Das Büro von Hermann Greven in der Feuerwache an der Edith-Weyde-Straße in Wiesdorf ist mehr als nur aufgeräumt.
Im Grunde ist es fast leer, auf dem Schreibtisch liegt kaum noch etwas, keine Bilder hängen mehr an der Wand. Wenn der Chef der Leverkusener Feuerwehr am Freitag in den Ruhestand geht, werden spätestens dann alle Spuren des Mannes verschwunden sein, der – das lässt sich wohl so sagen – die Feuerwehr in den vergangenen Jahrzehnten geprägt hat.
Die verschwundenen Spuren beziehen sich wohl aber nur auf sichtbare Zeichen. In 31 Jahren im Dienst der Leverkusener Feuerwehr und davon 20 Jahren als deren Leiter hinterlässt Greven mit Sicherheit unsichtbare Fußspuren.
"Ich gehe mit den besten Gefühlen", sagt der 60-Jährige, während er sich auf dem roten Sofa in seinem Büro im Gespräch mit dem "Leverkusener Anzeiger" zurücklehnt. Er habe eine sehr schöne Zeit gehabt, allerdings auch eine Zeit mit viel Arbeit und Verantwortung. Denn: "Diesen Job gibt es ja nicht der Light-Version." Heißt: Greven war 20 Jahre lange fast rund um die Uhr gefordert, im Grunde fast immer erreichbar. Das brachte der Posten so mit sich.
Leverkusen: 34 Kräfte immer im Einsatz
Hermann Greven kommt aus Gronau, die Stadt liegt im westlichen Münsterland an der deutsch-niederländischen Grenzen, er wohnt in Köln. Nach einem Maschinenbaustudium in Bochum wurde er erst Brandreferendar in Solingen, dann kam er als stellvertretender Amtsleiter nach Leverkusen und rückte nach, als sein Vorgesetzter in Pension ging. So ähnlich läuft es in diesem Jahr auch: Grevens Nachfolger wird sein Stellvertreter Thomas Kresse.
Rund 250 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten bei der Leverkusener Feuerwehr. Als Greven anfing, seien es vielleicht 150 gewesen, schätzt er. Aber die Einsatzzahlen sind in den vergangenen Jahrzehnten deutlich angestiegen, vor allem im Rettungsdienst. Außerdem brauche man mehr Personal, weil Feuerwehrleute in der Regel inzwischen keine 56 mehr, sondern 48 Stunden in der Woche arbeiten, eine Regelung, die auch mit der zugenommenen Belastung durch mehr Einsätze zusammenhängt.
"Mal reicht’s, mal reicht’s nicht", sagt Greven über den Personalbestand. 34 hauptamtliche Kräfte seien rund um die Uhr im Dienst. Insgesamt, wenn der 60-Jährige die Löschzüge der Freiwilligen Feuerwehr und den Rettungsdienst dazurechnet, kommt er auf fast 900 Leute, die immer für die Leverkusenerinnen und Leverkusener da sind.
Wenn Greven an besondere Einsätze zurückdenkt, fallen ihm mehrere ein. Die Explosion im Chempark 2021, das Hochwasser, aber vor allem der Brand eines Wohn- und Geschäftshauses an der Kölner Straße in Opladen vor ziemlich genau zehn Jahren. Dort habe es eine Durchzündung gegeben, bei der acht seiner eigenen Leute verletzt worden seien. Manche davon seien nicht mehr in den Dienst zurückgekehrt. Das vergisst Greven nicht, auch wenn er im Hinblick auf seine gesamte Dienstzeit sagen kann: "Ich bin froh, dass ich niemanden beerdigen musste."
Training, feste Hierarchien, einstudierte Abläufe – die Feuerwehrleute sind auf viele Extremsituationen eingestellt. "Und man ist auch an vieles gewöhnt", sagt Greven. Trotzdem gebe es Situationen, "da geht der Puls hoch". Selbst ein vermeintlich "normaler" Gebäudebrand sei manchmal nicht ohne. "Das ist schon ein enormer Stress teilweise", sagt er. Sowohl für die Einsatzleitung als auch für die Kameradinnen und Kameraden, die ausrücken müssen.
Die Leverkusener Feuerwehr sieht er strukturell gut aufgestellt. Mit einer Ausnahme: der Feuerwache in Opladen. "Das war schon vor 30 Jahren Thema." Die Stadt und die Ratsmehrheit will eine neue Feuerwache Auf den Heunen bauen, Naturschützer laufen Sturm gegen den Plan, weil sie in ein Landschaftsschutzgebiet gebaut würde. "Fest steht: Eine neue Feuerwache ist dringend notwendig", sagt Greven. Die Versorgung der Menschen im Norden von Leverkusen sei deutlich schlechter als im Süden. Das aktuelle Gebäude sei aus dem Jahr 1926. Es fehlten Fahrzeugstellplätze, die Bedingungen für die Feuerwehrleute seien schlecht, die Straße vor Ort schlecht zu befahren. Kurz: "Es wird dringend Zeit."
Er verstehe, dass das eine ganz schwierige Entscheidung sei, aber die Feuerwehr sei in die Wahl des Standorts einbezogen worden. "Und ich finde den Standort gut." Mit dem Thema wird sich wohl auch sein Nachfolger Thomas Kresse noch auseinandersetzen müssen.
Der Feuerwehrdienst hat sich natürlich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert, davon weiß auch Greven zu berichten. Es seien mehr Einsätze, etwa 20.000 bis 30.000 im Jahr, sagt er. Inklusive Rettungsdienst. In den 90ern seien es vielleicht 20.000 gewesen. Das liege auch daran, dass die Menschen wohl schneller den Notruf rufen als früher. Das sei manchmal angebracht, manchmal aber auch nicht, so der noch amtierende Feuerwehr-Chef. Auch Einsätze, die durch Naturereignisse hervorgerufen werden, seien mehr geworden.
Die Feuerwehr, die damit schritthalten müsse, sei professioneller geworden. Besser ausgerüstet. "Wir müssen auch mehr können", so Greven. Das wiederum führe zu mehr Aus- und Fortbildungen. Grundsätzlich habe die Feuerwehr dasselbe Nachwuchs- und Fachkräftemangelproblem wie fast alle Branchen. Die Babyboomer-Generation höre auf. Greven macht das an einem Beispiel fest: 30 hauptamtliche Feuerwehrchefs gebe es in Nordrhein-Westfalen. Fünf davon, er eingeschlossen, gingen in Kürze in Ruhestand.
Für seinen letzten Arbeitstag am Freitag, 31. Januar, hat Hermann Greven seinen Ausstand geplant, das mache man immer so in der "Feuerwehr-Familie". Die werde er vermissen, sagt er. Die Kolleginnen und Kollegen, mit denen er jahrelang zusammengearbeitet hat. Nicht vermissen werde er die ständige Verfügbarkeit und Alarmbereitschaft. Sein Leben werde ab Freitag weniger Termin-gesteuert sein, darauf freue er sich.
Was er dann ab Samstag macht, weiß Greven noch nicht. Zumindest große Pläne habe er noch nicht. "Ich mache keine Weltreise, kaufe kein Segelboot oder Wohnmobil", sagt er und lacht. Vielmehr habe er noch zwei Kinder, die zur Schule gehen. Um die kann er sich dann noch mehr kümmern. Vielleicht lasse er sich auch häufiger in seiner Heimatstadt blicken, dort sei er nämlich immer noch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. © Kölner Stadt-Anzeiger
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.