mitglieder nahm Schock-Werner mit in die rund 700-jährige Geschichte der Glasmalerei im Dom, die mit den Fenstern im gotischen Chor begann. Den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg entging einer der größten Schätze des Doms nur, weil das NS-Regime rechtzeitig vor den Luftangriffen der Alliierten die Ausglasung aller bedeutenden historischen Kirchenfenster im Reichsgebiet angeordnet hatte. Mehr durch ein Versehen blieb in Köln so auch eine Reihe von Scheiben aus dem 19. Jahrhundert verschont. Nicht aber diejenigen des südlichen Querhausfensters, an dem sich dann Gerhard Richter "probierte".

Nach 17 verschiedenen Entwürfen, vielen Diskussionen und gegen erbitterten Widerstand insbesondere des früheren Erzbischofs, Kardinal Joachim Meisner, wurde das Werk am 27. August 2007 feierlich enthüllt. "Richter hat mir zu meinem Mut gratuliert, ich ihm zu seinem", erzählte Schock-Werner.

Von Anfang an seien die Reaktionen der Dombesucherinnen und -Besucher auf das modernste Kunstwerk im Dom weit überwiegend positiv gewesen. "Etwa im Verhältnis 80:20", sagte Schock-Werner. Sie berichtete aber auch von wütenden Briefen. "In einem stand, ich hätte es verdient, mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen zu werden."

Zum Glück für Schock-Werner und alle Dombegeisterten sind ihr diese oder andere Folterqualen erspart geblieben. Im Gegenteil: Als nach der Enthüllung des Fensters 2007 zum ersten Mal die Sonne hindurch erschien, es in seiner ganzen Farbfülle strahlte und bunte Lichtreflexe auf die Wände des Doms warf, da seien ihr und auch Gerhard Richter riesige Steinklötze von der Seele gefallen.

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Am Ende der rund anderthalbstündigen Führung, während der die Teilnehmenden in 20 Meter Höhe bis auf wenige Zentimeter an das Richter-Fenster herankamen und so auch die Fertigungstechnik der auf Silikongel über einer Trägerscheibe "schwimmenden" Farbquadrate begutachten konnten (Schock-Werner: "Noch ist keines heruntergefallen"), brachte Marlene Vahl ins Wort, was die meisten gedacht haben dürften: "Da hat sich der Eintritt in den ZDV doch schon gelohnt."

Für das kommende Jahr kündigte Schock-Werner prompt weitere Besichtigungen und Aktionen rund um den Dombau exklusiv für ZDV-Mitglieder an.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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