Donald Trump ist wieder da, und auch überall in Europa übernehmen die Rechtspopulisten. Auf den großen politischen Bühnen erleben wir Umbrüche.

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Da ist es doch mal ganz beruhigend, dass sich in Wiehl mit der Kommunalwahl im kommenden September wenig ändern wird. Bürgermeister Ulrich Stücker jedenfalls hat im November erklärt, dass er noch einmal antreten will, nachdem ihm die großen Fraktionen von SPD und CDU Unterstützung zugesichert hatten.

Ein ernst zu nehmender Konkurrent wird auch diesmal nicht auftauchen, so ist es hier Sitte seit der Ära Becker-Blonigen. Aber, auch wenn zudem der Stadtrat eine neue Einmütigkeit demonstriert: Langweilig muss das neue Jahr nicht werden. Das alte war es auch nicht.

Neue Wiehler Geschlossenheit

Es mag zu Stückers Entscheidung beigetragen haben, dass er in Wiehl nicht abtreten will, ohne die Sanierung des Gymnasiums auf den Weg gebracht zu haben. Ein wichtiger Schritt wurde endlich getan, als der Stadtrat im Februar schließlich einstimmig entschied, auf den teuren Neubau des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums zu verzichten und stattdessen das vorhandene Gebäude gründlich zu sanieren und zu erweitern.

Ein Anforderungsprofil wird derzeit entwickelt. Im Sommer soll ein "Totalunternehmer" gefunden werden. Das heißt, nicht nur die komplette Sanierung des Gymnasiums, sondern schon die Planung wird in eine Hand beauftragt, damit möglichst nichts mehr schiefgeht. Vor allem sollen die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, schließlich gibt es noch andere Schulbaustellen, etwa in Marienhagen, wo ebenfalls eine ehrgeizige Erweiterung geplant ist.

Gesamtschule für Wiehl vor Gericht

Mit der Richtungsentscheidung für das Gymnasium wurde ein Zankapfel abgeräumt, der das politische Klima in Wiehl stark belastete. Beim Kampf für eine Gesamtschule hatte die CDU schon vorher ihren Widerstand aufgegeben. So war es aus Gesamtwiehler Sicht erfreulich, dass die andere weiterführende Schule im Stadtgebiet aufgerüstet werden darf.

Die Entscheidung der Kölner Bezirksregierung fiel im April, die Bedenken der oberbergischen Nachbarkommunen gegen eine neue Gesamtschule wurden zurückgewiesen. Nur haben diese erwartungsgemäß geklagt. Ende also weiterhin offen.

Umso schöner, dass drei große Projekte zum Abschluss kamen: In Drabenderhöhe wurde das Stadtteilhaus feierlich eröffnet, in Bomig ging das neue Feuerwehrhaus in Betrieb, und in Bielstein zog die Kita in die historische Repschenrother Mühle ein. Diese Gebäude symbolisieren eine Stadtentwicklung, die eben nicht nur im Hauptort stattfindet, wie Rat und Verwaltung oft vorgehalten wird.

Kinderfeuerwehr in Bomig

Und wenn man bedenkt, dass in Bomig die erste Wiehler Kinderfeuerwehr an den Start geht, stehen alle drei Projekte zudem für konsequente Jugendförderung. Man wird nicht behaupten können, dass die Stadt Wiehl ihren Nachwuchs stiefmütterlich behandelt. Die CDU-Fraktion hat sogar das juvenile Nachtleben als Standortfaktor entdeckt. Der Bürgermeister hat die Herausforderung angenommen und sucht eifrig nach einer Ersatzlösung für die schmerzlich vermisste "Box"-Disko, jedoch bisher vergeblich.

Es bleibt erstaunlich, dass sich die Gastronomie in Wiehl so schwer tut. Ein trauriges Mahnmal dieser Entwicklung ist das leer stehende Hotel Platte, ein Traditionshaus in prominenter Premiumlage, das einem Wohnhaus weichen soll. Zu allem Überfluss ist das Projekt in der Bauplanung stecken geblieben, der Konflikt zwischen Stadt und Bauherrn zum unendlichen juristischen Streitfall eskaliert. Wer auch immer hier eine Schlichtung herbeiführt, verdient den städtebaulichen Friedensnobelpreis.

Neuer Versuch in Brächen

Hans-Dietrich Genscher wird das Bonmot zugeschrieben: Solange man miteinander redet, schießt man nicht aufeinander. Dass diese Regel sich auf die Kommunalpolitik übertragen lässt, ließ sich wunderbar in Drabenderhöhe beobachten. Das geplante Wohn- und Gewerbegebiet gegenüber von Brächen brachte einst die Anwohnerinnen und Anwohner auf die Barrikaden. Beim zweiten Versuch wurde im vergangenen Jahr externer Sachverstand hinzugezogen und eine aufwendige, dreiteilige Bürgerwerkstatt veranstaltet, die alle Energien in produktive Bahnen lenkte.

So etwas sollte auch mit weniger Aufwand möglich sein, um auch bei anderen Vorhaben die Bürger mitzunehmen und ihre Schwarmintelligenz zu nutzen. Etwa beim Seequartier neben dem Wiehlpark. Oder wenn das frühere Seniorenheim "Haus Oberberg" demnächst als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Die Anwohner sind darüber nicht begeistert. Aber warum sollten sich deren Wünsche nicht mit der Unterbringungspflicht der Stadt vereinbaren lassen? Noch ein Bonmot gefällig? Ein Kompromiss ist laut Ludwig Erhard "die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen".

Bisher ist es jedenfalls auch in dieser Angelegenheit weitgehend gelungen, den Fremdenhass raus zu halten. Die AfD-Fraktion im Stadtrat, bisher noch dreiköpfig, übt sich weiterhin in Zurückhaltung. Die "Remigration" von allerlei Mitbürgern mit ausländischen Wurzeln hat es derweil ins Parteiprogramm der Populisten geschafft. Das mit der Potsdamer Rechtsaußen-Konferenz verbundene Reizwort brachte im Frühjahr auch in Wiehl hunderte Bürger auf die Straße.

Um dieses Engagement gegen autoritäre Tendenzen zu verstetigen findet seit April an jedem zweiten Donnerstag im Monat im Wiehlpark ein "Demokratie-Café" statt. Die offenen Treffen dienen der Planung von "Aktivitäten, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Toleranz und die Demokratie in Wiehl schützen und stärken sollen". In die gleiche Richtung geht die Bielsteiner "Demokratiekirche", ein Gemeinschaftsprojekt der katholischen und der evangelischen Gemeinde.

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Der gesellschaftliche Zusammenhalt und die offene Gesellschaft mögen in Berliner Reden beschworen werden – verwirklicht werden müssen sie vor der eigenen Haustür.

Wie gesagt: Überall in Europa übernehmen die Rechtspopulisten. Und bald ist Bundestagswahl.  © Kölner Stadt-Anzeiger

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